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aus dem moabiter kriminalgericht


Kunstfehler mit Todesfolge


von C. Rockenschuh

25. Sept. 2009, 35. große Strafkammer
Seit Dezember letzten Jahres muss sich Reinhard Sch. (58), ein Berliner Schönheitschirurg, wegen Körperverletzung mit Todesfolge vor dem Berliner Landgericht verantworten. Ihm wird ein Kunstfehler mit Todesfolge im Zusammenhang mit einer chirurgisch vorgenommenen Bauchkorrektur im März 2006 vorgeworfen. Im Dezember 2008 saß Reinhard Sch., der strafbares Verhalten bestreitet, zwischenzeitlich in Haft, nachdem er versucht hatte, Einfluss auf Zeugenaussagen zu nehmen
Im März dieses Jahres platzte der Prozess, nachdem der Anwalt des Angeklagten wegen des "zerrütteten Vertrauensverhältnisses" das Mandat niederlegte. Im Mai ging das Verfahren mit einem neuen Verteidiger in die zweite Runde. Morgen, am 29. September, werden Sachverständige gehört, die die folgenschwere Operation fachlich beurteilen...

Es war eigentlich eine Route-Operation. Doch sie endete tödlich. Am 30. März 2006 ließ sich Anja S. auf diesen chirurgischen Eingriff zur Bauchstraffung ein. Anstoß hierzu war wohl eine erfolgreiche Oberweitenkorrektur, die ihre Tochter kurz zuvor bei demselben Arzt hatte vornehmen lassen. Die Schönheits-OP schenkte sie sich selbst zu ihrem 50. Geburtstag.


Dreieinhalb Stunden dauerte die Operation an diesem Tag, die Dr. Reinhard Sch. ohne die Hilfe eines Anästhesisten vorgenahm. Doch dann lief etwas schief. Anja S. kollabierte während des Eingriffes, musste reanimiert werden und kam in der Folge nicht mehr zu Bewusstsein.

Anstatt den Notarzt zu kontaktieren und Anja S. umgehend in intensivmedizinische Behandlung zu übergeben, wartete Reinhard Sch. sechs Stunden zu. Und auch dann rief er nur einen Krankentransport mit der Information die komatöse Patientin sei "jederzeit weckbar". Zwölf Tage später verstarb Anja S.

Reinhard Sch., der seit seinem Verteidigerwechsel im Mai dieses Jahres seinerseits die Ärzte des Sankt Gertrauden-Krankenhauses beschuldigt, Anja S. falsche Medikamente verabreicht zu haben, bestreitet jegliche Schuld am Tod seiner Patientin. Zudem behauptet er eine Mitschuld seiner 49-jährigen Patientin. Sie habe vor der OP offensichtlich etwas getrunken und erbrach deswegen.

Am 24. September 2009 war als Zeugin Sandra M. (31) zu hören. Sie hatte sich gemeinsam mit der Tochter der Verstorbenen im Februar 2006 erfolgreich einer Schönheits-OP durch Reinhard Sch. unterzogen. Nach gezieltem Suchen im Internet sei man auf die Privatpraxis des Schönheitschirurgen getroffen.

Das Angebot klang "seriös, der Preis war gut". Sandra M. wollte sich die Oberschenkel machen lassen, Alexandra etwas für ihre Oberweite tun. Sandra M. sagt, mit der OP zufrieden gewesen zu sein, erklärt jedoch auch, während des Eingriffs wach geworden zu sein. "Ich wollte die Schwester kneifen und auf mich aufmerksam machen." Dann habe man "noch einmal zugelegt" mit Narkosemitteln, sodass sie erst gegen 18:00 statt mittags erwachte.

Über die zuvor erfolgte Aufklärung zu den Risiken und Nebenwirkungen des Eingriffs durch den behandelnden Arzt kann Sandra M. jedoch nicht fiel sagen: "Wir haben uns gedacht, das wird schon alles richtig sein."

Dr. Reinhard Sch., der sich keiner Schuld bewusst gibt, ließ an diesem Tag Verhandlung einige Beweisanträge verlesen, die darauf abzielten, einen Behandlungsfehler der Kollegen des St. Gertrauden-Krankenhauses einzuräumen. Von der Staatsanwaltschaft wohl nicht ganz zu Unrecht ironisch als "Verschwörungstheorie" bezeichnet.

Sicher ist es für den Ehemann der so ums Leben gekommenen Anja S. nicht leicht zu erleben, wie sich Dr. Reinhard Sch. aus der Verantwortung zu stehlen sucht. Und sei es nur aus einer moralischen. Der Tontechniker tritt in diesem Prozess als Nebenkläger auf.

Am nächsten Prozesstag, morgen 11:00, Saal 500, werden Sachverständige hoffentlich einigen Klartext sprechen, wie sachgerecht die Operation an Anja S. vor zwei Jahren vorgenommen wurde.


Urteil:(1.03.2010)
Das Kammer verurteilte Reinhard Sch. trotz vehementen Abstreitens jeglicher Schuld wegen Körperverletzung mit Todesfolge in Tateinheit mit versuchtem Totschlag zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten.


NJW schreibt:
"Es gibt noch qualifizierte Gerichtsreporter..."
NJW-aktuell - web.report H. 38/2010, S.3




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