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aus dem moabiter kriminalgericht


Tot in der Badewanne


von Barbara Keller

31. Okt. 2007. Moabiter Kriminalgericht. 29. Gr. Strafkammer.
Am 13. Mai 2007 würgt der gebürtige Berliner Ingo P. (45) seine Partnerin, die Altenpflegerin Gertrun G. (36), in der Badewanne seiner Lichtenberger Wohnung in der Frankfurter Allee. Das von Ingo P. nicht gewünschte Bad und eine unflätige Bemerkung der Badenden sollen Auslöser des tödlichen Ausrasters sein. Ingo P. ruft sieben Stunden später selbst den Notruf. Ein Unfall, behauptet er. Erst drei Tage später, nachdem er überführt ist, gesteht Ingo P. die mutmaßliche Affekttat.
zum 2. Beitrag (Prozesstag vom 5.11.2007)
zum Urteil vom 14.11.2007

"Das ist jetzt die zweite Version", stellt die Vorsitzende Richterin Dietrich trocken fest. Sie hakt nach: "Ist das nun eine 'echte Erinnerung'?" Ingo P. windet sich wie ein Aal: "Für mein Empfinden ist es eine echte Erinnerung," sagt er und ergänzt: "Ich kam für meine Begriffe langsam dahinter."

Noch immer tut sich der 45-jährige Maschinenbauer Ingo P. schwer, eine Erklärung für den gewaltsamen Tod seiner Freundin Gertrun G. (36) am 13. Mai dieses Jahres zu geben. Aber schließlich ist sie erwiesenermaßen erwürgt worden. Und da nur er und Gertrun G. in seiner Wohnung waren, "blieb keine andere Möglichkeit, als dass ich damit in Verbindung stehe", sagt er.

Es hat lange gedauert, bis Ingo P., der das Ableben von Gertrun G. zunächst als Unfall, Suizid darstellt, zugibt, selbst Verursacher zu sein. Aber trotzdem er am Tag der Hauptverhandlung die Anklage als zutreffend bezeichnet, sieht er seine besondere Schuld noch immer allein darin, geschlafen und sich nicht um Gertrun G. gekümmert zu haben. Ingo P.: "Ich dachte, sie sei eingeschlafen und ertrunken."

Ein problematische Gedächtnis

Ingo P. bietet auf Nachfrage schließlich folgenden Tathergang an: Das Wochenende verbringt das Paar, das sich gerade einmal drei Monate kennt und 700 Meter Luftlinie entfernt voneinander wohnt, zusammen. Gemeinsam unternimmt man am Sonnabend Besorgungen. Einkaufscenter, McDonalds, Burgerking. Das Bier danach in einem Bistro trinkt Ingo P. allerdings allein.

Den Abend bestimmen Television und Alkohol. "Als ich meinen Alkoholpegel erreicht hatte, ging ich ins Bett." Ingo P. ist zu diesem Zeitpunkt krank geschrieben. Gertrun G. sitzt noch etwas länger vor dem Fernseher und schläft dort auch ein. Das hält die arbeitslose Freundin zum Leidwesen des in Lohn und Brot stehenden Maschinenbauers öfter so.

Am Sonntag Morgen, es ist Muttertag, findet der verkaterte Ingo P. seine Partnerin schlafend auf der Wohnzimmercouch vor. Es ist zwischen zehn und elf Uhr. Er weckt sie und sucht telefonisch seine Mutter auf einen Nachmittagsbesuch zu trösten. Wegen des Restalkohols. Doch Ingo P.s Mutter ist enttäuscht und enthebt ihn kurzer Hand jeglichen Muttertags-Besuches: "Dann brauchst du gar nicht erst zu kommen", schimpft sie enttäuscht.

Wir schwiegen uns an

Der Sonntag des Paares gestaltet sich in spe ähnlich trostlos wie der Sonnabend. Ingo P. "bekämpft seinen Kater mit Alkohol". Gertrun G. trinkt ebenfalls. "Wir schwiegen uns an, jeder für sich", schildert Ingo P. den frühen Nachmittag. Wenn man der ersten Richtervernehmung glauben darf, trank Gertrun G. drei Flaschen Wein, Ingo P. eine Flasche Schnaps und drei Bier.

Dann gibt es eine Auseinandersetzung zwischen den Partnern, weil Gertrun G. ein Bad nehmen will. Aus Fürsorge habe er sie von diesem Bad abhalten wollen. Doch Gertrun G. bleibt dabei, verschwindet im Bad und schaltet das Radio ein. Ingo P. ist sauer. Er trinkt weiter.

"Sehr, sehr lange" war Gertrun G. im Bad, sagt Ingo P. Eine oder anderthalb Stunden. Er habe sich Sorgen gemacht und sie "persönlich dazu bewegen wollen, das Baden zu beenden". Gertrun G. saß verkehrt herum in der Wanne, als er das Bad betritt. "Ich wollte einfach nur, dass sie aufhört zu baden", beschreibt Ingo P. die Situation. Doch dann soll die als ansonsten verschlossen und in sich gekehrt beschriebene Frau ihn mit der Schmähung "Fick dich doch selber, du Arsch!" geschockt haben.

Fick dich doch selbst

Dies habe ihre Beziehung auf ein Niveau und einen völlig inakzeptablen Punkt gebracht, so Ingo P. Seine Gefühle schlugen in Wut um. Er packte seine Partnerin am Hals, schüttelte sie. Fünf bis zehn Sekunden, sagt er. Dabei gab es weder Gegenwehr noch ein Wort von Gertrun G.

Danach geht Ingo P. zurück ins Wohnzimmer, um den "Großen Preis von Spanien", das Formel1-Rennen, zu sehen. Er trinkt weiter. Da ist es 14:00. Erst sieben Stunden später will Ingo P., der sich zwischenzeitlich zweimal schlafen legte, seine Freundin ernsthaft vermisst haben.

Er betritt das Bad und findet Gertrun G. kopfunter in Fötusstellung im Wasser der Badewanne schwimmen: "Meine Gedanken überschlugen sich. Wie eine Puppe schwamm sie im Wasser. Ich war völlig überfordert", sagt Ingo P. vor Gericht. Er alarmiert den Notruf, der am 13. Mai 2007 um 20:24 in der Zentrale eingeht.

Fehler im Detail

Soweit die Version des Tathergangs des Angeklagten. Denen stehen jedoch einige Ungereimtheiten entgegen. Da sind die vielen Hämatome am Unterarm der Getöteten. Da sind die übereinstimmenden Aussagen der Polizei- und Kripobeamten, die erklären, die Kleidung von Ingo P. sei völlig trocken gewesen. Ebenso die Leiche, die Ingo P. doch vor zwölf Minuten unter Anweisung des Notrufes aus dem Wasser gezogen haben will.

Auch sei die Badewanne rätselhafterweise randvoll mit Wasser gefüllt, das Wasser selbst aber abgestellt gewesen. Wo blieb die Verdrängungsmasse? Nicht zu vergessen das zerrissene Foto des Opfers auf dem Wohnzimmertisch, das allen Beamten aufgefallen war. Und musste Ingo P., der drei große Bier trank, tatsächlich sieben Stunden nicht das WC, sprich: das Bad, aufsuchen?

Nach Anhörung der Tonbandaufzeichnung des dramatischen Notrufs vom 13.Mai 2007, er dauert 14 Minuten, fragt die Vorsitzende Richterin wiederholt Ingo P.: "Kommen da jetzt noch Erinnerungen?" Doch Ingo P. schüttelt nur kiefermahlend den Kopf.

Am kommenden Prozesstag werden zahlreiche Zeugenvernehmungen, darunter die des Notarztes und des Gerichtsmediziners möglicherweise die notwendige Erhellung bringen.


NJW schreibt:
"Es gibt noch qualifizierte Gerichtsreporter..."
NJW-aktuell - web.report H. 38/2010, S.3




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Im siebenten Stock dieses Hauses in der Frankfurter Allee in Lichtenberg löste offenbar eine unflätige Bemerkung der badenden Gertrun G. eine mutmaßliche Affekthandlung des Ingo P. mit tödlichem Ausgang aus.

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