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aus dem moabiter kriminalgericht


Hobby-Doktor mit Geheimdissertation


von Barbara Keller

17. Februar 2005. Amtsgericht Tiergarten. Abt. 248, Strafrichter.
Im Frühjahr 2003 verbüßt Ronald H. gerade eine zweijährige Haftstrafe wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln und Missbrauchs von Titeln. Der berufliche Wirkungsbereich von Ronald H. während seines Freigangs im Frühjahr 2003 ist dennoch groß und dubios. Er tritt vielfach als Dr. rer. oec. und Privatdozent für Wirtschaftsrecht in Erscheinung und besorgt, schließlich der entscheidende Stolperstein, einen Arbeitsvertrag für einen befreundeten Mithäftling.


Ronald H. tritt laut Aussage des ehemaligen Mithäftlings Hassan G. als Geschäftskompagnon einer Firma namens PMC (Promedia Communications, BRD/Belgien) auf, vermittelt in ihrem Namen Arbeitskräfte, unterschreibt eine Vertraulichkeitserklärung für eine Wiesbadener Connex AG, korrespondiert mit der Stadtverwaltung Meraane (Sachsen) über die Veräußerung einer Immobilie und ist der angebliche Ziehvater eines Kfz-Verbands freier Autohändler (Berlin), ohne in dessen entscheidenden Gremien namentlich genannt zu sein. Zuletzt tritt Ronald H. im Frühjahr 2003 für letztgenannten Verband als Käufer eines Autohauses in der Lichtenberger Orloppstraße, Berlin, in Erscheinung. Der Verkäufer Hans Dietrich H. aus Benzheim: "Ronald H. hatte die fachliche Führung der Gruppe. Er war fachkompetent, genau, präzise. Mit einem Wort: überzeugend." - Hans Dietrich H. entscheidet sich folglich für Ronald H. als Käufer.

In allen Fällen firmiert Ronald H. immer wieder unter einem Doktortitel und tritt als Privatdozent für Wirtschaftsrecht sowie mit den Insignien Dr. rer. oec. in Erscheinung. So weit so gut. Im fernen Amerika würde dieser Umstand sicher soviel Aufmerksam erregen, als fiele in China ein Sack Reis um. Wir sind aber weder in den USA noch in China. In der Bundesrepublik ist das unbefugte Führen von Titeln strafbar und kann mit einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder einer Geldstrafe geahndet werden.

Und dann kommt ein weiterer Umstand hinzu: Ronald H. ist nicht nur einschlägig, sondern überhaupt mehrfach vorbestraft. Zu seiner bunten Vorstrafenpalette zählt neben dem wiederholten Handel mit Betäubungsmitteln, Steuerhinterziehung, versuchte Körperverletzung, Konkursverschleppung, Nötigung, gewerbsmäßige Hehlerei auch der Missbrauch von Titeln.

Als Ronald H. dem befreundeten Mithäftling Hassan G. eine Arbeitsstelle bei der PMC vermittelt und einen Arbeitsvertrag in die Haftanstalt mitbringt, wird die Haftbehörde auf das dubiose Treiben ihres Hobbydoktors aufmerksam. Sie hält die PMC für eine Scheinfirma. Ronald H. wird der Urkundenfälschung und wieder einmal des Missbrauchs von Titeln angeklagt.

Hatte Ronald H. in seiner letzten Verhandlung im Jahre 2002 noch willig Auskunft über sich erteilt, schweigt sich der Angeklagte am 17. Februar 2005 gänzlich aus. Nichts mehr von der Behauptung, er habe in der DDR durch eine Art Geheimdissertation den Titel erlangt. Kein Wort auch zu seinen persönlichen Verhältnissen, zu seiner Ehefrau in Schleswig-Holstein, seinen erwachsenen Kindern und seiner Heimatstadt im sächsischen Meraane.

Der Kurs des Rechtsbeistands von Ronald H. ist unklar. Dem Gericht liegen zahlreiche Dokumente vor, Faxe, Emails, in denen der einschlägig vorbestrafte Angeklagte mit Titel unterzeichnet oder mit Titel angesprochen wird. Trotzdem beantragte er das Anhören zweier Zeugen, die erklären sollen, dass Ronald H. sich nicht selbst mit Titel vorstellte. – Steuert der Verteidiger eine verminderte Schuldfähigkeit an? Wird mit einem weiteren Beweisantrag, der Bestellung eines Gutachters zu rechnen sein? Schließlich urteilte auch das Gericht in seiner Urteilsbegründung im September 2002: "Der Angeklagte ist von seinen erfundenen Geschichten offenbar selbst überzeugt."

Urteil:
Nach sechs Verhandlungstagen wurde Ronald H. in Abwesenheit zu einer Haftstrafe von 13 Monaten verurteilt. Das Kammergericht hob das "Urteil" jedoch später aufgrund der Rechtswidrigkeit mit Beschluss vom 16. 01. 2006 in vollem Umfang auf. Es gab damit dem selten bemühten Instrument einer Sprungrevision statt. Das AG Tiergarten stellte das Verfahren auf Antrag der StA ein.



NJW schreibt:
"Es gibt noch qualifizierte Gerichtsreporter..."
NJW-aktuell - web.report H. 38/2010, S.3




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Ronald H.
Ronald. H. saß wegen Handels mit Betäubungsmitteln, Missbrauch eines Titels in Haft und wickelte auch während des Freigangs als Dr. rer. oec. Geschäftspartner um den Finger.

Ronald H. und Mithäftling Hassan G.
Ronald H. und Mithäftling Hassan G. (re.), dem der falsche Doktor einen Job vermittelte und dadurch aufflog.


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