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Ein Spezialist für nicht natürliche Todesfälle

- Porträt eines Privatermittlers -

von Barbara Keller

Mario A. ist Privatermittler und führt seit mehr als zehn Jahren die Detektei S.E.K.A...
Vor fast zehn Jahren suchte eine nervöse Mittdreißigerin, ihrem ehemaligen Geschäftspartner durch einen ungewöhnlichen Racheakt nachhaltig zu schaden. Privatdetektiv Mario A.Die verschmähte Schöne verletzte sich selbst, fesselte sich ans Bett und kreierte fantasievoll einen Mordversuch. Der perfide Feldzug hätte den bislang unbescholtenen Mann zehn Jahre hinter Gittern bringen können. Alle Indizien sprachen gegen ihn.

Doch der Verteidiger des so gut wie Verurteilten brachte die Detektei S.E.K.A. ins Spiel. Während des bereits laufenden Prozesses nahm Privatdetektiv Mario A. im Auftrag des Angeklagten zusammen mit seinen Mitarbeitern die belastenden Beweismitttel, aber auch die entlastenden, leider nicht ausermittelten Tatsachen, unter die Lupe und kam den kriminellen Ambitionen des vermeintlichen Opfers auf die Schliche. Nachdem der Angeklagte ein dreiviertel Jahr in Untersuchungshaft verbrachte, stellte sich der Tatvorwurf durch die akribische Ermittlung der Detektei als haltlos heraus. Der Mann wurde freigesprochen und kam auf freien Fuß.

Der Spezialist

Eingangsbereich der DetekteiDies ist nur einer der vielen skurrilen Fälle, der die in Treptow ansässige Detektei S.E.K.A. durch ihr fachkundiges Zuarbeiten eine überraschende Wendung gab. Die Detektei S.E.K.A., das ist Mario A., ein studierter Kriminalist, der 13 Jahre bei der Kriminalpolizei beschäftigt war, seit zehn Jahren als privater Ermittler arbeitet, sich als Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Kriminalistik auf dem Laufenden, durch Joggen fit hält und mit Kampfsport aufgewachsen ist.

Sieht man ins Branchenbuch, so findet man allein in Berlin mehr als 400 Privatdetekteien. Kein leichtes Brot für Privatermittler, so scheint es. Mario A. wiegelt jedoch ab. Da die Berufsbezeichnung Detektiv kein geschützter Beruf ist, segeln hier viele Schiffchen mit dem Wind. Auch Kaufhausdetektive, für die eine Anmeldung beim Gewerbeamt obligatorisch ist, fallen unter die Kategorie Detektiv. "Komplexe Sachverhalte ermittelnde, observierende und richtig vor Ort arbeitende Detekteien gibt es wenige", sagt Mario A. Zu ihnen zählt die Detektei S.E.K.A.

Wie es nicht funktioniert

Dass die Klienten bei Mario A., ein Spezialist für 'nicht natürliche Todesfälle', an der Bürotür klingeln, kommt selten vor. Auch Anrufe durch potentielle Kunden, die seine Rufnummer aus dem Telefonbuch haben, sind selten. Wie im geschilderten Fall des fingierten Mordversuches, vermittelt oft ein Rechtsanwalt den Auftrag. Dass ein Detektiv in seinem Büro Zahnstocher kauend, gähnend die Füße auf dem Tisch übereinander geschlagen, auf einen Anruf seines Kumpels vom Revier oder auf einen Klienten wartet - das gibt es nur bei Raymond Chandler. "Vergessen Sie mal, was Sie in Büchern über Privatdetektive gelesen haben", erklärt Mario A.

Wie eine private Detektei gerade nicht arbeitet, führt nach Mario A., beispielhaft die Fernsehserie Lenßen & Partner (SAT 1) vor. Pro Serie begehen die dort agierenden Detektive bis zu 20 Straftaten. "Nötigung, Freiheitsberaubung, Körperverletzung, Wohnungseinbrüche - da ist alles dabei. Da wären Sie nach einem Monat als Detektiv eingesperrt", sagt der Privatermittler.

Tatsächlich spielt sich ein Großteil der Tätigkeit eines Privatermittlers ganz unspektakulär am Schreibtisch ab. Da werden, zum Beispiel im Bereich der Produktpiraterie, Testeinkäufe abgewickelt, Personen ausfindig gemacht oder mit den Behörden kommuniziert. Was ein Detektiv nach Mario A. braucht, ist Fachwissen. Wie kommt man an Informationen ran, welche rechtlichen Grundlagen müssen da sein, um eine Information zu bekommen.

Schreibtisch und Paragrafen

"Dieser Beruf ist zwangsläufig mit der Juristerei verbunden", erzählt Mario A. Denn ob zivil- oder strafrechtlich, die Beweismittel müssen verwertbar sein vor Gericht. Und das sind sie nur, wenn sie auf legalem Weg beschafft wurden. Soweit zum Klischee einer literarischen Figur wie Philip Marlow, die sich in den 50er Jahren mit ihrer Pistole lässig den Weg durch die Krimis zur vermeintlichen Gerechtigkeit frei schoss.

Das Büro der Detektei S.E.K.A. liegt unauffällig im fünften Stock eines modernen Neubaus an der Grenze von Treptow zu Kreuzberg. Der helle Raum mit dem üblichen Zweckmobiliar und einer Sitzecke mit schwarzen Ledersesseln unterscheidet sich kaum von dem einer Behörde. Oder vielleicht doch in einer Kleinigkeit. Denn da, wo der fest angestellte Ermittler Plakate von Urlaubsorten an der Wand befestigen würde, hängt bei Mario A. eine Reihe gerahmter Kopien von Fällen, die Furore in den Medien machten.

Beispielsweise der Artikel aus der Berliner Zeitung vom 13. Mai 2004 über einen inzwischen verstorbenen Professor namens Wilhelm Krelle. Eines hoch dotierten und dekorierten Ökonomen, Träger des Bundesverdienstkreuzes, der Mitte der 90er Jahre einen Dozenten der Humboldt-Universität so schikaniert haben soll, dass dieser sich das Leben nahm. Die Frau dieses mutmaßlichen Mobbingopfers, eine Rechtsanwältin, unternahm daraufhin Recherchen, die Krelles Vorleben als SS-Mann im Dritten Reich betrafen. Und sie beauftragte die Detektei S.E.K.A.

Dekorierte Kriegsverbrecher

Mario A. ermittelte, dass der mehrfache Ehrendoktor und auch ökonomische Berater der Bundesregierung ab Sommer 1944 Kommandeur der SS-Division "Götz von Berlichingen" war. Einer 16.000 Mann starken Spezialeinheit, der mehrere Kriegsverbrechen zur Last gelegt werden. Mario A. findet es erschütternd, dass das Konterfei des Ex-Sturmbannführers Wilhelm Krelle im Berliner Bundespräsidialamt noch immer in einer Reihe mit verdienstvollen Bürgern an einer Wand hängt. Er sagt: "Das ist ein Kriegsverbrecher. Da muss das Gesetz geändert werden." 2007 hatte das Bundespräsidialamt auf Anfrage erklärt, eine Aberkennung des Bundesverdienstkreuzes sei postum dem Gesetze nach nicht möglich.

Einer innere Anteilnahme in diesem Fall konnte Mario A. sich nicht versperren. Das muss er auch nicht. Denn wie der Rechtsanwalt im Strafverfahren der Einzige ist, dem Parteilichkeit vorgeschrieben ist, versucht auch der Privatermittler, alles Positive für seinen Mandanten herauszuholen.

Wenn die Mafia vor der Tür steht

Ähnlich den Journalisten ist Mario A. als Detektiv eine gewisse Sorgfaltspflicht aufgegeben. Um sich abzusichern, checkt er im Verdachtsfall auch seine Auftraggeber gegen. Dass er dann einen Auftrag ablehnt, kommt schon einmal vor. So wurden bei ihm eines Tages russisch gebürtige Bürger vorstellig, die Ermittlungen zu einer Person haben wollten. Dass die potentiellen Kunden aus dem 'nahen Osten' kriminelle oder staatsgefährdende Ziele verfolgten, war nicht ausgeschlossen. Mario A. nahm von diesem Auftrag ebenso Abstand, wie von einem anderen Rechercheauftrag, der beinhaltete, die Adresse eines Prominenten ausfindig zu machen. Die Auftraggeber des letzteren stammten, so fand der Privatermittler heraus, aus linksextremen Kreisen.

Ein verdächtiger Todesfall, eine mutmaßlich 'unnatürliche Todessache', kommt dem Privatermittler naturgemäß nicht täglich ins Haus. Bei Mario A. klingeln auch Kunden, die vermisste Personen oder Schuldner suchen. In zwei Fällen, erzählt Mario A. schmunzelnd, forschten Frauen nach der letzten Ruhestätte ihres Geliebten. Männern, die zu Lebzeiten an eine ahnungslose Gattin gebunden waren.

Rund zehn Fälle bearbeitet Mario A. in der Regel gleichzeitig. Derzeit sind es vier Fälle aus dem Bereich der Produktpiraterie, einem beruflich wichtigen Standbein, und ein mutmaßlich unnatürlicher Todesfall.

Gemeinsam mit dem LKA

Einen komplexen, aufwändigen Auftrag eines größeren Unternehmens wegen Produktpiraterie hat die S.E.K.A. vor kurzem erfolgreich abgeschlossen. Dabei kam es zu einer engen Zusammenarbeit mit den offiziellen Ermittlungsbehörden. Der führende Kopf der kriminellen, international agierenden Gruppe konnte zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt werden. Über Details schweigt der Privatdetektiv aus Gründen der Sicherheit und der Loyalität gegenüber dem Auftraggeber.

Wobei Mario A. seinen Beruf nicht als besonders gefährlich empfindet. Als 'alter Hase' weiß der Detektiv mit den notwendigen Maßnahmen vorzubeugen. Er sagt: "Ich verhalte mich vorsichtig. Wie ein Maurer auf dem Gerüst, damit er nicht herunterfällt." Die meisten Situationen, so der Ermittler, sehen schlimmer aus, als sie sind.

Die Nachfrage nach Privatermittlern hat sich nach Mario A. merklich erhöht. Er führt das auf den kontinuierlichen Abbau in den Ermittlungsbehörden zurück. Der Detektiv sagt, wo früher drei, vier Leute saßen, arbeite jetzt nur noch ein überforderter Mitarbeiter. Die technische Ausstattung sei minimal, zig Leute teilten sich in einem Kommissariat ein Auto. "Das hätte ich vor Jahren nicht gedacht, dass die Polizei mal zu uns Privaten kommt und sagt 'helft uns mal, wir können nicht mehr'".

Ein ungeklärter Mordfall

Doch nicht immer mag die Kripo mit den Privaten kooperieren. Ein Beispiel dafür ist der Mordfall Jane Fränzke. Die Zehnjährige wurde im Frühjahr 1995 auf dem Weg zur Schule überfallen, missbraucht und getötet. Die Ermittlungsbehörden hatten den Fall als ungelöst zu den Akten gelegt. Aber die Eltern des Mädchens wollten sich nicht damit abfinden, dass der gefährliche Täter noch immer frei herumläuft. Rechtsanwalt Mario Seydel, der sie in der Nebenklage vertrat, vermittelte zu weiteren Recherchen die Detektei S.E.K.A.

Aber an eine kooperative Zusammenarbeit war, nachdem die offiziellen Ermittler die Akte Fränzke geschlossen hatten, nicht mehr zu denken. Querelen mit der Polizei, dem Innen-und Justizministerium waren die Folge. Ein ellenlanger Rechtfertigungsschreiben des Ministeriums erreichte den Privatdetektiv. "Aber auf unsere Recherchen wurde gar nicht eingegangen." Mario A. sagt: "Ein katastrophaler Fall, der bislang ungeklärt ist."

So gut die Auftragslage der versierten Detektei S.E.K.A. auch sein mag: nicht immer korrespondiert sie mit einer guten Zahlungsmoral der Mandanten. Stellt sich heraus, dass die Ermittlungsergebnisse für den Klienten negativ ausfallen, machen sich die Auftraggeber auch schon einmal rar.

Auftragsmörderin schoss Eigentor

So blieb letztendlich auch eine Lettin, der vorgeworfen wurde, ihren Mann getötet, zerstückelt und die Leichenteile in Paderborns Wäldern verteilt zu haben, der Detektei einen Großteil des Honorars schuldig. Die Frau saß in Untersuchungshaft und bestritt vehement den Tatvorwurf. Durch ihren Rechtsanwalt eingeschaltet, wurde Mario A. für die Inhaftierte aktiv. Als der Detektiv heraus fand, dass seine Mandantin den Mord zwar nicht ausgeführt, jedoch mit großer Wahrscheinlichkeit in Auftrag gegeben hatte, mochte sie nicht mehr zahlen. Sie schrieb einen Brief an ihre Familie in Riga, in dem sie forderte, die Zahlungen an den Rechtsanwalt und damit auch die Detektei einzustellen.

"Na ja, vergessen wir's", sagt Mario A. mit einer wegwerfenden Geste und zieht mühelos weitere Fälle aus der Kiste seines Kuriositätenkabinetts. Darunter die Geschichte eines im Verlag Heyne erschienen 'Tatsachenberichts' ("Todeszone" von Thomas Sanders) eines vermeintlichen Geheimagenten, der sich als Fake herausstellte. Oder wie Mario A. das gestohlene Gemälde eines Hamburger Antiquitätenhändlers wiederbeschaffte.

Wie viele Detekteien seiner Art ist auch die S.E.K.A. ein Ein-Mann-Betrieb. Mario A., der nicht nur bundesweit, sondern auch international vernetzt ist, arbeitet projektweise mit selbstständig agierenden Spezialisten zusammen.

Ein starkes Argument

Während des anregenden Gesprächs klingelt plötzlich das Handy des Privatermittlers. Der Klingelton: ein heroisches Fanfarensignal. Mario A. lächelt verlegen: "Das ist das Signal, wenn der General anruft." Und schiebt erklärend nach: "Meine Frau."

Ob seine Frau ebenfalls ermittelt? "Nein, bloß nicht!", sag Mario A. "Die ist Kindergärtnerin. Einer muss ja einen vernünftigen Beruf haben, damit pünktlich das Geld nach Hause kommt." Privatleben ist auch ein starkes Argument. Und eine Anlass, dem Gespräch, das spannend ist und gern noch länger dauern könnte, ein würdiges Ende zu geben.





NJW schreibt:
"Es gibt noch qualifizierte Gerichtsreporter..."
NJW-aktuell - web.report H. 38/2010, S.3




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