sitemap
Ukrainekrieg, was tun ... Kanzlei Hoenig
gitter
zur Startseite
Mitfahrgelegenheit, blablacar

aus dem moabiter kriminalgericht


"Was man nicht sieht, ist nicht da ..."


von Barbara Keller

26. Oktober 2005. Moabiter Kriminalgericht. 40. Große Strafkammer.
Am 4. Juni 2005 tötete Rita P. (69) ihren Ehemann Heinz P. (72) in ihrer gemeinsamen Weddinger Wohnung im Streit. Seit zwei Jahren litt die 50jährige Ehe an unterschwelligen Differenzen, hervorgerufen durch den gemeinsamen Alkoholkonsum
('berlinkriminell' berichtete). Rita P. behauptet: Es war Notwehr. Die Staatsanwaltschaft dagegen: Es war Totschlag. Und beantragte eine Freiheitsstrafe von sechs Jahren. - Knapp vier Monate nach der Tat ergeht das Urteil.
Prozessauftakt vom 18.10.05

Es gibt Verfahren am Landgericht, da ist man froh, keinen Platz im richterlichen Gremium zu haben, was vor allem bedeutet: nicht die Verantwortung. Der Prozess gegen Rita P., die ihren Mann Heinz P. in einer eskalierenden Auseinandersetzung in der Küche mit dem Messer tödlich verletzte, ist ein solches Verfahren. - Keine Zeugen, sich widersprechende Indizien und eine charakterliche Prägung der Angeklagten, die einiges an Verständnis erfordert.

So hatte der psychologische Sachverständige Dr. Tamas Tänzer das Gericht am zweiten Prozesstag auf eine extrem harmoniebedürftige Rita P. einzustimmen versucht. Auf eine intellektuell minderbegabte Frau, die um ihrer heilen Welt Willen Probleme und den Alkoholkonsum des Ehepaars bagatellisierte. Dr. Tänzer: "Frau Rita P. will eine brave, gute Frau sein."

Aber seit mindestens einem Jahr gab es hierzu immer weniger Gelegenheit. Beide, Rita als auch Heinz P. waren sehr krank. - Heinz P. teils ohne es zu wissen. Mit Alkohol kaschierten sie ihre zunehmend durch den Alkohol bedingten Differenzen. Als Heinz P. am 4. Juni 2005 auf seine Frau wütend losstürmte (oder torkelte): "Ich wäre dich am liebsten los!", soll das - nach Dr. Tänzers Ansicht - Rita P.'s Welt endgültig ins Wanken gebracht haben.

Dr. Tänzer: "Rita P. hat das Gefühl der Notwehr real wohl gehabt." Aus einem Konglomerat der intellektuellen Minderbegabung, einem Alkoholisierungsgrad von circa zwei Promille und affektiven Zuflüssen räumt der Sachverständige der Angeklagten eine Beeinträchtigung der Handlungsfähigkeit nach § 21 StGB ein.

Die Staatsanwaltschaft dagegen entwirft in ihrem Plädoyer am 24. Oktober 2005 ein Tatszenario, nach dem Rita P. ihrem Mann sogar eine Flasche auf den Kopf geschlagen haben soll. Sie fordert eine Freiheitsstrafe von sechs Jahren.

Das Urteil lautet schließlich: des Totschlags schuldig, fünf Jahre Haft. Die vorsitzende Richterin Gabriele Strobel nennt es in ihrer Urteilsbegründung "erstaunlich", dass Rita P. nach der Tat nichts unternimmt: "Eine bis anderthalb Stunden vergehen." Sie macht sauber, sie verarztet ihren Mann mit einem Pflaster. Erst um 18:45 ruft sie die Feuerwehr. Und auch da redet sie kein Tacheles. Dabei hätte ihrem Mann mit einer sofortigen Notfallversorgung geholfen werden können.

Nur mit Bedenken folgt das Gericht dem Gutachter Dr. Tamas Tänzer und nimmt einen minder schweren Fall an. Richterin Gabriele Strobel schließt die Urteilsbegründung mit dem Bedauern: "..., dass Rita P. die Verantwortung für das Geschehen nicht auf sich nehmen will."

Dem Prozesszuschauer bleiben allerdings auch die Worte des Sachverständigen Dr. Tänzer im Ohr: "Sie klebte das Pflaster auf die Wunde. Wie ein Kind. Was man nicht sieht, ist nicht da." Und: "Ich denke, Rita P. versteht das alles gar nicht so recht." - In welcher Wunder-Heile-Welt wohl Rita P. lebt.



NJW schreibt:
"Es gibt noch qualifizierte Gerichtsreporter..."
NJW-aktuell - web.report H. 38/2010, S.3




gitter

Rechtsanwalt Christian Voß
Christian Voß (Rechtsanwalt von Rita P.): "Was da wirklich vorgefallen ist, weiß man nicht. Da kommt man nicht ran."

Die Angehörigen
Banges Warten. Die Kinder von Rita P. - Angelika P. (50, Telefonistin, mi.) machte von ihrem Aussageverwei-
gerungsrecht Gebrauch.

Richterin Gabriele Strobel
Die vorsitzende Richterin Gabriele Strobel in der Urteilsbergün-
dung: "In dem Moment dachte Rita P.: 'Ich stech dich jetzt und wenn du daran stirbst, dann soll es mir auch recht sein."

Anzeige
Kanzlei Luft
In eigener Sache:
Barbara Keller, Sieht so eine Mörderin aus?
Kanzlei Hoenig Kanzlei Hoenig Ukraine Krieg, was tun ...