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Gerichtsreportagen


Täuschen, Lügen, Verdecken


von C. Rockenschuh

11.07.2014, 22. Strafkammer, Saal 621
Lange Haftstrafen für die Eltern der im Januar 2012 getöteten Zoe (2) aus Weißensee. Bis zuletzt beteuerten die Angeklagten, den Ernst der Lage nicht erkannt und das nach ihrem Ermessen Notwendige getan zu haben. Das Gericht glaubte den Ausführungen der bislang unbestraften Angeklagten nicht. Es verurteilte Matthieu K. (27) und Melanie St. (27) wegen Mordes durch Unterlassen, gemildert nach § 49 StGB, zu zwölf und acht Jahre Haft.
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Zuletzt, am Ende der Beweisaufnahme, plädierten die Verteidiger beider Angeklagtenauf Freispruch. Sie bezogen sich auf die Aussagen eines Sozialpädagogen,der bei seiner Aussage vor Gericht am 7. Juli 2014 dem angeklagten Paar einen "liebevollen Umgang" mit den Kindern bescheinigt hatte. Matthieu K. und Melanie St. seien "Selbstmelder" gewesen Matthieu K. - zwölf Jahre Haft, die sich mit den drei Kindern überfordert fühlten und sich an seine Behörde wandten. Verdacht hatte der Zeuge nie gehegt.

Dennoch arbeitete der Sozialpädagoge, der sich, wie er sagt, in die kleine Zoe "verguckt" hatte, einen kompakten Hilfeplan für die kleine Familie aus. Darin spielte der Jugendhilfeträger Independet Living eine zentrale Rolle, der seiner Verantwortung möglicherweise so nicht gerecht wurde. Die Staatsanwaltschaft ermittelt noch.

In ihren Plädoyers widersprachen die Verteidiger dem Vorwurf der Anklage, ihre Mandanten hätten aus Verdeckungsabsicht ihr Kind einfach sterbenlassen. Zeugen für die im Prozess vielfach vorgeworfenen Misshandlungen und Übergriffe habe es nicht gegeben. Ihre Mandanten seien sich, so die Rechtsanwälte, vielmehr nicht bewusst gewesen, dass ihr Kind lebensgefährlich verletzt sei. Innerhalb der drei Tage, in denen Zoe sofortiger ärztlicher Hilfe bedurfte, beließen sie das Kind im Bett, gaben das Schmerzmittel Ibohexal, weil sie die Krankheitssymptome für Anzeichen einer harmlosen Darminfektion hielten.

Das Leben zur Hölle gemacht

Am 7. Juli 2014 hatte Staatsanwältin Heike Hagedorn, die sich von dem Fall persönlich sehr betroffen zeigte, für beide Angeklagten eine lebenslange Freiheitsstrafe gefordert. Matthieu K. als auch Melanie St. hätten ihre Umwelt "getäuscht und eingelullt", tatsächlich aber den Kindern Melanie St. - acht Jahre Haft"das Leben zur Hölle" gemacht. Auch Nebenklagevertreter Rechtsanwalt André Preuß reklamierte 40 Verletzungen, die bei der Obduktion der kleinen Zoe, "erst 33 Monate alt", zu Tage getreten waren. Er warf den Angeklagten vor: "Sie haben Ihr Kind leiden lassen und es ist wegen Ihnen gestorben."

Matthieu K. und Melanie St., die dem sich mehr als vier Monate hinziehenden Verfahren konstant mit unbeweglichen Mienen folgten, verlasen beide zum Schluss ein Statement und beteuerten ihre Unschuld. Ihre Tochter soll zuletzt auf ihre Nachfrage geantwortet haben: "Ist alles gut, Mama." "Ich vermisse sie so sehr", erklärte die Angeklagte Melanie St. Sie habe nicht gewollt, dass ihr Kind stirbt. Melanie St. gestand ein: "Ich weiß, dass ich Fehler gemacht habe. Ich bereue sie sehr."

Matthieu K. trug vor, er habe die kleine Familie "retten" und den Kindern "den Vater ersetzen" wollen. Er hätte jedoch selbst einen Einzelfallhelfer gebraucht. Der Angeklagte beteuerte: "Ich bin kein brutaler Schläger." Zu Melanie St. gewandt verlas er: "Du bist meine große Liebe, aber auch meine Enttäuschung."

"Frau St. lügt"

Am 11. Juli 2014, vier Tage nach dem Vortrag der Plädoyers, verkündete die 22. Strafkammer unter Vorsitz von Richter Peter Faust das Urteil. Eine Freiheitsstrafe von zwölf Jahren für Matthieu K. , acht Jahre für Melanie St. wegen Mordes durch Unterlassen. Es gab juristisch gesehen, nicht viele harte Fakten gegen die Angeklagten vorzubringen. Da waren die zahlreichen Verletzungen, auch älteren Datums, die bei der erst zwei Jahre alten Zoe posthum festgestellt wurden. Der gebrochene Arm des Zwillingsbruders.

Es gab viele Hinweise und Vermutungen von Bekannten und Verwandten im Nachhinein. Die Aussage eines Mitbewohners, der sich wegen der angeblich regelmäßigen Übergriffe auf die kleine Zoe mit dokumentierenden Fotos sogar an die Polizei gewandt haben will, tatsächlich aber bei RTL2 vorstellig wurde, darf mit Vorsicht zu genießen sein. Die Videoaufzeichnung zweier Geschwister des Mädchens Zoe (drei und sechs Jahre alt), in denen sie erklärten, geschlagen worden zu sein, wurde als Beweis nicht eingeführt. "Alles wegen dir!", soll Melanie St. ihrem Freund in der Unglücksnacht im Zwist vorgeworfen haben.

"Frau St. lügt", heißt es in der Urteilsbegründung, die Richter Peter Faust am 11. Juli 2014 vorträgt. Sie habe schon immer Menschen belogen. Der Version des Angeklagten Matthieu K., wie die Verletzungen der Kinder entstanden sein sollen, "glauben wir nicht". Tatsächlich sei Zoe, wie durch Melanie St. selbst ausgesagt, am 28. Januar 2012 im Bad durch ihren Freund geschlagen worden. Dies sei die ursächliche Verletzung, die den späteren Tod der Zweijährigen begründete.

"Unbeholfen, blödsinnig, abartig"

Dass das kein Darminfekt war, hätte nach Aussage einer Sachverständigen, der sich die Kammer anschließt, jeder sehen müssen. "Ein Anruf bei der Feuerwehr und das Problem hätte so eventuell nicht mehr bestanden", erklärt Richter Faust. Stattdessen suchte der Angeklagte Matthieu K. "unbeholfen, blödsinnig" die Not des Kindes zu lindern, indem er ihm eine Rotlichtlampe aufstellt. Auch Ibuprofen sei verabreicht worden. "Abartig" nannte der Vorsitzende Richter, das Ansinnen des Angeklagten, das "moribunde Kind" kurze Zeit vor seinem Tod zu fotografieren. Um es aufzuheitern, Zoe hätte es so gewollt, laut Matthieu K.

Zu acht Jahren Freiheitststrafe wegen Mordes durch Unterlassen verurteilte die 22. Strafkammer Hausfrau Melanie St., die in der Nacht, in der ihre Tochter starb, seelenruhig schlief. Sie habe "gezielt nichts gemacht" und Hilfe unterlassen, weil sie von den Übergriffen ihres Partners wusste. Zwölf Jahre Haft wegen Mordes durch Unterlassen auch für den beschäftigungslosen Matthieu K., der dem Kind "brutal, roh", die tödliche Verletzung beibrachte.

Dem Zwillingsbruder des Mädchens Zoe, der in der Tatnacht einen Armbruch durch Matthieu K. erlitt, wurden (einem Adhäsionsantrag entsprechend) 2.100 Euro - zu zahlen durch den Angeklagten Matthieu K. - zugesprochen.



NJW schreibt:
"Es gibt noch qualifizierte Gerichtsreporter..."
NJW-aktuell - web.report H. 38/2010, S.3




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