sitemap
Ukrainekrieg, was tun ... Kanzlei Hoenig
gitter
zur Startseite
Mitfahrgelegenheit, blablacar

aus dem moabiter kriminalgericht


So etwas wie 'Schwamm drüber'


von Barbara Keller

04. Januar 2008. Amtsgericht Tiergarten. Abt. 262.
Peinlich, peinlich. Die störrischen, alten Herren winden sich wie die Aale. Doch nun ist es passiert. Am Mittwoch, dem 18. Oktober 2006, kommt es zwischen dem gelernten Werkzeugmacher Ljubomir S. (62) und Rentner Jovan D. (58) im serbischen Vereinsheim in der Pankstraße (Wedding) zu einer gehässigen Auseinandersetzung. Ein Gerangel, eine blutige Nase, eine Menschentraube. Die Polizei tritt auf den Plan und eine Strafverfolgung wird unvermeidlich. Am 4. Januar 2008 muss sich einer der Kontrahenten vor dem Amtsgericht Tiergarten wegen Körperverletzung verantworten.


Scheu und etwas bockig sitzt Ljubomir S. zwei Jahre nach dem unerfreulichen Ereignis vor dem Richter. Der gebürtige Serbe mit dem würdigen Bart ist ledig, hat ein heute erwachsenes Kind und lebt von Arbeitslosengeld II. Noch immer schäumt es in dem alten Herren auf, wenn er an den 18. Oktober denkt.

Seit zwölf Jahren klagt er, malträtiere ihn dieser Jovan D. Angefangen habe es mit einem Auffahrunfall vor zehn, fünfzehn Jahren. Als er, Ljubomir S. Jovan D. riet, die Polizei aus der Sache herauszulassen und alles untereinander auszumachen. Diese Lösung soll allerdings, so ein Zeuge, Jovan D. nicht nur seinen Entschädigungsanspruch gekostet, sondern auch eine Strafe beschert haben.

Jovan D. sucht nach Aussage von Ljubomir L. seitdem Streit mit ihm. Mal will er anlässlich einer Feier als Einlasser seine Nachbarin nicht in den Club lassen (weil sie oder weil sie nicht Kroatin ist) mal beschimpft er Ljubomir L. wegen seiner Nationalität. Denn Jovan D. ist gebürtiger Kroate.

Als Ljubomir L. am Mittwoch, den 18.Oktober 2006, den Club betritt, ist Jovan D. bereits dort. Er sitzt auf einem Stuhl an der Wand neben anderen Clubgästen. Was dann passierte, kann man sich nur ungefähr zusammenreimen. "Grüß Gott!", heißt es für die Einen. Für Jovan D. lautet die Antwort auf seine provokante Frage: "Für schlechte Leute gibt es keinen Gruß!"

Ljubomir L. holt sich ein Getränk, setzt sich. Er wartet auf einen Freund. Dann fliegen ungute Worte durch die Luft. Jovan D. sagt eventuell, dass Ljubomir L. schlimmer als ein Zigeuner, gar kein Mensch sei und redet zuletzt provokant in Kroatisch auf ihn ein. Wer geht dann auf wen zu? Ein Gerangel zwischen den beiden alten Herren gibt es zweifelsfrei und eine blutige Schramme.

Der Clubbetreiber fordert die in die Jahre gekommenen Streithähne auf, draußen weiterzuzanken. Andere Männer gehen dazwischen, eine testesterongeschwängerte Menschentraube schiebt sich gestikulierend, schreiend vor die Tür an der Pankstraße, wo kurz darauf die durch den Wirt gerufene Polizei erscheint und eine Anzeige wegen Körperverletzung aufnimmt.

So ungefähr hat es der Zeuge und Rentner Branislaw S. (59) mitbekommen. Allerdings saß der Karten spielende Herr die meiste Zeit ja mit dem Rücken zum Geschehen, denn, so erklärt er: "Man muss ja aufpassen, damit einem niemand in die Karten guckt."

Eines haben dann die beteiligten Herren jedoch gemeinsam. Das Bedürfnis, diesen unwirtlichen Ort alsbald verlassen zu können. Branislaw S. führt hierzu zwei Herzinfarkte und ein Rückenleiden ins Feld. Ihn belaste das alles sehr: "Ich kriege noch heute Gänsehaut, wenn ich daran denke."

Das mutmaßliche Opfer Jovan D. belegt seine Unbescholtenheit mit einer Hüftprothese: "Ich bin schwerbehindert. Ich kann mich gar nicht mit jemandem prügeln." - Dass der Angeklagte, den er angeblich nicht kennen will, ein Freund oder zumindest alter Bekannter von ihm ist, wischt Jovan D. weg mit der Erklärung: "Nein. Ich will mich nicht erinnern."

Der Begriff des Hornberger Schießens ist auf 'berlinkriminell.de' ja bereits hier und da gefallen. In diesem Sinne entschied auch der Richter des Amtsgerichtes. Nach der Aussage von Branislaw S. wendet er sich an den Angeklagten und bietet ihm an: "Man kann ein Verfahren auch einstellen. Das ist so etwas wie 'Schwamm drüber'."

Allerdings müsste Ljubomir S. dem dann auch zustimmen. "Ja?", fragt der Vorsitzende Richter. Ljubomir S. nickt schüchtern. "Gut", beendet der Richter die Sitzung, "dann machen wir das so. Keine Eintragung für Sie. Sie müssen auch nichts bezahlen."


NJW schreibt:
"Es gibt noch qualifizierte Gerichtsreporter..."
NJW-aktuell - web.report H. 38/2010, S.3




gitter


Ljubomir S. soll seinen alten Clubfreund im Vereinsheim an der Pankstraße laut Anklage 'misshandelt' haben. Ljubomir S. erklärt: "Er sagte zu mir: 'Du bist ja kein Mann' und 'du bist schlimmer als ein Zigeuner'!"


Jovan D. kennt seinen alten Clubfreund Ljubomir S. nicht mehr und sagt: "Ich will mich nicht erinnern!"


Das serbische Vereinsheim in der Pankstraße im Wedding.


Anzeige
Kanzlei Luft
In eigener Sache:
Barbara Keller, Sieht so eine Mörderin aus?
Kanzlei Hoenig Kanzlei Hoenig Ukraine Krieg, was tun ...