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Gerichtsreportagen


Situation eines Ratlosen - Vater tötet Sohn


von von Barbara Keller

25.04.2011, 22. Große Strafkammer
"Am Ende stand das Gespräch still", erklärt der psychiatrische Sachverständige Alexander Böhle. Er ist der letzte Zeuge in dem Prozess gegen Birk D., der im April vergangenen Jahres seinen 12-jährigen Sohn mit dem Hammer erschlug. (berlinkriminell.de berichtete) Vier Gespräche, insgesamt sieben Stunden widmete der Gutachter dem Angeklagten.

Einen Zugang fand er zu dem gehemmten 34-Jährigen jedoch nur schwer. Der Sachverständige hatte den Angeklagten auf Steuerungs- und Einsichtsfähigkeit zu untersuchen. Hinweise auf eine Geisteskrankheit, hirnorganische Schädigung oder eine schwere Persönlichkeitsstörung fand Dr. Böhle nicht. Birk D. sei, so der Sachverständige, mit einem IQ von 90 als durchschnittlich einzustufen.

Vielmehr erkläre eine fatale charakterliche Neigung und die enge Bindung an seine Mutter bei einem tätlichen Vater am ehesten die dissoziale Entwicklung des schüchternen, schamhaften Birk D. Auf Druck, so der Sachverständige, habe Birk D. sich in sein Schneckenhäuschen zurückgezogen. Birk D. sei 'aggressiv gehemmt', extrem narzistisch, sein ständiges Gerede von Suizid-Absichten ein bequemes Erklärungs-Design.

Am heutigen Prozesstag war Birk D. erstmals auch selbst zu hören. Er beantwortete Fragen der Prozessbeteiligten, lehnte jedoch Fragen der Nebenklage ab. Als Birk D. sich in den Zeugenstand begab, atmete Sabine T., die Mutter des getöteten Julien, hörbar ein. Wer jedoch geglaubt hatte, Aufschluss über die Motivation des Angeklagten und seine Tat zu erhalten, wurde enttäuscht.

Birk D., der offenbar Mühe hat, Menschen in die Augen zu sehen, wich dem Blick des Vorsitzenden Richters aus und blieb bei seiner chronischen Bodenbetrachtung. Er sprach selten in ganzen Sätzen und gab nur dürre Erklärungen ab. Seinen Zustand zum Zeitpunkt der Tat beschreibt Birk D. so: "Ohne Lebensfreude, depressiv, traurig." "Ich wollte nicht mehr leben", sagt er. Er wollte nicht, dass seine Kinder so werden wie er. Birk D. will gesehen haben, dass 'sie es nicht gut haben'. Dass 'sie unzufrieden sind'.

Dann fragt Richter Peter Faust den Angeklagten: "Die Tötung Ihres Jungen war ja keine kurze Handlung, sondern ein länger dauernder, gewalttätiger Akt. Können Sie uns sagen, was Sie da empfunden haben?" Im Saal scheint die Zeit still zu stehen, wie gebannt schaut Sabine T. auf ihren ehemaligen Lebensgefährten. Jetzt wäre der Moment, wenigstens annähernd zu begreifen, was den Angeklagten zu der unglaublichen Tat trieb. Aber Birk D. rührt sich nicht, blickt weiter auf eine Stelle links von sich auf dem Linoleum, malt mit den Backenzähnen, schluckt schwer und haucht schließlich: "Nee."

Birk D. überlässt den Prozessbeteiligten ihren Mutmaßungen und Spekulationen. Denkbar ist vieles. Eine Affekttat hat er mit seinen Aussagen selbst ausgeschlossen. Birk D. sagte auch, dass er sein Verhältnis zu seinen Kindern in Gefahr sah. Der Angeklagte: "Ich habe nicht mehr so viel gelacht, habe nicht mehr so viel Witze gemacht. " Hatte Birk D. Angst, seine Kinder zu verlieren? Wollte er seiner ehemaligen Partnerin und ihrem neuen Mann das schöne Familienleben nicht gönnen? War er neidisch? Wer weiß.

Am 30. April 2012, 11:30 (Saal 621), werden - die Beweisaufnahme ist bereits geschlossen - die Plädoyers gehalten und das Urteil erwartet.





NJW schreibt:
"Es gibt noch qualifizierte Gerichtsreporter..."
NJW-aktuell - web.report H. 38/2010, S.3




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