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Hier lasen Sie im Herbst 2007 in wöchentlicher Folge Axel Bussmers Debütkrimi "Ein bisschen Luxus".
Jeden Montag neu...

krimidebüt mit folgen...

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Axel Bussmer, "Ein bisschen Luxus" (1/28)


"Hast du?"
"Ich hab' den Code für die Alarmanlage."

"Hast du?"
"Ich habe zwei dunkle Kombis gefunden."
"GPS?"
"Sogar ohne."
"Nummernschilder?"
"Tausche ich nachher aus."

"Hast du?"
"Ich bringe die neue Pistole mit. Gleiches Modell."
"Sauber?"
"Selbstverständlich."
"Schade, dass ich die Alte in den See werfen musste."
"Der See ist groß."


Montag, 8. August
Kapitel 1
"Entschuldigung. Aber die Tür war offen und..."
Verärgert blickte Diana Schäfer auf. Sie saß im Schneidersitz auf dem Fußboden und rieb die Leisten ab. In der Tür standen ein Mann und eine Frau. Beide etwa Mitte Fünfzig. Er etwa ein Meter fünfundsiebzig. Sie etwas kleiner. Sein weißes Hemd spannte sich über seinen Bauch. Bei ihr verdeckten die Bluse und der Rock das meiste. Sie waren gut gekleidet, aber nicht in Vertreterkluft. Fast schon in Freizeitkleidung. Der Mann stoppte mitten im Satz und zuckte hilflos mit seinen Schultern. "Was sie trotzdem nicht berechtigt, in mein Haus zu latschen."

Er nickte, während sie das Kommando übernahm. "Wir haben mehrmals geklingelt. Aber wahrscheinlich haben Sie das wegen der Musik nicht gehört." Diana sah sie ausdruckslos an. Sie hatte das Klingeln gehört. Aber sie erwartete niemand. Deshalb hatte es für sie keinen Grund gegeben, mit dem Abschleifen der Bodenleisten aufzuhören. Vertreter gingen meisten nach dem zweiten erfolglosen Klingeln weiter. Kinder bereits nach dem ersten. Künftige Mieter erwartete sie nicht. Noch nicht.

Vor einem Jahr hatte sie mit der Renovierung des Hauses ihrer Eltern begonnen. Inzwischen hatte sie aus den meisten Zimmern die alten Möbel herausgeworfen und ernsthaft mit der Erneuerung des Hauses begonnen. Sie wollte fast alles austauschen: neue Heizung, neue Fenster, neue Toiletten, neuer Anstrich, einige Zimmer neu zuschneiden. Sie kam nicht sehr schnell voran. Aber jeden Tag veränderte sich eine Kleinigkeit im Haus. Nicht viel, aber genug für sie. Schließlich hatte sie Zeit.

"Und dann habe ich die Tür probiert. Sie war offen. Also sind wir hineingegangen."

Diana klopfte sich die Hände ab und drehte Charles Lloyd hinunter, bis sich sein Saxophon mit dem Plätschern des Gnadensees vermischte.

"Was wollen Sie?"
"Sie sind doch Diana Schäfer?"
"Ja."
"Privatdetektivin?"
"Ja."
"Und waren vorher in Berlin Polizistin?"
"Ja."
"Wissen Sie, es geht um unseren Sohn."
"Ja?"
"Robert.", fügte der Mann ein.
"Genau. Robert. Er ist verschwunden."
"Dann gehen Sie zur Polizei und geben eine Vermisstenanzeige auf. Die können ihn dann suchen."
"Das haben wir bereits getan.", sagte der Mann. "Aber die tun nichts."
"Und deshalb wollen wir, dass sie ihn suchen."
"Das wird aber einiges Kosten.", sagte Diana.

Sie hoffte mit dem Geldargument die Arbeit von sich fernzuhalten. Denn ihr Detektivbüro in der Konstanzer Altstadt war nur eine Tarnung, um unangenehmen Fragen ihrer Freunde auszuweichen. Sie war es einfach Leid gewesen, mit ihren 32 Jahren ständig nach ihren Plänen gefragt zu werden. Also ließ sie sich als Privatdetektivin registrieren, bezahlte beim Gewerbeamt die paar Euro für die Anmeldung und durfte sich seitdem private Ermittlerin nennen. Vor ihren Freunden konnte sie jetzt einen richtigen Beruf angeben.

Im Büro surfte sie tagsüber etwas im Internet herum und bemühte sich, möglichst wenig zu arbeiten. Trotzdem klingelte ihr Telefon fast ständig. Inzwischen verbrachte sie einen guten Teil ihrer Zeit mit dem Abwimmeln von Aufträgen. Anfangs hatte sie gedacht, im konservativen Süden würden Frauen in dem verschwiegenen Beruf abgelehnt. Aber irgendwie schien sie genau in eine Marktlücke gestoßen zu sein. Zu ihrem Glück wollten viele von ihr nur Beweise für die Treue ihres Ehemannes sammeln und Eheangelegenheiten übernahm sie prinzipiell nicht.

Das Scheidungsrecht war zwar in den vergangenen Jahren immer liberaler geworden, aber dafür waren die Eheverträge umfassender geworden. Und nach der Scheidung begann der Streit über die Unterhaltszahlungen.

"Hans Dengler hat sie uns empfohlen.", sagte die Frau.
"Also gut." Diana deutete mit ihrer Linken in Richtung Küche. Hans Dengler war in Berlin ihr Vorgesetzter gewesen. Ein ruhiger und überlegter Revierleiter. Wenn er diese Eltern zu ihr schickte und sie nicht versuchte mit der guten Arbeit der Polizei zu beruhigen, war wahrscheinlich etwas dran. Jedenfalls erschien Diana die Sache interessant genug, einige Minuten ihrer Zeit zu opfern. "Sie heißen?"

"Oh. Brandt. Ich bin Isabelle Brandt und das ist mein Mann Jürgen. Wir haben Robert vor fünfundzwanzig Jahren bekommen."
"Ein Wunschkind."
"Setzen Sie sich doch."
Ohne zu Fragen holte Diana zwei Tassen aus dem Küchenschrank und stellte sie auf den Tisch neben die mit Eistee gefüllte Kanne.
"Sie haben eine schöne Aussicht."
"Man gewöhnt sich dran."
"Wahrscheinlich. Aber in Berlin sehen wir immer nur bis zur nächsten Hauswand oder den nächsten Bäumen. Aber hier. Dieser Blick auf die Insel, den Sonnenuntergang."
"Die Reichenau."

Diana klappte einen Stuhl auf und setzte sich hin. Sie hatte den See im Rücken und konnte die Gesichter der Eltern genau studieren. Er wirkte wie ein Büromensch. Wahrscheinlich ein Beamter. Berlin hatte davon mehr als genug. Sie machte eher den Haushalt. An Geld mangelte es ihnen jedenfalls nicht. Sie hatten Freizeitkleidung der etwas teueren Sorte an. Eher KaDeWe als C & A. Er hatte eine Seiko Armbanduhr, sie eine dünne Goldkette. Und sie waren besorgt.

"Dann erzählen sie mal, warum Hans sie zu mir geschickt hat."
"Er meinte, sie könnten uns helfen.", sagte Jürgen Brandt. Er beugte sich etwas vor und legte seine Hände auf den Küchentisch. "Ich kenne ihn von der Arbeit. Wissen Sie, ich arbeite im Sozialamt und jetzt, nach Hartz IV, müssen wir immer wieder die Polizei holen."

Diana nickte. Sie ließ ihn reden. Er würde seine Gedanken schon beim Reden ordnen und irgendwann zu seinem verschwundenen Sohn kommen.
"Mit Herrn Dengler habe ich mich gut verstanden. Er kann gut mit Menschen umgehen. Wenn er kommt, beruhigen sich die meistens ziemlich schnell."
"Liebling."
"Ja, Tschuldigung. Ich bin etwas unsicher."
"Das macht nichts. Wir haben Zeit.", sagte Diana.
"Genau das sagt Herr Dengler auch immer. Und dann redet er mit den Leuten."
Isabelle Brandt nahm die linke Hand ihres Mannes in ihre Hände. Er legte seine Rechte auf ihre Hand und nickte. "Ich habe mit ihm gesprochen und er hat dann Sie empfohlen."
"Warum?"
"Nun, Herr Dengler sagte, die Polizei ermittelt in Vermisstenfällen kaum. Besonders nicht, wenn es sich um eine volljährige Person handelt, gegen die keine Ermittlungen laufen. Sie tauchen noch nicht einmal in der PKS* auf. Wenn dann die ersten Ermittlungen nichts ergeben, unternehmen sie nichts."
"Er sagte", unterbrach ihn seine Frau, "dass sie eine gute Ermittlerin sind. Wenn Sie ein Fall interessiert, verbeißen sie sich in ihn und finden den Täter."
"Robert hat nichts getan."
"Stimmt. Aber Sie, Frau Schäfer, können ihn finden." Isabelle Brandt beugte sich etwas vor. "Das hat jedenfalls Herr Dengler gesagt. Er sagte, sie würden weiter gehen als die Polizei."
Diana nickte langsam: "Was haben Sie ihm erzählt?"
"Dass Robert unser einziger Sohn ist. Er studiert hier Verwaltungswissenschaft. Wir haben ein gutes Verhältnis zu ihm und er ruft uns auch einmal die Woche an."
"Aber seit einem Monat haben wir nichts mehr von ihm gehört. Nur ein Brief."

Sie öffnete ihre Handtasche und reichte Diana Roberts letzten Brief. Er war in einer Klarsichtfolie. In einer zweiten Folie war der mit den Fingern aufgerissene Umschlag. Diana nahm beides. Zuerst sah sie sich den Umschlag an. Es war ein normaler C-5-Umschlag, auf dem die Berliner Adresse von Isabelle und Robert Brandt stand. Geschrieben mit einer Schreibmaschine oder einem Drucker.
Dann las sie den mit der Hand geschriebenen Brief:

Hallo Mama, hallo Papa,
habe Liebe meines Lebens gefunden. Werde mit ihr längere Reise machen. Macht euch keine Sorgen. Bin zum WS wieder da.
Gruß
Robert

Diana rechnete in ihrem Kopf schnell nach. Vor einem Monat war das Semester gerade in der heißen Endphase gewesen. Aber wenn er keine Prüfungen schreiben musste oder sich erst für den zweiten Termin, kurz vor dem Wintersemester angemeldet hatte, dann konnte er mit seiner Freundin in den Urlaub ziehen. Vorausgesetzt natürlich, dass Robert ein guter und strebsamer Student war, der sein Studium in der Regelstudienzeit abschließen wollte.
"Er war nicht so."
"Er hat uns immer über sein Studium informiert."
"Wissen Sie, wir haben auch studiert und wissen, wie ein Studium abläuft. Die Prüfungen, die Vorlesungen, Seminare, Hausarbeiten. Für einen außen Stehenden ist es irgendwie schwer zu erklären, dass es in einem Halbjahr nur eine Handvoll Noten gibt, während in der Schule jede Woche Arbeiten geschrieben werden. Und er wollte schnell fertig werden. Zu schnell nach meinem Empfinden."
"Hm, es kann sein, dass er jetzt einfach eine Auszeit nehmen wollte. Er hat eine tolle Frau entdeckt und sie verbringen jetzt einige Tage in Ich-weiß-nicht-wo."
"Nein.", sagte Isabelle.
"Das haben die Polizisten auch gesagt. Wir sollen uns keine Sorgen machen. Robert kommt nach einigen Monaten sicher wieder zurück. Braungebrannt und glücklich."
"Aber er würde niemals mit einer Frau â durchbrennen."
"Er war homosexuell?"
"Genau."
"Deshalb hätte er ihm statt ihr schreiben müssen."
"Vielleicht hat er einfach die Häkchen vergessen."
"Niemals."
"Und er wäre nicht so überstürzt verschwunden."

*Polizeiliche Kriminalstatistik



Axel Bussmer beim Ausbrüten feinteiliger Straftaten (rein literarischer Natur)
AXEL BUSSMER
iM INTERVIEW


(mit ULrike Duchna, Franka Plaschke und Barbara Keller im AREMA/Moabit
vom 31.07.2007...)


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