sitemap
Ukrainekrieg, was tun ... Kanzlei Hoenig
gitter
zur Startseite
Mitfahrgelegenheit, blablacar

aus dem moabiter kriminalgericht


"Seine Augen sagen ..."


von Barbara Keller

14. Oktober 2005. Moabiter Kriminalgericht. 38. Große Strafkammer.
Am 8. Juli 2001 besucht Matthias K., damals 19 Jahre alt, die Schwulendisko in der 'Kalkscheune', gelegen zwischen der Friedrichstraße und der Oranienburger Straße in Berlin Mitte. Als ihm das Zigarettenpapier ausgeht - es ist bereits 3 Uhr nachts – beschließt er, sich neues in einem Kiosk an der Oranienburger zu besorgen. Auf dem Weg dorthin spricht ihn ein durchtrainierter, südländischer Typ auf eine "kurze Sache" an. Die "kurze Sache" - vollzogen im Schummerlicht im Hof des 'Tacheles' - entpuppt sich nach einem weitgehend freiwilligen Geschlechtsverkehr als ein versuchter, bewaffneter Überfall.


Doch zunächst ist der Jugendliche geschockt. Matthias K. beschließt, Anzeige zu erstatten. In seiner unter Tränen der Erniedrigung gemachten Anzeige beschreibt er einen martialischen Überfall auf Leib, Leben und Gut. Mit vorgehaltenem Messer, Klinge circa 15 Zentimeter lang, soll ihn der Fremde unter Drogen gesetzt, zu entwürdigenden, sexuellen Handlungen gezwungen und schließlich unter massiven Gewaltdrohungen versucht haben, ihn auszurauben.

Die Staatsanwaltschaft ermittelt. Vier Jahre später sitzt der mutmaßliche Täter, überführt nicht zuletzt anhand von DNA-Spuren, auf der Anklagebank. Er heißt Nabil E.-A. (25) und lässt durch seinen Anwalt verlauten: "Ich bin weder schwul noch bisexuell und verspüre auch kein Bedürfnis danach. Mein Glaube verbietet das. Ich bin unschuldig."

Nabil E.-A. will in der fraglichen Nacht auf dem Hof des 'Tacheles' seinen ersten jungfräulich sexuellen Kontakt mit einer Frau namens Gina vollzogen haben. Als ihn ein junger Mann - nach Kokain fragend - dabei störte, habe er sein Kondom nach ihm geworfen. Das erkläre die DNA-Spuren am Hemd von Matthias K. - Vorsorglich wartet besagte Gina, die nach kurzer Beziehungspause nun wieder seine Freundin ist, als Zeugin vor dem Gerichtssaal.

Vermutlich würde aber auch Gina dem Gericht nicht erklären können, wie das Sperma ihres Freundes zudem in die Unterhose von Matthias K. kam. Doch dieser Erklärung bedarf es gar nicht mehr. Denn das Opfer Matthias K. nimmt seine Aussagen, bis auf den versuchten Raub, zurück. Der Quickie auf dem 'Tacheles'-Hof sei einvernehmlich erfolgt.

Dem Eineurojobber aus Nagold an der Nagold bei Tübingen tut der Angeklagte plötzlich leid. Vom Richter befragt, ob er Nabil E.-A. wieder erkenne, schaut Matthias K. dem Angeklagten lange in die Augen und erklärt: "Seine Augen sagen, dass er es gar nicht wollte. Dass er nicht wusste, was er tat." Später präzisiert er, der Angeklagte habe unter dem Einfluss von Drogen gehandelt und sei schließlich auch nur ein Mensch. - Da muss selbst Nabil E.-A. lächeln.

Weniger amüsiert ist die Staatsanwaltschaft, die viel Arbeit mit der Anklage hatte. Sie fordert nun etwas säuerlich, wie auch die Rechtsbeistände des Angeklagten und des angeblichen Opfers, Freispruch. - Den bekommt Nabil E.-A., der damit 47 Tage zu Unrecht in Haft saß, denn auch.

Was nach den nebulösen Ereignissen vom 8. Juli 2001 schließlich bleibt sind: dauerhafte Auswucherungen am After des Matthias K. nach ungeschütztem Geschlechtsverkehr und die Kosten für die Berliner Landeskasse: Prozesskostenhilfe für Matthias K., Haftentschädigung für Nabil E.-A. und die Prozesskosten selbst.



NJW schreibt:
"Es gibt noch qualifizierte Gerichtsreporter..."
NJW-aktuell - web.report H. 38/2010, S.3




gitter


Der Rechtsbeistand des Opfers Matthias K.: "Kein Foto meines Mandanten, kein Kommentar, kein Kommerz."


Einer Aussage von Gina bedurfte es nicht.

Anzeige
Kanzlei Luft
In eigener Sache:
Barbara Keller, Sieht so eine Mörderin aus?
Kanzlei Hoenig Kanzlei Hoenig Ukraine Krieg, was tun ...