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krimirezensionen ab 2003

 

Ferdinand von Schirach
"Verbrechen"
Piper 08.2009
ISBN-10: 3492053629
16,95 €

"Verbrechen"

von Barbara Keller


Elf Kurzgeschichten, die es in sich haben, birgt das jetzt bei Piper erschienene Bändchen "Verbrechen" des Autors Ferdinand von Schirach. Schirach, der hauptberuflich Rechtsanwalt für Strafrecht ist, hat darin reale, zumeist blutige Fälle seiner Mandanten literarisch bearbeitet und verfremdet.
Alle elf Erzählungen handeln von Ausnahmeschicksalen, berichten von straftatrelevante Begebenheiten, in denen die Frage "Wie hätten Sie entschieden?" nicht immer leicht zu beantworten ist. So entledigt sich ein Pensioniär nach Jahrzehnten unglücklicher Ehe in martialischer Weise seines Ehegesponstes. Aus Ratlosigkeit, aus einem Affektstau heraus.

Oder da begegnen zwei Neonazis auf einem einsamen S-Bahnhof ihrem Schicksal in Form eines vorgeblich unscheinbaren Herren, der sich ihrem brutalen Angriff in spektakulär unaufgeregter Weise entledigt. Ergreifend ist auch die Geschichte eines Geschwisterpaares, das sich nach einer dürren Kindheit fürs Leben verbinden aber durch einen schicksalhaften Unfall auf eine 'Tragödie total' zusteuern.

Schirachs Kurzerzählungen geben einen Einblick in die Misere der Rolle des Strafverteidigers. Eines Juristen, der seinem Mandanten, dessen Unschuld vermutet werden darf und muss, die Leiter reicht. Denn das ist sein Job. Bedenken hinsichtlich von Wahrheit, Moral und daraus resultierender Verantwortung spielen dabei, so lernt man, eine nachgeordnete Rolle. Der Strafverteidiger bewegt sich in dem ihm gesteckten Rahmen der rechtlichen Gegebenheiten. Er darf und soll diesen für seinen Mandanten voll ausschöpfen. Auch wenn, wie in einer Erzählung des Autors, aus einem Probier-Kannibalen ungehindert ein ausgewachsener Psychopath wird, der schließlich auch Fakten schafft.

Nicht zuletzt liegt ein Reiz der skurrilen Geschichten, in denen zumeist auch ein Mensch gewaltsam zu Tode kommt, darin, zu wissen, dass die in dem Buch handelnden Delinquenten eines Tages an die Pforten des Autors klopften. Ratlos, verzweifelt, die Hände vielleicht gerade frisch gereinigt von der Bluttat.

Mit seinen Erzählungen, die es übrigens auch als Hörbuch, gelesen von Schauspieler Burghart Klaußner,, gibt, nimmt von Schirach die hier ausgewählten Mandanten, deren Okay er zuvor einholte, nachträglich noch einmal literarisch auf die Psychologencouch. Die unbedingte Loyalität seinen Klienten gegenüber schimmert dabei durch die ausnahmslos mit Empathie geschriebenen Kurzgeschichten hindurch.

Ist das Literatur, fragt sich der Laie und der Fachmann wundert sich. Aber ja. Denn wie viel Prozent Realität Quelle von Inspiration sind, dürfte für eine Klassifizierung, so überhaupt vonnöten, wohl unerheblich sein. Auf einen weiteren Band dieser Art, der übrigens auch ein Debüt ist, aus der 'Feder' von Ferdinand von Schirach ist 'berlinkriminell.de' gespannt.


*Foto: Ferdiand von Schirach
in seiner Kanzlei auf der Buchpräsentation am 19. Aug. 2009

Spiegel Online Video zur Lesung im Berliner Kriminalgericht



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