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krimirezensionen ab 2003

 

Stephan Harbort
"Ich musste sie kaputtmachen"
Droste Verlag 2004
ISBN 3-7700-1174-0
19,95 €

Der Spaziergänger vom Ruhrpott

von Barbara Keller


Der Serienmörder - ein Jahrhundert- oder fiktiv singuläres Kinoereignis? - Keineswegs. Stephan Harbort, Kriminalist, führender Serienmordexperte, hat sich mit allen seit 1945 gefassten deutschen Serienmördern beschäftigt. Es waren 75 (nachzulesen in "Das Hannibal-Syndrom", erschienen im Februar 2003 bei Piper). Zu dieser kriminellen Raupensammlung gehört auch Joachim G. Kroll, der zwanzig Jahre lang - zwischen 1955 und 1976 - ungestört sein mörderisches Unwesen im Ruhrpott trieb. Mindestens zwölf Menschen hatte Kroll auf dem Gewissen, als er endlich geschnappt wurde. Sein letztes Opfer köchelte gerade auf dem Herd, als die Kripo ihn - zufällig - stellen konnte.

Bequeme Vorurteile sterben nicht aus. So greift sich der Mörder natürlich immer die Schwachen, Verzagten, die Außenseiter. Und weil wir so stark, selbstbewusst und unbekümmert sind, trifft es immer die anderen. Bei denen schon "immer was war", "was gewesen sein wird". Vorurteile erklären eigentlich immer nur den Wirt derselben. Nie die tatsächlichen Ereignisse.

Joachim Kroll bediente keines der herrschenden Klischees. Auch nicht das, mit dem die Kripo seinerzeit Serienmörder interpretierte. Die Motive zu töten, die waren bei Kroll immer dieselben. Die Art aber, auch die Opfer variierten. - Diese Tatsache, auch die oktroyierten, föderal-bürokratischen Strukturen nach 1945, wurden der Aufklärung der Mordserie zum Stolperstein.

Joachim Kroll wird am 17. April 1933 geboren. In Hindenburg, Oberschlesien. Sein Vater ist der Urtyp des armen, groben Bergarbeiters. Die Mutter kümmert sich um den Haushalt und die acht Kinder. Joachim ist das Schlusslicht, der Sündenbock. Dem Vater ist der "Schwächling" ein Dorn im Auge, die Mutter kümmert sich hin und wieder um den Jungen.

Mit der Schule und dem Beruf will es nicht werden. Kroll, der davon träumt, Elektriker zu werden oder Feinmechaniker, wird Zeit seines Lebens für Hilfsarbeiten eingespannt, zuletzt als Toiletten-Cleaner bei Mannesmann in Duisburg. Dabei hat er das Zeug zu einem Feinmechaniker. Zu Hause repariert er für Nachbarn gratis elektrische Geräte. Auch sein Moped baut er selbst.

Joachim Kroll ist bis ins Mannesalter Bettnässer. Er bleibt ungestalt, ungeworden, sprachlos - meidet soziale Kontakte. Zwei Frauen servieren ihn ab, weil er im Sex "versagt". Das war's. In Kroll beginnt ein diffuses Eigenleben Platz zu nehmen, das für die Umwelt schließlich zur Gefahr wird.

Ein erstes Mal mordet Kroll nach dem Tod seiner Mutter. 1955. Da wohnt er noch bei seinem Vater in Bottrop. Später zieht er nach Duisburg in ein Ledigenwohnheim, dann in eine Mansardenwohnung.Angeblich treibt Kroll ein diffuses Gefühl, das ihn zum Töten zwingt. Ein unerträgliches Kribbeln, als liefen ihm Ameisen über die Brust.

Kroll geht regelrecht auf die "Jagd". Er sucht die schönsten Waldgegenden des Ruhrpott auf, um dort zu streunen. Seine Opfer sind Frauen. Zunächst gleichaltrige oder die ihm gerade in den Weg kommen. Später Kinder, weil sie ihm das Gefühl geben, dass sie ihn akzeptieren. Als Menschen.

Zwischendurch verfällt Kroll auf die Idee, Paare zu jagen, den männlichen Part zu töten, um dann über die Frau herzufallen. Es bleibt bei einem tragischen Fall. Allerdings fällt auch eine selbstbewusste, wehrhafte, ältere Dame (60) Krolls Lust-Not zum Opfer.

Insgesamt tötet der einsame, ratlose Joachim Kroll mindestens elf Frauen und einen Mann. Fürs Leben unglücklich machte er jedoch viele Menschen mehr. Zu den Verwandten, Freunden, Liebsten der Opfer kommen die zu Unrecht Angeklagten hinzu. Darunter Konrad Meckler, der als so genannter "Kinderficker" unschuldig fünf Jahre Zuchthaus durchlitt.

Dies alles, auch der Gang der Ermittlungen, des Gerichtsverfahrens und das endgültige Urteil für Joachim Kroll, wird natürlich viel detaillierter und schlüssiger von Stephan Harbort vorgetragen. Wer die Verwesung atmenden Bücher des Ex-Ostkriminologen Hans Girod kennt und fürchten gelernt hat, darf aufatmen. - Der als Serienmordexperte und Berater für TV-Dokumentationen und Krimiserien gesuchte Stephan Harbort (40), bedient nicht in erster Linie den Voyeurismus einschlägiger Leser. Und das ist gut so.

Stephan HarbortMit "Ich wollte sie kaputtmachen" gelingt es Stephan Harbort (Bild links!), den scheinbar "unberechenbaren" Mörder Joachim Kroll transparenter, verstehbar zu machen. Er bettet die Untaten dieses Menschen in die Beschreibung seines Lebenswegs. Eines Lebenswegs, in dem seit dem Tod der Mutter 1955 - da war Kroll 22 Jahre alt - bis zu drei Morde auf dem Jahresplan standen.



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