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Gerichtsreportagen


"Er hat so viele Menschen umgebracht..."


von Barbara Keller

29. gr. Strafkammer , 25.06.2012
Im Prozess gegen den mutmaßlichen Mörder des im November 2008 auf der Fischerinsel, Berlin Mitte, getöteten Friedhelm Sodenkamp beginnen sich die Prämissen zu verschieben. An den beiden voraufgegangenen Prozesstagen sagten die damalige Geliebte des Angeklagten, Claudia K. (31), sowie sein Kompagnon, Recai C. (47), aus. Claudia K. war in Kenntnis der Tatsachen 14 Tage nach dem Verbrechen mit dem Flüchtenden nach Indien gereist. Recai C. hatte im Auftrag des Angeklagten dessen Auftraggeber erpressen sollen, ging dann aber zur Polizei. Nach Aussage von Claudia K. hatte der Angeklagte selbst ein starkes Motiv, Friedhelm Sodenkamp zu töten.
Bericht zum Prozessauftakt vom 11. Juni 2012
Prozess zum Verfahren aus 2009/10

Für reines Wunschdenken hatte die Staatsanwaltschaft im ersten Verfahren 2009/2010 die Vorstellung der Verteidigung des Benjamin Lu. (34) Zeugingehalten, der mutmaßliche Mörder Adam M. (44) hätte selbst ein starkes Interesse an der Tötung des Friedhelm Sodenkamp gehabt. Diesbezügliche Beweisanträge wurden von der damaligen Strafkammer abgewiesen. Benjamin Lu., der jetzt bereits das vierte Jahr seiner abzusitzenden 15 Jahre 'lebenslänglich' verbüßt, hatte immer wieder seine Unschuld dahingehend beteuert, er habe den Sodenkamp lediglich 'krankenhausreif' schlagen lassen wollen, davon jedoch ein halbes Jahr vor dem Mord Abstand genommen.

Heute klingt der Vortrag der Verteidigung des Benjamin Lu. gar nicht mehr so fremd. Wenn Sodenkamp, wie die Zeugin Claudia K. am 25. Juni 2012 aussagte, Adam M. um 2 Mio. Euro betrog. Zumal der Angeklagte durch diesen 'Betrug' die Abfindung der Fremdenlegion eingebüßt haben soll. Adam M. sagte der Zeugin im November 2008 wenige Tage nach der Tat, dass Sodenkamp 'kein guter Mensch' sei, dass 'er Leuten geschadet hat'.

Die kleine, zierliche, polnisch gebürtige Zeugin wirkt während ihrer Aussage am vorletzten Verhandlungstag seltsam gelassen, entspannt, ja, gelegentlich sogar amüsiert. Sie ist ohne anwaltliche Unterstützung erschienen und beginnt, unter den Augen des wenige Meter neben ihr sitzenden Angeklagten, mit der Aussage: "Er hat mir erzählt, dass er jemanden umgebracht hat."

Dann berichtet sie über ihre Wochenendbeziehung zu dem Angeklagten zwischen Mai und Ende September 2008. Wie sie nach der Trennung von ihrem langjährigen Partner zwischen Stuttgart und Berlin pendelte. Wie sie bei Adam M., mit dem sie bereits 2003/2004 17jährig eine kurze Beziehung verband, an den Wochenenden aufschlug.

"Diese Sachen sind fremd für mich", distanziert sich Claudia K., die sich als Esoterikerin vorstellt, von dem Mord. Sie habe Adam M. auf 'ihre Art geliebt'. Doch sie betont: "Wir hatten keine gemeinsame Zukunft. Wir waren zu unterschiedlich." Dennoch beschließt sie im November 2008, mit ihm zusammen nach Indien zu gehen 'bis Gras über die Sache gewachsen ist'. Sie kümmert sich bei Bordellbetreiber Recai C. um einen gefälschten Reisepass und bringt ihm Adam M.s Passbilder.

Eine moralische Bewertung der Tat lässt die junge Frau, die nur die guten Seiten von Adam M. gekannt haben will, aus. Er wird seine Gründe gehabt haben. Sie vertraut ihm. Und als der heute Angeklagte zu ihr sagt, "Hier ist das Geld. Komm, lass uns fliegen", sei Claudia K. schnell überzeugt gewesen. Denn: "Es war bereits kalt in Deutschland."

Adam M. überweist die 5.000 Euro, die er über Bordellbetreiber Recai C. von seinem Auftraggeber, Bauleiter Vito Le. erpresst hat, auf das Konto von Claudia K. Für 1.000 Euro kauft er sich bei Saturn einen Laptop, 1.000 Euro gehen für die Flugtickets drauf. "Die 5.000 Euro sollen eine Anzahlung gewesen sein. Es sollte aber noch mehr kommen", sagt Claudia K.

Das Ziel ihrer Reise ist nicht die Blumeninsel Martinique, wie von Adam M. zunächst avisiert. Dort war der Ex-Söldner einst stationiert. Es wird indisch Goa, wo Claudia K. und Adam M. zuletzt seit Februar 2009 bei den Deutschen Christof B. und Heinz K. wohnen. Adam M. gibt sich einem ausschweifenden Lebensstil hin und erfreut sich nach Aussage des Christof B. der Gesellschaft von Russen zweifelhaften Couleurs.

Die inzwischen mehr oder weniger unfreiwillig aus dem Leben geschiedenen Gastgeber kommen dem blutigen Gewerbe des gesprächigen Adam M. auf die Schliche. Sie wenden sich an Interpol. Claudia K. wird während ihrer Aussage am 25. Juni 2012 nachdenklich: "Ach, der Heinz ist auch tot? Hm."

Während ihres Indienaufenthaltes nutzt Claudia K. den Laptop des Angeklagten zu Chats mit einer Berliner Bekannten. Es ist die Ex-Freundin ihres eigenen Ex-Freundes. Ihr gegenüber lässt sie sich über Adam M. in den protokollierten und von der Festplatte wiederhergestellten Chats aus: Adam M. sei mit 15 Jahren von seiner Mutter in eine Armeeschule gesteckt worden. "Er hat so viele Menschen umgebracht. Er ist so voller Hass und Wut auf die Menschen. In mir sieht er ein Medium in eine andere Welt", erklärt sie der Freundin.

Claudia K. hat, so sagt sie aus, auch die Waffen in der Wilmersdorfer Wohnung des Adam M. gesehen. Eine Armbrust und 'eine schwarze Kanone'. Er soll den Besitz der Waffen damit begründet haben, dass er sich 'damit Respekt auf der Arbeit verschaffen' wolle. Zur Tatwaffe konnte sie beitragen: "Er hat mir gesagt, dass er sie entsorgt hat."

Der Angeklagte, Adam M., verfolgte den Vortrag der Zeugin mit vorgehaltenem Taschentuch. Als wollte er sich übergeben. Bisweilen sieht es aus, als kämpfe er mit den Tränen. Wie erschlagen lehnt Adam M. mitunter, das Taschentuch vor dem Mund, an der Wand. Obwohl der deutschen Sprache mächtig, lässt er sich von seinem Dolmetscher jede Verständnislücke erläutern.

Als es jedoch um die bewusste Abfindung der Fremdenlegion geht, um eine Reise nach Luxemburg, einen Besuch bei einem Notar sowie um weitere Legionärs-Freunde, die Abfindungen zu erwarten hatten und Claudia K. passt, wird Adam M. ungeduldig. Sie bräuchte wohl mal ein bisschen Öl ins Gehirn, poltert er auf Polnisch herum. Durch seine Verteidigerin lässt er lauernd fragen, ob die Ermittler über eine Belohnung mit ihr gesprochen hätten. Claudia K. erwiderte darauf fast pikiert: "Ich?! Natürlich nicht!" Stattdessen erklärte sie: "Ich habe alles gesagt. Wenn ich etwas falsch gemacht habe, stehe ich dafür gerade."

Nachdem noch einmal Ex-Bordellbetreibetreiber Recai C., jetzt Pensionär in der Türkei, seine belastende Aussage wiederholt hat und die Aussagen der Ehefrau des Angeklagten ('Meduza') vor dem Vernehmungsrichter referiert sind, werden am Mittwoch (4. Juli '12) noch einmal sehr interessante Zeugenaussagen erwartet. Zum einen die von Vito Le., einer der beiden bereits rechtskräftig verurteilten Auftraggeber des Mordes. Vito Le. ist derjenige, der tatsächlich mit Adam M.zumindest über eine derbe Körperverletzung an Sodenkamp, verhandelte. Zum anderen Mehmed T., ehemaliger Bordellbetreiber, Chauffeur des Adam M.



NJW schreibt:
"Es gibt noch qualifizierte Gerichtsreporter..."
NJW-aktuell - web.report H. 38/2010, S.3




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