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aus dem moabiter kriminalgericht


Berliner Bankenprozess: Staatsanwaltschaft fordert Freiheitsstrafen


von Barbara Keller

19./20./22.12 2006. Moabiter Kriminalgericht, 36. Gr. Strafkammer.
Vier Tage vor Weihnachten forderte die Staatsanwaltschaft im Bankenprozess ('berlinkriminell.de' berichtete) Haftstrafen für alle ehemaligen BerlinHyp-Bankmanager (Tochterbank der Berliner Bankgesellschaft). Staatsanwältin Vera Junker warf in ihrem Plädoyer am 19. und 20. Dezember '06 - nach 1 ½ Jahren Prozessdauer - den Angeklagten schwere Untreue und Beihilfe in unterschiedlicher Tatbeteiligung bei der Ausreichung ungesicherter, hoher Kredit an die AUBIS-Unternehmensgruppe in den Jahren 1996/97 vor. - Zwei Tage später, am 22. Dezember '06 forderte die Verteidigung erste Freisprüche für die Vorstände Klaus-Rüdiger Landowsky (63) und Heinz Wehling (69).

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Nach Abschluss der Beweisaufnahme, so das Plädoyer der Staatsanwältin Vera Junker, habe sich der Vorwurf der schweren Untreue in vier Fällen und in unterschiedlicher Tatbeteiligung bestätigt. Dabei handelt es sich um die Vergabe ungesicherter Kredite an die AUBIS-Unternehmensgesellschaft zwischen Mai '96 und September '97 in Höhe von insgesamt 746 Mio. DM, durch die der landeseigenen BerlinHyp laut Staatsanwaltschaft eine konkrete Schadensgefährdung von 135,3 Mio. DM entstanden sei.

Indem die Bankenmanager weder die Bonität der Kreditnehmer noch die Rahmenbedingungen einer ausreichenden Risikoprüfung unterzogen, bzw. unterziehen ließen, verletzten sie laut Staatsanwaltschaft durch die Vergabe der hohen Kredite ihre Pflicht als Vorstände und Aufsichtsräte. - Von politischen Interessen motiviert und von dem Bedürfnis beseelt, die BerlinHyp "groß zu machen", hätte der Vorstand das AUBIS-Engagement trotz unvertretbaren Risikos auf allen Entscheidungsebenen mit Schaden durch gedrückt in dem Tenor: "Augen zu und durch!"

Wunschkredite vorgelegt

Dabei war ihnen laut Anklage Kreditabteilungschef Hans-Dieter K. (48) mit "Wunschkreditvorlagen" behilflich. So soll Kreditsachbearbeiterin H. auf Druck von Hans-Dieter K. ihr negatives Votum zur Kreditierung des AUBIS-Engagements in Plauen in Höhe von rund 155 Mio DM zurückgenommen und in einen kritischen Vermerk reduziert haben. Und so unterschrieb, laut Vorwurf der Anklage, Kreditabteilungschef K., nachdem Kreditsachbearbeiterin St. nach der Schweriner Kreditvorlage von ca. 60 Mio. DM auch der finalen Finanzspritze von einer Viertel Milliarde an die AUBIS-Gruppe ihre Unterschrift verwehrte, einfach die Kreditvorlage selbst.

Von den Kreditnehmern Christian Neuling und Klaus Wienhold, so Junker, sei praktisch, weil relativ unvermögend, "nichts zu holen gewesen". Das gesamte Risiko verblieb bei der Bank. Das sei den Mitgliedern des Vorstandes als auch dem Aufsichtsrat bekannt gewesen. Viel zu hoch habe man die Mieteinnahmen angesetzt und viel zu niedrig die Nebenkosten. Auch die drohenden Leerstände in den Plattenbauten und den damit verbundenen Ausfall an Mieteinnahmen habe man, trotz aktueller Facherkenntnisse (Pestel-Studie), nicht berücksichtigt.

Unbequeme Mitarbeiter

Den unerfreulichen Innenrevisionsbericht des BerlinHyp-Mitarbeiters Karl. B. aus dem ersten Halbjahr 1997 unterdrückte der angeklagte Vorstand laut Anklage, um seine Fehler zu kaschieren und weitere AUBIS-Kredite über die vom Vorstand selbst gesteckte 350 Mio. DM Grenze hinweg gewähren zu können. Erst 2001 ist nach eigenen Angaben dem Aufsichtsrat Wolfgang Rupf als auch dem Gutachter der FIDES GmbH, Uwe Schnitke, der kritische Bericht unter die Augen gekommen.

Bezeichnend für das Betriebsklima in der BerlinHyp sei nach Vera Junker, wie die Angeklagten die hauseigenen, schärfsten Kritiker des AUBIS-Engagements, Votierer Joachim Zeitz und Innenrevisor Karl B. und die Kreditsachbearbeiterin St. diskreditiere: als 'unbelehrbar' und 'nicht teamfähig'.

Als laut Anklage die hauseigene IBG (Immobilien – Bau- und Managementgesellschaft) als 'Problemlöserin', Käuferin von 4.000 AUBIS-Plattenbauwohnungen, für das faule AUBIS-Kreditengagement avisiert wurde, soll Vorstand Klaus-Rüdiger Landowsky im Wunsch einer geräusch- und reibungslosen Übernahme in einem bezeugten Gespräch die Ablösung des BAVARIA-Mitarbeiters Jens Nagel gewünscht haben, den er in diesem Zusammenhang, so Vera Junker, als "rote Socke" verunglimpfte.

"Dies ist ein politischer Prozess!"

Nach dem Plädoyer der Staatsanwältin Vera Junker und deren Strafanträgen herrschte unter den Angeklagten vernehmlich Fassungslosigkeit. Einzig ein zutiefst getroffener Hans-Wolfgang Steinriede platzt heraus: "72 Jahre habe ich mir nichts zu schulden kommen lassen, und jetzt soll ich eine Strafe ohne Bewährung bekommen!"

Die Angeklagten sind sich einig: dies ist ein politischer Prozess. Kreditengagements dieser Art "Aufbau Ost" habe es viele gegeben. "Wäre nicht ein Klaus-Rüdiger Landowsky an diesem Kreditengagement beteiligt, wir säßen heute nicht hier", heißt es. Und Klaus-Rüdiger Landowsky selbst sagt: "Das ist die späte Rache der Berliner Linken an der Einheit."

Berliner Sonderwege

Zwei Tage später die Plädoyers der Rechtsanwälte Wolfgang Müllenbrock (für Klaus-Rüdiger Landowsky) und Dr. Ulrich von Jeinsen (für den ehemaligen Vorstand Heinz Wehlig). Wolfgang Müllenbrock spricht von Befremden, Willkür, einem kostenträchtigen Verfahren und einem völlig entstellten Sachverhalt zum Zwecke einer Hatz a là "Haltet den Dieb". Keine Staatsanwaltschaft der Bundesrepublik hätte an Kreditengagements "Aufbau Ost" dieser Art Anstoß genommen.

Der Prozess sei, so Müllenbrock, politisch motiviert und die Behauptung falsch, Klaus-Rüdiger Landowsky habe persönlich für die Ausreichung der AUBIS-Kredite gesorgt. Regelrecht "eingehämmert" habe man es der Bevölkerung, sein Mandant Klaus-Rüdiger Landowsky sei verantwortlich für die Milliardenpleite der Berliner Bankgesellschaft. Der Staatsanwaltschaft wirft Müllenbrock vor, bankspezifische Abläufe entweder nicht zu begreifen oder sich zu weigern, Fehler einzugestehen.

Infame Behauptungen

Ansonsten Rechtsanwalt Müllenbrock: es gibt keinen gemeinsamen Tatentschluss. Die Einflussnahme Landowskys auf personelle Zusammenhänge, auf die IBG, die FIDES - "infame Behauptungen von Frau Junker". Auch von einer "roten Socke" sei nie die Rede gewesen. Das Kreditengagement lief bis 1999 störungsfrei, an dem Gutachten des unabhängigen Sachverständigen Dr. Manfred Semmer, dessen Aussage eine Schlüsselfunktion zukomme, sei kein Zweifel gewesen und der Revisionsbericht des Herren Karl B.: nur der "Bericht eines Einzelgängers".

Ein Schaden, so der Freispruch fordernde Müllerbrock, ist nicht eingetreten. Heute könnte man die umstrittenen AUBIS-Objekte, siehe Ausverkauf Dresden, mit dreistelligem Gewinn veräußern. Alles in allem: das Plädoyer der Staatsanwältin Junker sei "ein Ausdruck von Selbstüberschätzung und Hybris".

So funktioniert Wirtschaft!

Auch Dr. Ulrich von Jeinsen würdigte in seinem Plädoyer für Ex-Vorstand Heinz Wehlig eingehend das, wie er sagt, "68-er-Niveau" der Staatsanwältin Vera Junker und wies auf die Unbescholtenheit seines Mandanten hin. Der damalige Vorstand Wehling habe keine Probleme im AUBIS-Engagement gesehen. Die Plattenbauten, das seien doch in der Not durch das Altschuldenhilfegesetz entstandene "Schnäppchen" gewesen.

Dr. Ulrich von Jeinsen: "So funktioniert Wirtschaft!" Der Rechtsanwalt, der nicht weiß, wie ein Banker unter einem drohenden Damoklesschwert wie diesem überhaupt noch Kredite ausreichen soll, fordert für seinen Mandanten und Ruheständler Heinz Wehling Freispruch: "Wertes Gericht, machen Sie diesem Spuk ein Ende!"


Die Staatsanwaltschaft beantragte am 20.12.'06...
für die sechs Vorstände folgende Haftstrafen: Klaus Jürgen Noack (Ressort zuständiger Vorstand, 70) vier Jahre; Gerd-Ulrich Blümel (Vorstand, 58) drei Jahre; Klaus-Rüdiger Landowsky (Vorstand, 63) drei Jahre; Dr. Dirk Hoffmann (Vorstand, 52) zwei Jahre/neun Monate; Heinz Wehling (Vorstand, 69) zwei Jahre/neun Monate; Horst Büttner (Vorstand, 68) zwei Jahre/neun Monate.
Für die sechs Aufsichtsräte: Hans-Wolfgang Steinriede (Aufsichtsrat, 71) zwei Jahre/neun Monate; Leopold Tröbinger (Aufsichtsrat, 70) zwei Jahre/neun Monate; Dr. Manfred Bodin (Aufsichtsrat, 66) Bewährungsstrafe 2 Jahre mit Auflage: 70.000 € an die Staatskasse, 30.000 € an das UNICEF Kinderhilfswerk; Dr. Wolfgang Rupf (Aufsichtsrat, 63) Bewährungsstrafe von einem Jahr/neun Monate mit Auflage: 60.000 € an die Staatskasse, 20.000 € an die Initiative zum Schutz vor Kriminalität; Heidrun Schmidt-Passarge (Aufsichtsrat, 54) Bewährungsstrafe von einem Jahr/neun Monate mit Auflage: 4.000 € an die Staatskasse, 1.000 € an die EJF-Lazarus gemeinnützige AG Integrationshilfe Schadensfond; Charsten Reckzeh (Aufsichtsrat, 54) Bewährungsstrafe von einem Jahr/neun Monate mit Auflage: 4.000 € an die Staatskasse, 1.000 € an den Mannometer e. V. Für Hans-Dieter K. (Kreditabteilungschef, 49) beantragte die Staatsanwaltschaft eine Haftstrafe von drei Jahren wegen 'Beihilfe'.

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NJW schreibt:
"Es gibt noch qualifizierte Gerichtsreporter..."
NJW-aktuell - web.report H. 38/2010, S.3




gitter

STA Vera Junker
Staatsanwältin
Vera Junker beantragte Haftstrafen für alle Angeklagten: "Die Angeklagten handelten mit Vorsatz. Sie nahmen eine Vermögensge-
fährdung oder einen Teilausfall jedenfalls billigend in Kauf."


Klaus-Rüdiger Landowsky
Klaus-Rüdiger Landowsky, ehemaliger Berliner CDU-Fraktionschef und BerlinHyp Vorstand: "Das ist die späte Rache der Berliner Linken an der Einheit."

RA Wolfgang Müllenbrock
Rechtsanwalt Wolfgang Müllenbrock (li.), der den Prozess für politisch motiviert hält, in seinem Plädoyer über seinen Mandanten Klaus Rüdiger Landowsky: "Ein unbescholtener, erfolgreicher Denker und Politiker soll ausgeschaltet werden."

Flur
Nach den Strafan-
trägen der Staats-
anwaltschaft allgemeine Fassungslosigkeit und die Überzeugung: "Wäre nicht ein Klaus-Rüdiger Landowsky an diesem Kreditengagement beteiligt, wir säßen heute nicht hier."


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