Im August 2003 jedenfalls weigert sich Lottoladeneigner Mustafa D. (56), den Gewinn auszugeben. Sein Terminal wirft den Quittungsblock von Tamara E. nicht als Treffer aus. Er empfiehlt seiner Kundin, sich an die DKLB zu wenden. Das müsste sie ja ohnehin, meint er, da Mustafa D. einen Gewinn über eine so hohe Summe sowieso nicht auszahlen kann.
Im Lottoladen der Oranienstraße 30, nun wenige Häuser von der eigenen Wohnung entfernt, ist Günter E., der die Samstagsziehungen präferiert, Stammkunde. Mustafa D. erinnert sich: "Der kam immer mit dem Fahrrad." Dieses Mal hat Günter E., der gewöhnlich nur einen Schein die Woche macht, wegen des fetten Jackpots zwei Scheine abgegeben. Tamara E. darf zwar ebenfalls als passioniert, aber eher als Gelegenheitsspielerin bezeichnet werden. Wenn sie einmal tippt, dann mittwochs.
Klier klärt das
Zwei Tage später erscheint Tamara E. wiederholt im Lottoladen von Mustafa D. Sie hat sich an die B.Z., "Klier klärt das", gewandt und übrigens auch schon an einen Rechtsanwalt. Geschminkt und 'im Staat' wie zu einer Feier, so Mustafa D., taucht Tamara E. mit Mann Günter und einem Fotografen der B.Z. im Schlepptau auf, um ihrer Forderung Nachdruck zu verleihen.
Später erscheint Tamara E. in dieser Formation auch in der DKLB in der Brandenburgischen Straße. Doch hier stößt die vermeintliche 13. Lottogewinnerin der Mittwochsziehung auf Granit. Richtig, so Lutz T. (Leiter Kundenservice) und Lothar R. (Abteilungsleiter EDV), Tippschein und Quittung stimmen bis auf die strittige Zahlenreihe überein und der Tippschein wirkt 'sauber', nicht manipuliert.
Mit Erklärungen zu diesem 'Wunder' halten sie sich jedoch zurück. Die Herren tuscheln, nehmen Kopien der Belege, kündigen eine Prüfung des Terminals der Lottofiliale an, lehnen aber die Bitte auf Anwesenheit der vermeintlichen Gewinnerin bei dieser aus. Geheimsache.
Beweismittel Geheimsache
Nach einer internen Prüfung besagten Lottoterminals am 18. August 2003 kommt die DKLB zu dem Schluss: das Gerät arbeitet fehlerfrei. Der strittige Schein muss kopiert, der dritte Tipp im Nachhinein, erst nach Ziehung ausgefüllt worden sein. Die DKLB erstattet Anzeige gegen Tamara E., die hartnäckig ihren Gewinn einfordert. Den eingezogenen Terminal, das einzige Beweismittel, lässt sie seltsamerweise drei Wochen später generalüberholen und gibt ihn einen Monat später wieder in Umlauf.
Der Strafbefehl vom 26. August 2004 gegen Tamara und Günter E., ein Jahr später, lautete noch auf 'gemeinschaftlich versuchten Betrug' und bezieht Günter E. in die Lottoquerele mit ein. Doch das Ehepaar widerspricht der Verurteilung. Ein knappes Jahr später kommt es zum Prozess vor dem Amtsgericht Tiergarten, an dem Günter E., der zwischenzeitlich verstirbt, nicht mehr teilnimmt.
Wahrheit im Licht
Zweieinhalb Jahre dauert das Verfahren, in dessen Folge Tamara E. schließlich doch bestraft wird. Am 24. September 2007 verurteilt sie das Amtsgericht Tiergarten zu einer Geldstrafe von 4.000 Euro. Nachdem die unglückliche 13. Gewinnerin in Berufung ging, steht sie nun wiederholt vor Gericht. Vor Prozessbeginn erklärt Tamara E. aufgeregt auf dem Flur: "Die Wahrheit wird ans Licht kommen."
Doch vielen Hoffnungen, so zeigt sich bald, darf sich Tamara E. wohl auch dieses Mal nicht hingeben. Der vorsitzende Richter gibt deutlich zu verstehen, dass die Erfolgsaussichten für die Angeklagte 'nicht gut' stehen. Das Urteil aus dem Jahr 2007 scheint ihm 'schlüssig' und 'überzeugend'. "Daran kommen wir nicht vorbei", sagt er. Er bietet Tamara E. einen 'deutlichen Strafabschlag', 30%, im Falle sie den Schuldspruch akzeptieren würde.
Deal abgelehnt
Der sich bereits unwillig auf dem Stuhl windenden Angeklagten verdeutlicht der Richter: "Sie müssen ja kein umfangreiches Geständnis ablegen. Sie sollen nur sagen: 'Ich möchte eine geringere Strafe.'" Bei einer erneuten Verurteilung, droht er Tamara E., müsste sie mit einem Eintrag ins Führungszeugnis rechnen.
Doch die bislang unbescholtene Akademikerin bleibt störrisch. Die Beweisaufnahme wird eröffnet. Aufgeregt und in holprigem Deutsch berichtet Tamara E. nun zum x-ten Mal, wie sie als 13. Lottogewinnerin in Schwierigkeiten kam. Sie erklärt den ungeduldigen Juristen auch die Wahl ihrer Siegerzahlen. Und die klingt auch nachvollziehbar: ihr Geburtsdatum, bearbeitet mit der Zahl 3. Denn, so erklärt Tamara E. das Hexeneinmaleins von Johann W. von Goethe: "Und Drei mach gleich, So bist Du reich."
Hitze, Staub, Erschütterungen
Doch dass das Terminal, das den Gewinnertipp einlas, am 12. August 2003 defekt gewesen sei, damit stößt die Angeklagte auf ungläubige Ohren. Denn dass ein vertikal abtastendes Gerät eine 100%ige Fehlerquote in der Waagerechten verursacht, klingt wenig plausibel. Bei aller Hitze- und Staubeinwirkung, die Tamara E. geltend machen will.
Andererseits konnte der Terminal bereits im ersten Verfahren nicht als Beweismittel herangezogen werden, weil die DKLB den Apparat unverständlicherweise drei Wochen nach Anzeige völlig generalüberholt hatte. Und tatsächlich berichtete Lottoladenchef Mustafa D. entgegen anders lautenden Aussagen der DKLB-Mitarbeiter, dass das Terminal zuletzt schlecht lief und deshalb ständig Reparaturen notwendig waren.
Der Prozess wird am 17. März 2009 um 9:00 im Saal 820 mit einem umfangreichen Zeugenmarathon, darunter auch B.Z.-Mitarbeiterin Sabine Klier, fortgesetzt. Rechtsanwalt Lüko Becker, Rechtsbeistand der Angeklagten, hat auch die Vorführung eines Videos in Aussicht gestellt.