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Gerichtsreportagen


"Wenn ich sterbe..."

Opfer hält Chaker-Clan für Drahtzieher der Messerattacke

von C. Rockenschuh

21.03.2014, 30. Strafkammer, Saal B129
Im Verfahren gegen die drei Männer, die im März vergangenen Jahres im Café 48 (Moabit) einen Mann attackiert und niedergestochen haben sollen, sagte am Donnerstag, dem 21. März 2014, Hauptbelastungszeuge Khalil Y. aus. Der 41-Jährige ist das geschädigte Opfer und in diesem Verfahren auch Nebenkläger. Die Aussage fand auf dessen Antrag im Rahmen einer Videokonferenz statt. Ein Sachverständiger hatte dem Zeugen eine posttraumatische Belastungsstörung infolge des Messerangriffs bescheinigt. Im Wesentlichen ging es am Donnerstag um die Schilderung der Tat vom 16. März 2013, um die physischen und psychischen Folgen für Khalil Y. und die Hintergründe des Messerangriffs...
Erster Prozesstag (6.1.2014) und weitere Beiträge zum Verfahren.

Die Hauptverhandlung ist eröffnet. Rechtsanwältin Barbara Petersen eilt aus dem Sitzungssaal zu ihrem Mandanten. Wenige Augenblicke später ertönen die Die Zeugenaussage des Opfers wurde per Videokonferenz übertragenWähltöne der Software. Ein Ausschnitt des Raums, in dem sich der Zeuge aufhält und der eine Etage höher vermutet werden darf, erscheint auf dem Monitor. In der unteren rechten Ecke des Bildschirms ist, wie bei einem Gespräch per Skype, der Gesprächspartner, die Strafkammer, eingeblendet.

Die Übertragungsqualität ist ausreichend. Nervös sitzt Khalil Y. an einem blanken Tisch. Rechts neben ihm eine Dolmetscherin, links Verteidigerin Barbara Petersen, die eifrig in ihren Laptop tippt. Khalil Y. sieht blass in die Kamera. Er hat Augenringe. Die Frequenz seines Lidschlags ist leicht erhöht. Die Befragung des Zeugen beginnt.

Der 41-Jährige, der angibt, von Beruf Taucher zu sein, war zum Zeitpunkt der Tat Asylbewerber und als solcher der Stadt Aue in Sachsen zugeteilt. Acht Personen auf einem Zimmer, keine Arbeitserlaubnis, keine Bekannten, keine Verwandten. "Ganz ehrlich", sagt Khalil Y., "da konnte ich nicht leben. Deshalb wohnte Khalil Y. im März 2013 bereits seit circa zwei Jahren in Berlin. Die meiste Zeit verbrachte er im Café 48 in Moabit. Dort spielte er in der Regel mit drei Freunden Karten. So berichtet er.

Doch Khalil Y. ist kein unbeschriebenes Blatt. Nach eigenen Aussagen will er 2010 mit einem Mitglied des berüchtigten Abu-Chaker-Clans über ein Drogengeschäft in Streit geraten sein. Khalil Y. nahm physischen Schaden. In dem darauf folgenden Prozess gegen seinen Kontrahenten erwähnte er erst spät den eskalierten Drogendeal und wurde wegen uneidlicher Falschaussage angeklagt. Ali Abou-Chaker, sein Widersacher, erhielt eine Haftstrafe. Dies soll nach Ansicht des Zeugen und auch der Staatsanwaltschaft Hintergrund der angeklagten Straftat sein.

Khalil Y. schildert in aller Knappheit den Überfall vom 16. März 2013, dessen Ablauf Dank BILD der Allgemeinheit bereits vor dem Prozess zugänglich war. Es ist der Abend des Tages, an dem er sein Berufungsverfahren wegen der Falschaussage hatte und rehabilitiert wurde.

Khalil Y. spielte mit drei Freunden seit rund einer halben Stunde Karten, als die 'Verbrecher', wie er sagt, hereinkamen. "Ist es der oder der andere", hört er fragen, bezieht die Frage aber nicht auf sich. Dann spürt Khalil Y. den ersten Messerstich. Tumult, er hält einen Stuhl zwischen sich und den Angreifer mit dem Messer. Er versucht zu flüchten, wird gestoßen und zertrümmert sich die Nase am Türrahmen. Am Boden liegend erhält Khalil Y. weitere zwölf Stiche in den linken Oberschenkel. Der Zeuge sagt: "Ich hatte unermessliche Schmerzen. Das Blut floss aus mir heraus wie aus einem Hahn."

Khalil Y. fürchtete zu sterben. "Wenn ich sterbe, sollst du der Polizei sagen, dass hinter allem Nasser Abu Chaker und Amar I. stecken", will Khalil Y. einem Zeugen mitgeteilt haben. Die, wie er meint, gedungenen Angreifer aber kennt Khalil Y. nicht. "Ich kann mich nicht mehr erinnern", beteuert er.

Khalil Y. berichtet von seinen Verletzungen, den Operationen, den anhaltenden Schmerzen, den vielen Medikamenten und der Taubheit in seinem Bein. Vor allem aber betont er seine Angst vor der Rache der Chakers, die auch Ursache seiner quälenden Schlaflosigkeit sei. Bereits im Krankenhaus habe er sich künstlich wach gehalten aus Furcht, dass 'Nasser jemanden ins Klinikum schickt'.

Als Rechtsanwalt Hansgeorg Birkhof die Gretchenfrage stellt, ist Khalil Y. nach Stunden währender Befragung bereits restlos zermürbt. Nein, er ist in keinem Zeugenschutzprogramm. Auch hat er keinen Antrag auf Zeugenschutz gestellt. Trotzdem will Khalil Y. den Namen eines Zivilbeamten nicht preisgeben.

Rechtsanwalt Birkhof, Verteidiger von Veysel K., dem mutmaßlichen Haupttäter, setzt nach. Hat Khalil Y. vielleicht zu seinem eigenen Vorteil gelogen, als er die Differenz zwischen ihm und Ali Abou Chaker vor den Hintergrund eines Drogengeschäftes stellte? Wollte er, wie er sagte, 'nur seine Ruhe haben'?

Khalil Y., nach Kräften unterstützt von seiner Rechtsanwältin, zieht die Notbremse. "Ich kann mich nicht mehr konzentrieren", ruft er mehrmals zwischen die drängenden Fragen der Verteidiger. Der Vorsitzende Richter Gregor Herb unterbricht die Verhandlung und vertagt die Vernehmung auf den 28. März 2014.

Doch bevor die Verbindung der Videokonferenz unterbrochen wird, verschafft sich Khalil Y. ein letztes Mal Gehör: "Nur zwei Worte. Wenn ich getötet oder entführt werde, sind völlig Nasser und Amar verantwortlich. Ich habe Angst vor einem Hinterhalt!"



NJW schreibt:
"Es gibt noch qualifizierte Gerichtsreporter..."
NJW-aktuell - web.report H. 38/2010, S.3




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