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Gerichtsreportagen


Der letzte Zeuge - Strafrechtler vor dem Kadi


von von Barbara Keller

20. Juli 2011. 60. Strafkammer Landgericht Berlin
Es bleibt bei einem Freispruch für Strafverteidiger Detlev Müllerhoff. Dem Berliner Rechtsanwalt war vorgeworfen worden, Teile der mutmaßlichen Beute seines Mandanten Ronald H. vor zehn Jahren ins Trockene gebracht zu haben. Im September vergangenen Jahres verzichtete das Gericht im Einvernehmen mit der Staatsanwaltschaft auf Anhörung der Belastungszeugen und sprach Müllerhoff frei. Dann aber legte die Staatsanwaltschaft doch Berufung ein.


114.273 Euro sollen es insgesamt gewesen sein, die die Staatsanwaltschaft im Dezember 1996 cash im Gepäck des ansonsten mittelosen Kuriers D. fand. Ein Angestellter der Briefkastenfirma Transeurope Ltd., über die Ronald H. seine windigen Geschäfte abwickelte und für die der gerichtsbekannte Peter Sch. (71) als 'Geschäftsführer' den Strohmann gab.

Die Ermittlungsbehörde mutmaßte, das Bargeld rühre aus finsteren Geschäften, eventuell Drogengeschäften, her und legte es erst einmal auf dem Konto der Landesbezirkskasse Kiel auf Eis. Als das Geld im November 1998 die Kasse Flensburg erreichte, war das Geld, so klagt Ronald H. heute, bereits auf 85.739 Euro abgeschmolzen.

Ronald H. behauptet: "Das waren ganz legale Gelder." Erlöse aus einem dubiosen Reimport-Geschäft mit dem Waschmittelkonzentrat EL 20 der Firma Henkel am Kartell vorbei. Letztendlich wäre der Großauftrag, den ihm die Diakoni 1996 erteilte, jedoch geplatzt. Das Waschmittel wurde notverkauft nach Norwegen und der Kurier D. kehrte mit einem Koffer voller Banknoten wieder zurück. Auf dem Hamburger Flughafen klickten die Handschellen. D. hatte noch einen Haftrest offen. Das Geld kam zu seiner Habe und wurde auf einem Konto der Landesbank eingefroren.

Die graue Eminenz

Seit dieser Zeit müht sich die Graue Eminenz der inzwischen wegen Untätigkeit erloschenen Transeurope Ltd., Ronald H., mit wechselndem Engagement um das Geld. Drei Rechtsanwälte setzte er auf die Summe an, die, wie er angibt, auch nicht ihm gehört, sondern zur Auslösung aufgenommener Kredite vorgesehen war. Zu den potentiellen Treuhändern des Vermögens zählte auch Detlev Müllerhoff. Dieser vertrat Ronald H. mindestens 20 Jahren lang.

Das Verhältnis zwischen Rechtsanwalt und Ex-Mandant ist jedoch seit neun Jahren deutlich getrübt. Seit 2002 wirft Ronald H. seinem ehemaligen Rechtsvertreter vor, mit Flensburger Staatsanwaltschaft und Strafkammer gemeinsame Sache gemacht und das Geld unter sich aufgeteilt zu haben. Einem Vergleich habe er nie zugestimmt und erst im Nachhinein von der Freigabe der Hälfte des Geldes erfahren, das sich Rechtsanwalt Müllerhoff "eingesteckt" hätte.

50.000 Euro Erfolgshonorar

Strafverteidiger Müllerhoff, der 50.000 Euro von dem freigegebenen Geld einbehielt, den Rest für Honorare verrechnete und Ronald H. schlappe 2.000 Euro auszahlte, bleibt relativ gelassen: "Als ich für ihn in Flensburg die Halbstrafenregelung raus holte, da hat er mir fast die Füße geküsst." Müllerhoff erklärt, die 50.000 Euro seien mündlich mit seinem jetzt schwierigen Ex-Mandanten vereinbart gewesen, für den Fall er das Flensburger Geld freibekommt.

Das Geld, so behauptet Müllerhoff, liege noch immer auf einem "Quasi-Anderkonto" und sei nie ernstlich gefährdet gewesen. Müllerhoff sagt auch: "Mit einer Zivilklage hätte Ronald H. vielleicht Erfolg gehabt." Aber die sei wegen Verjährung jetzt nicht mehr möglich. Bei einer Zivilklage hätte es darum gehen können, dass eine ordentliche Rechnungslegung durch Müllerhoff offenbar nie erfolgte und eine Verrechnung der Honoraransprüche gegen Ronald H. mit den Geldern der Transeurope Ltd. nicht erfolgen durfte. Denn Ronald H. war juristisch kein Anspruchsberechtigter der Ltd.

Der Strohmann...

Dies aber war formell Peter Sch., der "Direktor" der Transeurope Ltd. Ronald H. lancierte deshalb über seinen Namen im Oktober 2005 eine Anzeige gegen Rechtsanwalt Müllerhoff wegen Untreue, Betrug und Urkundenfälschung. Er hatte jedoch kein Glück. Die Ermittlungen hierzu wurden im Januar 2008 von der Staatsanwaltschaft eingestellt. Begründung: Es konnte nicht geklärt werden, ob der Beklagte Empfangsberechtigter des Geldes gewesen sei, auch über die Verrechnung der Honorarforderung könne sich die öffentliche Klägerin kein Bild erlauben. Nach einem Beschwerdeverfahren bei der Berliner Generalstaatsanwaltschaft kam es im September 2010 zu einem Verfahren mit Freispruch. Ein Prozess ohne Anhörung der Belastungszeugen unter Vorsitz des Richters Leberecht Staupe.

Im September 2010 bat Rechtsanwältin Ria H., die nun selbst ihrem Vater Ronald H. juristisch beistand, den Hauptabteilungsleiter der Staatsanwaltschaft Uwe Liedtke das Urteil noch einmal zu prüfen. Sie sprach auch persönlich kurz vor Ablauf der Einspruchsfrist vor. Darauf kam es zu einem erneuten Berufungsverfahren gegen Strafverteidiger Müllerhoff.

...als letzter Zeuge

"Nee, nee, nee", seufzt der Vorsitzende Richter Harald Jung während der Vernehmung des letzten Zeugen, den ehemaligen Direktor und Strohmann der Transeurope Ltd. Gerade hatte der notorisch vorbestrafte Rentner, Peter Sch., den erstaunlichen Satz herausgebracht: "Ja. Die Anzeige war nicht mein erklärter Wille."

Das auch noch. Peter Sch., der (formale) Kläger in diesem Prozess bekannte, kein Interesse an diesem Verfahren und auch keine Ahnung von seinem Fortgang zu haben. "Seit wann wissen Sie denn, dass gegen Herrn Müllerhoff eine Anzeige läuft", fragt Richter Jung mäßig belustigt. "Sicherlich nach Eröffnung des Verfahrens", mutmaßte Peter Sch., der als Strohmann offenbar noch immer für Ronald H. die Stellung hält.

Von einer Entbindung von der Schweigepflicht, wie von Rechtsanwältin Ria H. behauptet, zeigte sich der Zeuge ebenso wenig unterrichtet, wie über den jetzt von ihm gestellten Adhäsionsantrag. Richter Jung: "Haben Sie sie beauftragt?" Peter Sch. spontan: "Nö." Etwaige diesbezügliche Unterschriften dürfte er wohl blanko unterschrieben haben.

Richter Jung hält dem Zeugen ein Schreiben der Rechtsanwältin Ria H. vor, angeblich in seinem Auftrag entstanden und mit seiner Unterschrift legitimiert: "Er hat mich ausdrücklich von der mir obliegenden Schweigepflicht entbunden." Peter Sch. sprudelt frisch heraus: "Ja, das mag doch richtig sein. Ich kenne das Schreiben doch gar nicht."

Anzeige wider Willen

"Mann, Mann!", entfährt es Richter Jung. Er wendet sich an den Staatsanwalt: "Sie schreiben mit?" Kleinlaut schob der Zeuge dann nach: "Das mit der Anzeige war ja auch okay." Aber die wie auch immer gedachte Wirkung verpuffte bereits im Ansatz.

Dies dürfte den sprichwörtlichen Tropfen auf den heißen Stein gegeben haben, dass - nach der Mittagspause - Staatsanwalt Krüger erklärte: "Die Staatsanwaltschaft nimmt die Berufung zurück." Die Kosten des Berufungsverfahrens bleiben der Landeskasse. Erleichtert verkündet Richter Jung: "Das stellt meinen Glauben in die Staatsanwaltschaft wieder her."

Anders als im ersten Verfahren hatte die 60. Kleine Strafkammer dieses Mal "zum Glück alles richtig gemacht", wie der Vorsitzende Richter erklärte. Es waren die Kläger, Ermittler, die beteiligten Rechtsanwälte und sogar Richter Staupe als Zeugen gehört worden. Doch es fehlte an allem. Die Akten der beteiligten Rechtsanwälte Jan Sch. (45), Flensburg, und Martin L.-A. (52) waren nicht mehr vorhanden. Rechtsanwalt L.-A., der nach zehn Jahren seinen Aktenbestand gesäubert hatte, erklärte ironisch: "Die Gnade der späten Geburt." Auch die Erinnerung der Zeugen ließ zu wünschen übrig. Jan Sch.: "Meine Erinnerungen sind partiell getrübt."

Man müsste...

Das Verfahren wird nun ein Nachspiel für Ronald und Rechtsanwältin Ria H. haben. Rechtsanwalt Müllerhoff will beide wegen Beleidigung und falscher Verdächtigung verklagen. Ronald H. hatte während seiner Zeugenaussage den Angeklagten Müllerhoff mit "schwanzgesteuerter Kokainkonsument" und mit der Aussage, er habe als Anwalt Kokain in die JVA Tegel gebracht, verunglimpft. Müllerhoff geht davon aus, dass die Staatsanwaltschaft gegen Rechtsanwältin Ria H. ein Verfahren wegen Falschaussage, wegen differierender Aussagen im ersten Prozess, anstrengt. "Aus meiner Sicht müsste man alle Drei verklagen", sagt er. Und meint damit auch den letzten Zeugen, den Rentner-'Direktor' Peter Sch.



NJW schreibt:
"Es gibt noch qualifizierte Gerichtsreporter..."
NJW-aktuell - web.report H. 38/2010, S.3




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