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Gerichtsreportagen


Da flog die Futtertonne


von Barbara Keller

Amtsgericht Tiergarten, Abt. 253, 25.10.2013
Einem angehenden Koch wird im Oktober 2012 in einer Zoohandlung in Schmargendorf der Kauf von 12 Ratten verwehrt. Er verliert die Contenance. - Zwölf Monate später am Amtsgericht Tiergarten...

Der junge Mann, der im Mai vergangenen Jahres in Spandau einem vor ihm an der Ampel stehenden, völlig fremden Passanten ein Messer ins Gesäß rammte, ist heute nicht am Amtsgericht erschienen. Dieses seltsame Verhalten bleibt für heute unerklärt. Gegen den 23-Jährigen ergeht ein Haftbefehl. Von dem Opfer erfahren wir erleichtert, dass ein Messerstich in den Po weniger schmerzhaft als vielleicht vorgestellt ist. Es sagt: "Im Rettungswagen haben wir darüber ziemlich gelacht."

In der 3. Etage des Amtsgerichts Tiergarten tummeln sich um die späte Vormittagszeit lediglich vor dem Saal 370 noch Angeklagte und Zeugen. Die ersten Verfahren des Tages haben sich um über eine Stunde verzögert. Neben einem erstaunlich dicken Herren Ende 40 lümmelt cool ein Schwarzer. Schulterlange Dreadlocks, langer, grüner Parka mit Fellbesatz, schwarze Wildlederschuhe. Während der dicke Mann mit der durchdringenden Duftmarke ein in seinen Händen klitzeklein wirkendes Handy bearbeitet, erwartet sein Sitznachbar, den Porkpie * tief ins Gesicht gezogen, den Aufruf seiner Sache.

Quido S. ist Koch-Azubi. 2003 kam er 13-jährig mit seiner Mutter aus Jamaika nach Berlin. Er hat die jamaikanische Staatsbürgerschaft. Quido S. ist ohne Anwalt erschienen und sich sicher, dass der gegen ihn ergangene Strafbefehl, eine sechsmonatige Bewährungsstrafe wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung, jeder Grundlage entbehrt. Der freundliche Hinweis der Richterin vorab, dass alternativ zu dem Strafbefehl nur ein Freispruch oder ein Urteil mit Nachschlag in Frage kommen, prallt an ihm ab. Er will seinen Widerspruch gegen den Strafbefehl nicht zurückziehen.

Der Vorwurf der Anklage klingt skurril. Quido S., so heißt es, soll im Oktober des vergangenen Jahres in einer Filiale von 'Lucas Tierwelt' in Schmargendorf gezielt einen Futtereimer nach dem Vizemarktleiter geworfen haben aus Wut darüber, dass man ihm keine Ratten verkaufte.

Der Angeklagte hat das Wort. Quido S. führt aus, dass er an besagtem Tag für einen Film seiner Schwester zwölf Ratten besorgen wollte. Die Tiere wurden lediglich für einen Tag benötigt. Quido S. fragte daher die Mitarbeiterin der Zoohandlung, ob er die Nager nach einem Tag wieder zurückbringen könne. Außerdem hoffte er, die Rechnung als 'Requisite' laufen lassen zu können.

Die Verkäuferin war jedoch überfordert mit dem Ansinnen des Kunden. Eine weitere Mitarbeiterin musste ran. Die wollte jedoch die Ratten nicht an den inzwischen verstimmten Käufer abgeben. Sie monierte die nicht gegebene artgerechte Haltung der Tiere und wollte Quido S. einen passenden Käfig verkaufen. Ein lautstarker Disput über den nicht in Fluss kommenden Verkauf rief den Vizemarktleiter auf den Plan. Der platzierte sich schützend vor seine Angestellte: "Wenn Sie mit so einem Auftreten zu Porsche gehen würden, würde man Ihnen auch keinen Porsche verkaufen!" Quido S., der diese Bemerkung auf sein Äußeres bezog, sagt: "Da geriet ich in Rage." Der Angeklagte gesteht, einen Papiereimer mit dem Fuß 'gekickt' zu haben: "Da flog der Eimer um, bam!"

In der Welt von Jörg S. (57) und Nadine S. (19), dem Filialvize und einer Mitarbeiterin, stellt sich das Verkaufsgespräch und der Eklat etwas anders dar. Danach ging Quido S. aus dem Anzug, als Jörg S. die Polizei rief. In diesem Moment soll der Angeklagte die Futtertonne (ca. 70 cm hoch, 50 cm Durchmesser, evtl. 17 kg schwer) nach dem Zeugen geschleudert haben. Der Zeuge, der dem Wurf ausweichen konnte, erklärt: "Die Tonne flog gegen die Glastür. Die bekam einen massiven Sprung."

Nach dieser Aussage des Geschädigten seufzt der Kläger resigniert: "Es wird nicht besser." Richterin und Staatsanwalt meinen es gut. Sie legen dem Angeklagten nah, den Widerspruch gegen den Strafbefehl zurückzunehmen. Doch Quido S., der übrigens einschlägig vorbelastet ist, versteht den Wink mit dem Zaunpfahl leider nicht.

"Ganz gezielt warfen Sie die Futtertonne", hält in seinem Plädoyer schließlich der Staatsanwalt dem Angeklagten vor. "Sie haben Probleme, Ihre Emotionen in der Raison zu halten." Angesichts eines möglichen Schadens und weil sich der Angeklagte offensichtlich nicht mit seiner Tat auseinandersetzt, fordert der Kläger nun eine Bewährungsstrafe von acht Monaten mit der Auflage, innerhalb von einem Jahr 500 Euro in die Justizkasse zu zahlen.

"Auf jeden Fall habe ich die Tonne nicht gezielt geworfen", lenkt der Angeklagte in seinem letzten Wort zu spät ein. "Ich war in Rage", versickert kleinlaut seine Erklärung.

Das Gericht folgt in seinem Urteil der Staatsanwaltschaft. Es gibt einen Nachschlag für die versuchte gefährliche Körperverletzung. Die Richterin argumentiert: "Kein Zweifel. Sie sind relativ grundlos in Rage geraten." Quido S., dem das Wort nicht gehört, der aber wiederholt zu Entgegnungen ansetzt, kommentiert kraftlos: "Ach so."

"Der Angeklagte soll merken, dass es nicht richtig ist, was er getan hat", begründet die Richterin das Urteil. Sie rät Quido S., die 500 Euro fristgerecht zu zahlen.

Als der angehende Koch den Gerichtssaal verlässt, halten ihn schon wieder ganz andere Probleme in Atem. Der Akku seines iPhones ist runter. Er sucht einen Anschluss für sein Ladegerät. Aber die Dose auf dem Gerichtsflur führt bedauerlicher Weise keinen Strom.



NJW schreibt:
"Es gibt noch qualifizierte Gerichtsreporter..."
NJW-aktuell - web.report H. 38/2010, S.3




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