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aus dem moabiter kriminalgericht


Haltlos in Marzahn -
Drogenabhängiger Wiederholungstäter vergewaltigt
18-Jährige


von Barbara Keller

28. Sept 2007. Moabiter Kriminalgericht. 1. Gr. Strafkammer.
Sieben Wochen ist der wegen Vergewaltigung und Körperverletzung einschlägig vorbestrafte Hennigsdorfer Alexander W. (29) auf freiem Fuß. Am 22. Dezember 2006 nachts schlägt er wieder zu. In Marzahn, unweit der Tram-Haltestelle Adelsfelder Weg. Auch dieses Mal sind Alkohol und Drogen im Spiel, weiß Alexander W. am nächsten Morgen angeblich nicht, woher die Kratz- und Beißspuren an seinem Körper stammen. In der Hauptverhandlung am 28. September 2007 lauten die Alternativen: psychiatrisches Krankenhaus, Entziehungsanstalt oder Sicherheitsverwahrung (§ 63, § 64, § 66).

Urteil vom 5. 10.07

Als Alexander W. am 22. Januar 2002 in der Nähe der Tram-Haltestelle Helene-Weigel-Platz, Marzahn, Jenny T.* (18) ins Gebüsch zerrt und mit brutaler Gewalt zu sexuellen Handlungen nötigt, hat er bereits einen bewegten Abend hinter sich. Der 24-Jährige wohnt noch bei der Mutter in der Schleusinger Straße (Marzahn) und hat mit seinen Kumpels in einer Bar in der Allee der Kosmonauten mit einigen Bieren abgefeiert. Nach einer zünftigen Schlägerei mit weiteren rauflustigen Fußballfans in Biesdorf geht es weiter in den Club Casino an der Eastsidegalerie (Mitte).

Das Debüt

Bier und Kokain im Blut begegnet Alexander W. auf dem Heimweg gegen 2:05 die ihm völlig unbekannte Jenny T.*. Er reißt sie vom Gehweg ins Gebüsch, hält ihr den Mund zu, zerrt sie an den Haaren. Als sie sich wehrt, ihm auf die Zunge beißt, schlägt er ihren Kopf mehrmals auf den Boden. Nach der Vergewaltigung 'reinigt' Alexander W. sein Glied und die Scheide des Opfers mit Sand.

Dann, das alles dauert vielleicht 15 Minuten, entlässt Alexander W. sein Opfer mit der Auflage, ihm nicht ins Gesicht zu schauen. Sein am Tatort verlorenes Schlüsselbund verrät ihn jedoch. Am 14. November 2002 verurteilt eine Strafkammer des Moabiter Kriminalgerichts Alexander W. zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten. - Es ist seine erste Verurteilung wegen Vergewaltigung, die sich allerdings nahtlos an eine bunte Vorstrafenliste seit 1993 anfügt.

Der hemmungslose Zappelphilipp

Alexander W. ist ein smarter, gepflegter, gut aussehender, junger Mann mittlerer Größe. Klare Gesichtszüge und ein zarter Kinnbart runden das Bild eines anziehenden, zurückhaltenden Mannes ab. Dass er blind vor Wut und ohne jede Hemmschwelle Gewalt ausüben kann, sieht man ihm nicht an und seine schnelle, vernuschelte Aussprache überrascht. Doch seit seinem 15ten Lebensjahr fiel Alexander W. immer wieder wegen Eigentums- und Aggressionsdelikten auf.

Mit zwei Brüdern, vier Schwestern, jetzt alle gut im Leben stehend, wächst Alexander W. im Haushalt eines Technikers und einer Bundeswehrangestellten auf. Alexander W., der sich selbst als 'Zappelphilipp' beschreibt, muss die sechste und siebente Schulklasse wiederholen und verlässt die Schule ohne Schulabschluss. Er treibt sich mit seiner Clique, mit der er auch andere Kids 'abzieht', lieber in der 'Ackerklause' herum. Ein geregelter Tagesablauf liegt ihm nicht und das frühe Aufstehen ist ihm zuwider. Deshalb bricht er eine Lehre als Gas-Wasser-Installateur und dann auch eine Lehre als Tischler, die ihm eigentlich gefällt, ab.

Spiel ohne Grenzen

Eine siebenjährige Partnerschaft mit einer Freundin begleiten eine Zweitfreundin und weitere amouröse Abenteuer. Seinem 1998 geborenen Sohn widmet sich der damals Zwanzigjährige zunächst mit Hingabe. Doch auch diese Anforderung wächst ihm schließlich über den Kopf und er sucht das Weite.

Nach zahllosen Verurteilungen wegen Hausfriedensbruch, räuberischen Diebstahls, Beleidigung, Erschleichung von Geldern, Nötigung, Fahren ohne Führerschein und Fahrerflucht folgt Alexander W. dem Rat seiner Mutter, einen Job bei der Bundeswehr anzunehmen. Doch der Versuch mündet in einem Fiasko. Alexander W., der sich Autoritäten weder anpassen will noch kann, entfernt sich zweimal von der Truppe, unternimmt einen Suizidversuch und bricht schließlich völlig zusammen. Das ist 1999.

Es folgen weitere Verurteilungen, darunter auch eine wegen Beleidigung und Bedrohung vietnamesischer Blumenladenbesitzer. Dann die Verurteilung 2002 wegen Vergewaltigung. Zu dieser Zeit nimmt Alexander W. neben größeren Alkoholmengen bereits weitere Drogen, darunter Cannabis, Ecstasy, Kokain zu sich. Spätestens nach seiner Haftentlassung am 22.November 2006 kommt auch Heroin dazu.

Wieder wohnt Alexander W. bei seiner Mutter. Einen halben bis einen Gramm Heroin will Alexander W. täglich zu diesem Zeitpunkt zu sich genommen haben. Ein Gramm Heroin kostet vierzig Euro. Der zuletzt als Bauhelfer auf dem Bau Beschäftigte, jetzt Arbeitslose erhält jedoch nur 700 Euro Arbeitslosengeld. Den Rest schieben ihm die ahnungslose Schwester und die Mama zu.

Der verräterische Blutfleck

Am 22. Dezember 2006, zwei Tage vor Weihnachten, kommt Carmen F.* (18) knapp vier Stunden nach Mitternacht von einer Geburtstagsfeier. Carmen F.* ist eine kleine, schmächtige Person mit kurzen, blonden Haaren. Gerade absolviert sie ihr soziales Jahr in der Presseabteilung des Ibero-amerikanischen Instituts. Als sie aus der Tram der Linie M8 am Adersleber Weg (Marzahn) aussteigt, bemerkt sie, dass ihr jemand verfolgt.

Carmen F.* beeilt sich, holt ihren Schlüssel heraus. Doch kurz vor ihrer Haustür greift sie der Verfolger an den Schultern, zerrt sie zunächst in ein Gebüsch, dann unter den Balkon des nahen Hochhauses. "Sei ruhig, ich will ja nur anfassen", raunt er ihr zu. Aber er droht auch: "Sei ruhig, sonst passiert was." Carmen F.* wehrt sich nach Leibeskräften. Als sie der Vergewaltiger zu küssen sucht, beißt sie ihm so sehr sie kann, in die Zunge. Später wird sie den Blutgeschmack nicht mehr los und auf ihrer Jacke bleibt ein Blutfleck.

Carmen F.* schreit "Hilfe", aber auch "Feuer", weil sie gehört hat, dass "Feuer" schließlich jeden angeht. Und tatsächlich reagiert auf ihren Ruf der im sechsten Stock wohnende Sven P. (32). Der arbeitslose Marzahner sitzt gerade vor dem Fernseher, als er trotz verschlossener Fenster die Hilfeschreie vernimmt. Er tritt auf den Balkon, ruft: "Ist da wer?" Und nachdem er seinen Nachbarn informiert hat, geht er selbst mit einem Halogenstrahler nach unten, um nach dem Rechten zu sehen.

"Ist da wer?"

Als Sven P. die Wiese vor dem Hochhaus absucht, sieht er unter dem Parterre-Balkon undeutlich ein Paar übereinander liegen. Aufgeschreckt durch das Licht und Seven P. sucht der Vergewaltiger zu fliehen. Doch Sven P. stürzt ihm hinterher und kann den sich beim Rennen an der Hose herumnestelnden Flüchtenden ergreifen. Der faucht ihn an: "Das ist meine Freundin, Mann!" Dann reißt er sich los und entkommt. Der etwas füllige Sven P. sagt später bedauernd: "Ich bin leider nicht der Schnellste."

Die Polizei trifft zwar schnell aber dennoch zu spät ein. Doch dieses Mal kann Alexander W. mittels DNA-Spur dingfest gemacht werden. Mit dem Blutfleck auf der Jacke seines Opfers hinterließ er eine genetische Spur. Und auch Sven P. erkennt ihn zweifelsfrei wieder.

"Ich gehe davon aus, dass ich es gewesen bin."

Am 28. September 2007 drückt Alexander W. zum zweiten Mal wegen Vergewaltigung die Anklagebank. Und wieder ist er geständig: "Ich gehe davon aus, dass ich es gewesen bin." Sein Erinnerungsvermögen setze jedoch mit dem Einsteigen in die Straßenbahn der Linie M8 aus.

Laut Rechtsanwalt Michael Böcker, seinem Verteidiger, strebt Alexander W. die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt an. Nach § 64 StGB macht eine solche Anordnung aber nur dann Sinn, wenn " eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren...."

An der Absicht von Alexander W., den Drogen den Rücken zu kehren, ließ der Vorsitzende Richter der Strafkammer Reinar Mülders jedoch bereits einige Zweifel erkennen. "Ich glaube nicht, dass Sie irgendwie aufhören wollten." Alexander W. habe während der Haft Drogen zu sich genommen und auch nach der Haft nichts gegen seine Abhängigkeit unternommen.

Urteil:
Eine Gesamtfreiheitsstrafe von 3 Jahren und fünf Monaten und Unterbringung in der Entziehungsanstalt.
*Namen von der Redaktion geändert
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NJW schreibt:
"Es gibt noch qualifizierte Gerichtsreporter..."
NJW-aktuell - web.report H. 38/2010, S.3




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