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Gerichtsreportagen


Meine Herren, aus dem Alter sind Sie raus!


von von Barbara Keller

31.01.2012, Amtsgericht Tiergarten
Mittwoch Nacht, der 16. Mai 2011. Große Präsidentenstraße am Hackeschen Markt. Andreas St. (47) ist Straßenbahnfahrer. Diese Nacht fährt er die M5, Hohenschönhausen – Hackescher Markt. 12 Kilometer, 27 Stationen, eine Stunde Fahrzeit. Es ist ein bisschen kälter als die Tage zuvor und es nieselt gelegentlich. Trotzdem tummelt sich das übliche Laufpublikum am Bordstein der Lüste. Andreas St. ist gegen 23:00 gerade dabei, die Schilder der Tram zu wechseln, als plötzlich jemand an die Fahrerkabine klopft. Zeitnah fliegt ein Pflasterstein an das Fenster. Es klirrt, die Scheiben bersten. Der BVG-Fahrer sieht drei, vier dunkle Gestalten davonrennen.

Als Andreas St. verstört die Zentrale informiert, sind die Streifenwagen der Polizei längst ausgerückt. Auch in der Diercksenstraße flogen eine Viertel Stunde zuvor Straßensteine. Es hat Scherben an einem Mode- und einem Weingeschäft gegeben. Nachbarn riefen die Polizei.

Wenig später fahren Beamte die Oranienburger Straße ab. Sie sehen drei vermummte Gestalten einen niederländischen Touristenbus attackieren. Eine Sektflasche fliegt gegen das Fahrzeug. Scheiben klirren. Einer der Männer hält ein Kantholz in der rechten Hand. Auf "Halt, Polizei!" stieben die drei Randalierer auseinander. Zwei Täter können sofort dingfest gemacht werden. Der Dritte, der nebst einem Radfahrer der Einzige ist, der sich im Monbijoupark aufhält, wird auf einen Hinweis kurz darauf gestellt.

Ein halbes Jahr später sitzen die Drei trotzig schweigend vor dem Amtsrichter. Drei kräftige Männer im Alter zwischen 22 und 24 Jahren. Sie sind ohne anwaltliche Vertretung erschienen. Hannes W. (24), Altenpfleger, wohnt im Prenzlauer Berg. Tillmann H., ebenfalls Berliner, ist Azubi. Er wohnt im Eigenheim seiner Eltern. "Ich lebe von einer Reserve", sagt er. Ihm hat man, so erklärt er vorwurfsvoll, den Antrag auf Bafög abgelehnt. Christoph K. (22) ist Hamburger. Er arbeitet in einem Biomarkt. "Ich mache die Bestellungen für Brot und Käse."

"Meine Herren", fragt die Vorsitzende Richterin, "Sie haben gehört, was Ihnen vorgeworfen wird. Wollen Sie sich äußern?" "Nein", kommt es wie aus einem Munde. Dann die Belastungszeugen. Zuerst sagt Andreas St., der Straßenbahnfahrer aus. Er will Hannes W. als denjenigen ausgemacht haben, der gegen die Fensterscheibe pochte. "Sind Sie wirklich sicher, dass ich das war?" fragt Hannes W. provokant. Der Altenpfleger hatte gegenüber der Polizei ausgesagt, im Theater gewesen zu sein. Doch der Zeuge ist sich sicher. Er antwortet schlank mit einem knappen: "Ja." Dann folgen die Zeugenaussagen zweier Polizeibeamter, die die Angeklagten in Aktion sahen.

Die drei Randalierer von der Oranienburger Straße, die ganz sicher nicht im Theater waren und den Abend bestenfalls an der Strandbar an der Spree begannen, sind überführt. Überführt der gemeinschaftlichen Attacke auf die Straßenbahn und den Touristenbus mit einem Gesamtschaden von 4.709,43 Euro. Davon ist der Staatsanwalt überzeugt. Der Vorwurf der Sachbeschädigungen an den Geschäften in der Diercksenstraße entfällt jedoch wegen Mangel an Beweisen.

Wegen gemeinschaftlich begangener Sachbeschädigung in zwei Fällen verurteilt die Richterin die drei Angeklagten, die übrigens kein Wort des Bedauerns über ihre Tat verlieren, zu Geldstrafen von 2.250 €, 4.500 € und 4.800 €, also insgesamt 11.550 €.

Es ist für die beiden Berliner Angeklagten die erste Verurteilung nach Erwachsenenstrafrecht. Einschlägige Eintragungen liegen gegen den Altenpfleger Hannes W. und den Azubi Tillmann H. bereits vor. Über die Motivation der drei Randalierer, die in der Tatnacht nur unerheblich alkoholisiert waren, darf gerätselt werden.

"Sie haben auch nichts davon", stellt die Richterin, die die Tat 'nicht nachvollziehbar' findet, in ihrer Urteilsbegründung in den Raum. "Aus dem Alter, einfach Frust abzulassen, sind Sie raus." - In einer Verhandlungspause auf dem Flur nach dem Grund der Zerstörungslust befragt, bot einer der angeklagten jungen Männer bockig 'Sozialneid' als Erklärungsgrund an.





NJW schreibt:
"Es gibt noch qualifizierte Gerichtsreporter..."
NJW-aktuell - web.report H. 38/2010, S.3




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