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aus dem moabiter kriminalgericht


Der skrupellose Rentnerdieb


von Barbara Keller

04. Dezember 2008. Moabiter Kriminalgericht. 14. gr. Strafkammer.
Zwischen dem 5. Dezember 2007 und 7. März 2008 macht vorzugsweise in den Stadtbezirken Tiergarten, Wedding ein Seriendieb die Gegend unsicher, der es auf alte und gebrechliche Menschen abgesehen hat. Er umarmt sie unvermittelt auf offener Straße, zieht ihnen sofort die Geldbörse aus der Tasche oder verfolgt sie in Hauseingänge, Flure, ja, bis in ihre Wohnungen, um sie dort auszurauben. Als mutmaßlicher Täter muss sich seit dem 4. Dezember 2008 Erzan St. (35), ein serbischer Staatsbürger, vor dem Berliner Landgericht verantworten. Der bereits in diversen Identitäten brillierende, mehrfach aus Deutschland ausgewiesene, einschlägig vorbestrafte Mann schweigt zu den Tatvorwürfen, lässt sich diese einzeln nachweisen. Es ist eine traurige Zeugenparade.


Das Rentnerehepaar K. lebt in der Otto-Dix-Straße in Moabit. Keine zehn Minuten vom Moabiter Kriminalgericht entfernt. Gertrud und Hans K. haben geplant, ihre Wohnung zu renovieren. Ein Jahr lang legen die alten Leute, die beide 800 Euro Rente erhalten, monatlich circa 80 Euro zurück.

Am 24. Januar 2008 ist es soweit. Hans K. macht sich mit seinem Rollator auf den Weg zur Postbank in die Lübecker Straße, um 1.000,00 Euro abzuheben. Diesen Weg macht Hans K. allein, weil seine Frau Gertud K. heute von der Arthrose besonderes geplagt ist.

Bestimmt eineinhalb Stunden braucht Hans K., der mit seiner Gehhilfe nicht der Schnellste ist, für die 200 Meter Weg zur Bushaltestelle, zwei Haltestellen Busfahrt, Geldabheben und zurück. Als er endlich wieder vor seiner Haustür steht, empfängt ihn dort ein fremder Mann, der ihn mit einiger Ungeduld anfährt: "Wo bleibst du denn so lange?"

Wo bleibst du denn so lange?

Hans K. sieht erstaunt auf, entgegnet etwas wie: "Was geht Sie das an?" und setzt seinen beschwerlichen Fußweg in die zweite Etage des Mietshauses fort. Dort angekommen, schließt er die Wohnungstür auf, humpelt in die Küche, um dort auf dem Tisch seinen Schwerbeschädigtenausweis abzulegen, in dem die frisch abgehobenen 1.000,00 Euro stecken.

Dann stellt Hans K. seinen Rollator mit einigen Wendemanövern in die linke Ecke des großen, fast quadratischen Flurs. Er setzt sich auf seine Gehhilfe und sucht mit einem "Huhu!" seine Frau Gertrud auf seine Rückkehr aufmerksam zu machen.

Als Gertrud K. aus dem Schlafzimmer kommt, merkt sie gleich, dass irgendetwas nicht stimmt. Mit einiger Intuition stürzt sie sofort in die Küche. Dort trifft sie auf den besagten fremden Herren, der vor dem Kühlschrank steht und auf Gertrud K.'s forderndes "Was ist denn hier los?!" befremdlich fehlplatziert und mit einigem Akzent wiederholt insistiert: "Wasser unten! Wasser unten!"

Dann stürzt er an Gertrud K. vorbei in den Flur und hinaus aus der Wohnung. Gertrud K. eilt zum Balkon, um dem Mann nachzusehen, als sie schon den verzweifelten Schrei ihres Mannes vernimmt: "Das Geld ist weg!" Der Dieb hat sich mit Geld samt Schwerbeschädigtenausweis aus dem Staub gemacht.

Schnelles Geld aus Rentnerhand

Am 4. Dezember 2008, fast ein Jahr später, sitzen Hans und Gertrud K. dem mutmaßlichen Dieb von damals als Zeugen gegenüber. Erzan G., der bereits in anderen Identitäten brillierte, mindestens zweimal und zuletzt 2003 nach Serbien abgeschoben wurde, ist beschuldigt, in der Zeit vom Dezember 2007 bis März 2008 skrupellos alte und gebrechliche Menschen, darunter auch Rollstuhlfahrer in Serie überfallen zu haben. Angeklagt sind 14 Fälle.

Erzan St. soll seine Opfer in spe auf offener Straße, in Hauseingängen oder Fahrstühlen unvermittelt umarmt und begrüßt haben, um ihnen entweder das Portemonnaie gleich aus dem Jackett oder der Hose zu ziehen, beziehungsweise, das Vorhandensein eines solchen zumindest vorzuprüfen, um dann später zuzuschlagen.

Überfall nach dem Gänsebraten

In einem Fall überfiel Erzan St., laut Anklage, am ersten Weihnachtsfeiertag 2007 auch das Ehepaar Horst (81) und Käthe W. (84). Die Rentner waren auf dem Heimweg von einem Gänseessen, als der Dieb den ehemaligen Verwaltungsangestellten von hinten umarmte. Horst W. schaute sich erstaunt um und schüttelte den Mann mit einem empörten "Was soll das!" ab.

Im Flur ihres Hauses, in das sich der Mann unbemerkt hineingeschlichen haben musste, fiel er über Horst W. her und suchte, ihm das Portemonnaie abzunehmen. Er stieß Käthe W. nieder, rang mit Horst W. um die Geldbörse. Dann trat er auf die am Boden liegende und um Hilfe rufende alte Frau ein. Mit einer Beute von 200,00 Euro konnte der Mann entkommen. Die 84-Jährige erlitt einen Oberschenkelhalsbruch, von dem sie bis heute nicht hinreichend genesen ist.

Fingerabdrücke engros

Trotz identischer Fingerabdrücke, trotz einschlägiger Vorbelastung und Vorstrafen, der Angeklagte lässt sich zu den Vorwürfen nicht ein. Erzan St., der in Deutschland keinen Wohnsitz hat, eigentlich bei seiner Schwester in Serbien wohnt, will zur besagten Tatzeit woanders gewesen sein. Einen Fahrschein der Deutschen Bundesbahn soll als Beweis noch beigebracht werden.

Dennoch lässt Erzan St. der um den Verlust der 1.000,00 Euro weinenden Seniorin Gertrud K. durch seinen Anwalt mitteilen, wie sehr ihn der Überfall auf sie dauert.

Damit stößt der mittelgroße, mit einem grünen Parker bekleidete, schlanke Mann jedoch in ein Wespennest. Gertrud K., die den Täter erkannt zu haben glaubt, wettert: "Das glaubt doch kein Mensch! Wenn dem das wirklich leid tut, dann soll er uns das Geld zurückerstatten!"

Erzan St. ist offenbar gewillt, sich die Taten nachweisen zu lassen. Bereits jetzt sind nicht mehr alle Zeugen verfügbar. Wie Frau Käthe K. ist ein weiterer Zeuge wegen Gebrechlichkeit abgeladen worden. Zu den belastenden Aussagen des betagten Horst W., bemerkte der Angeklagte demonstrativ herablassend: "Er ist ein alter Mann!" Doch der 81-jährige Horst W. konterte darauf stolz: "Natürlich!"

Der Prozess wird am 11.12.08, 9:00, Saal 220 fortgesetzt.




NJW schreibt:
"Es gibt noch qualifizierte Gerichtsreporter..."
NJW-aktuell - web.report H. 38/2010, S.3




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Gertrud und Hans K. Während Hans K. seinen Rollator im Flur abstellte, schlich sich der Dieb in die Wohnung und stahl 1.000,00 Euro, die in seinem Schwerbe-
schädigtenausweis steckten.

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