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Gerichtsreportagen


Islamistenprozess:
Staatsanwalt fordert Haftstrafe von zweieinhalb Jahren


von von Barbara Keller

01.3.2011, 1. Berliner Strafsenat
Am 1. März 2011 wurde im Verfahren gegen Filiz Gelowicz, angeklagt wegen terroristischer Vereinigungen im Ausland, die Beweisaufnahme geschlossen und die Plädoyers gehalten. Das Verfahren war abgetrennt worden, nachdem sich die Angeklagte geständig einließ und das Zeugenprogramm absolviert war. Die Verfahren gegen den mitangeklagten Alican T., der sich bislang nicht äußerte und den zunächst flüchtigen Fatih Kahraman werden weitergeführt. Während die Staatsanwaltschaft in ihrem Plädoyer eine Haftstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten für die Angeklagte forderte, hofft die Verteidigung auf eine Bewährungsstrafe.
berlinkriminell.de berichtete...

Zu Beginn der Hauptverhandlung gegen Filiz Gelowicz im November vergangenen Jahres hatte es in einem Islam-Forum im Netz noch geheißen, "Geschwister, kommt ALLE zur Verhandlung von Filiz Gelowicz". Gähnende Leere dagegen im Zuschauerraum am Tag der Plädoyers. Der Saal 700 schien um einiges zu groß für diesen Prozess. Die Angeklagte war mit ihren Verteidigern vor an den Richtertisch gerückt, vis-a-vis den Anklagevertretern. Was diesen nun einen freien Blick auf die Anklagebank ermöglichte. Und umgekehrt natürlich.

Bei allem friedlichen Konsenz zwischen Kläger und Verteidigung lag dennoch spürbar ein gewisse Spannung in der Luft. Die Angeklagte wirkte blass und angestrengt. Hatte ihr Verteidiger Hansgeorg Birkhoff doch am letzten Prozesstag noch einmal entscheidende, letzte Erklärungen seiner Mandantin angekündigt. Während die darauf folgenden Plädoyers der Bundesanwälte den gesamten Vormittag ausfüllten, teilte sich die Verteidigung, Hansgeorg Birkhoff und Mutlu Günal, in den frühen Nachmittag.

Wiederholt führten die Bundesanwälte in ihren Plädoyers die Tatbeteiligung der Angeklagten aus. Sie schilderten, dass die gelernte Einzelhandelskauffrau nach der Verurteilung ihres Mannes im März 2010 im Internet auf Suche nach Erklärungen gegangen war. Wie die gläubige Muslima, gerade erst acht Monate verheiratet, ihren zum Terroristen mutierten Gatten zu verstehen suchte und dabei selbst rasch Feuer für den 'Heiligen Krieg', den Dschihad', fing.

In einem Forum im Internet wurde sie mit dem Propagandachef der Islamic Jihad Union (IJU), bekannt. Es bedurfte offenbar nicht viel, Filiz Gelowic zu radikalisieren. Ahmet M., der ihren Mann Fritz Gelowicz kannte, räumte ihr als Gattin des verurteilten Ulmer 'Topp-Terroristen' rasch besondere Privilegien ein. Innerhalb eines knappen Jahres brachte die Angeklagte bald täglich zwei bis drei extremistische Beiträge auf Internet-Foren ein. Insgesamt sollen es 1.000 gewesen sein. Daneben auch Videos der Deutschen Taliban Mudschahedin (DTM), der IJU, der ihr Mann zuvor angehörte, sowie in einem Fall auch Al Qaidas. Die Geldbeiträge, die Gelowicz selbst für die IJU und die DTM spendete oder sammelte, wurden nicht nur für humanistische Zwecke verwendet. Und, so die Anklage, dies soll Filiz Gelowicz auch sehr wohl bewusst gewesen sein. Mit den Taliban kämpfen IJU und DTM, die sich hauptsächlich mit Geldern aus Saudi Arabien sowie Spenden aus der Türkei finanzierten, gegen die 'westliche Besatzung' Afghanistans'.

Die Anklage ließ keinen Zweifel an der Gefährlichkeit der durch die Angeklagte unterstützten IJU und DTM. Hatte der Sachverständige Zeuge Dr. Guido Steinberg mit einem eigenen Kriterienkatalog die Eigenständigkeit dieser europäischen Terrorgruppen mit seinem Gutachten in Zweifel gezogen, erklärte Bundesanwalt Volker Brinkmann: "Das sind überspannte Anforderungen." Darüber hinaus würde von niemand (mehr), außer dem mitangeklagten Alican Tufan, die IJU als Kind des usbekischen Geheimdienstes bezeichnen. Brinkmann: "Und das wird auch nicht von der Angeklagten Gelowicz geltend gemacht." Auch der Verfassungsschutz hätte diesbezüglich bereits seine Einschätzung dieser terroristischen Gruppe korrigiert.

Sechs Fälle der Unterstützung terroristischer Vereinigungen wirft die Anklage Frau Gelowicz vor. Mit Äußerungen wie "sieh dir die dreckigen Kuffa* (Ungläubigen*) an" ihre Auslöschung fordernd sowie "gebt den Weg frei, um Frauen in den Krieg ziehen zu lassen", habe sich Gelowicz u.a. überzeugt als Multiplikatorin in den Dienst der IJU und DTM gestellt. Einen Grund für die Annahme eines minder schweren Falles sah die Anklage nicht. Bei einem Strafrahmen von sechs Monaten bis zu fünf Jahren Haft, der Geständigkeit der Angeklagten, die bislang strafrechtlich nicht in Erscheinung trat, beantragte Bundesanwalt Brinkmann eine Freiheitsstrafe von zweieinhalb Jahren sowie die Aufrechterhaltung des Haftbefehls. "Als warnendes Signal für Nachahmer", wegen der bestehenden Fluchtgefahr und der Gefährdung der Angeklagten als Symbolfigur einschlägiger Kreise. Bundesanwalt Brinkmann, der von dem Gesinnungswandel der Angeklagten überzeugt zeigte, erklärte darüber hinaus: "Die Haft hat ihr insoweit gut getan."

Der Bonner Rechtsanwalt Mutlu Günal, neben Rechtsanwalt Birkhoff Rechtsvertreter der Angeklagten, erklärte dem Gericht, weshalb seines Erachtens orthodoxe Islamisten in der Bundesrepublik neuerlich Zulauf genießen. Die gläubigen Muslime fühlten sich, so Günal, nicht zuletzt durch den Bosnienkrieg von den Westeuropäern im Stich gelassen. Durch Kämpfer zweier Brigaden aus Asien, darunter kriegserfahrene Afghanen, sei der Islamismus nach Europa und schließlich in das zur Terroristenschmiede avancierte Multikulturhaus in Neu Ulm gekommen. Die Deutschen, die ihre Beziehungen zu arabischen Ländern an ökonomischen Gesichtspunkten messen, täten gut daran, erklärte Günal, ihr Verhältnis, insbesondere zu Diktaturen einmal zu überdenken.

Auch Rechtsanwalt Hansgeorg Birkhoff wies in seinem Plädoyer in diesem Sinn auf die 'Kolonialpolitik als Endlosschleife' in Bezug auf Afghanistan hin. Dies als Hintergrund für die Motivlage seiner Mandantin, die als Frau des verurteilten Terroristen Fritz Gelowicz "zum Spielball von Interessen geworden sei". Nach der Verhaftung ihres Mannes hätte sich Filiz Geloswicz in einer schwierigen Lage befunden, die sie so erklärte: "Ich stand inmitten von allem und trotzdem allein." In der realen Welt isoliert, soll ihr Engagement für den "Heiligen Krieg" im Internet ihr gestattet haben, "virtuell jemand zu sein". Rechtsanwalt Birkhoff, der auf den glaubhaften Sinneswandel seiner Mandantin hinweist, beantragte eine Bewährungsstrafe und die Aufhebung des Haftbefehls.

Zuletzt war auch Filiz Gelowicz noch mit einer längeren Erklärung zu hören. Sie habe sich nach der Verhaftung ihres Mannes in einem Schockzustand befunden. "Ich habe mich mitreißen lassen", sagt sie. Sie verstehe sich heute selbst nicht mehr. Eigentlich sei sie ein heiterer, fröhlicher Mensch. Gelowicz: "Ich verabscheue Krieg, ich verabscheue Gewalt. Dschihad ist nicht die Lösung."


NJW schreibt:
"Es gibt noch qualifizierte Gerichtsreporter..."
NJW-aktuell - web.report H. 38/2010, S.3




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