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Jacke, Video, DNA

Urteil im Prozess um mutmaßlichen Racheakt eines libanesischen Großclans

von C. Rockenschuh

07.08.2014, 30. Strafkammer, Saal 700
Der Prozess um eine blutige Messerattacke aus 2013, die im Ruf eines Racheaktes des Abou-Chaker-Clans steht, ging gestern nach sieben Monaten Verhandlungsdauer zu Ende. Die 30. Strafkammer des Berliner Landgerichtes verurteilte am Donnerstag, dem 7. August 2014, zwei der drei Angeklagten u. a. wegen versuchter und versuchter schwerer Körperverletzung sowie gefährlicher Körperverletzung zu Freiheitsstrafen von vier Jahren und neun Monaten und drei Jahren und neun Monaten. Der dritte Angeklagte ging straffrei aus.
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Das Urteil wurde am Donnerstag mit Spannung erwartet. Anders als zu Prozessbeginn waren die Sympathisanten der Angeklagten Angeklagter Veysel K. - vier Jahre, neun Monate Haftan Zahl recht überschaubar. Dieses Mal waren unter den Zuhörern weniger dieser von Anabolika aufgepumpten Typen in schwarzen Lederjacken, die im Januar noch herumgepöbelt oder mit den Angeklagten prozessbegleitend kommuniziert hatten.

Dafür schaffte es ein "Gerichtsflitzer", für kurze Zeit die Aufmerksamkeit des Saales auf sich zu ziehen. Als ein junger, seriös wirkender Mann - weißes Hemd, Stoffhose, gepflegter Haarschnitt - klein und fein an die hölzerne Barriere des Zuschauerraums trat und bescheiden um Aufmerksam bat, wurde es kurzzeitig mucksmäuschenstill. Mit seiner Forderung, man möge die Angeklagten doch mehr 'annehmen', hatte sich der Störer jedoch augenblicklich disqualifiziert. "Verlassen Sie sofort den Saal!", schmiss Richter Gregor Herb den Mann raus.

Freispruch für den dritten Mann

Zwischen Freispruch und hohen Freiheitsstrafen schien an diesem Tag so gut wie Ferhat Y. - drei Jahre und neun Monate Haftalles möglich. Kurz gesagt, kam es - trotz optimistischer Hochstimmung der Angeklagten, die für sich Freisprüche reklamiert hatten - eigentlich jedoch erwartungsgemäß. Nachdem die 30. Strafkammer deutlich gemacht hatte, dass sie für die vorliegende Tat keinen 'bedingten Tötungsvorsatz' in Rechnung stellen würde und zwei der Angeklagten noch immer in Haft saßen, war eine Verurteilung zumindest für zwei Angeklagte höchstwahrscheinlich.

Das Gericht unter Vorsitz von Richter Gregor Herb folgte der Staatsanwaltschaft und verurteilte Haupttäter Veysel K. (32) u. a. wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Haftstrafe von vier Jahren und neun Monaten. Der teilgeständige Mittäter Ferhat Y. (28) erhielt u. a. wegen gefährlicher Körperverletzung eine Freiheitsstrafe von drei Jahren. Dem dritten Angeklagten, Selim D. (32) konnte eine Mittäterschaft nicht nachgewiesen werden.

Es spricht vieles dafür...

Die vier Täter, die in der Nacht des 15. März 2013 den Libanesen Khalil Y. (40) beim Kartenspielen in einem Charlottenburger Wett-Café überrascht und mehr Selim D. - Freispruchals elf bis zu zehn Zentimeter tiefe Stiche in Gesäß und Oberschenkel beigebracht hatten, sollen laut Richter Herb wie ein "Rollkommando" planhaft vorgegangen sein. "Es spricht vieles dafür" heißt es in der Urteilsbegründung, dass es eine Beauftragung durch die Abou-Chakers gegeben habe. Weil Khalil Y., das Opfer, ein Mitglied der Familie bei der Polizei anzeigte und eine außergerichtliche Regelung mit dem Clan ablehnte, trotzdem er - wie er selbst aussagte - 3.000 € der 10.000 € des gebotenen Bestechungsgeldes einfach einbehalten habe. Dieses Verhalten würde Opfer Khalil Y. "auch nicht adeln", urteilte hierzu Richter Herb.

Die Indizien, die für die Verurteilung des Veysel K. hinzugezogen werden, klingen für juristisch ungeübte Ohren allerdings recht fadenscheinig. Eine Jacke, wenn auch "prägnant", eine DNA-Spur an einem Stuhl des Cafés und eine "Ähnlichkeit in Statur und Größe" des Angeklagten mit dem Täter auf dem Überwachungsvideo sollen seine Täterschaft zweifelsfrei begründen. Dagegen sollen die DNA-Spur des dritten Angeklagten Selim D., gefunden im Fluchtfahrzeug, sowie eine Ähnlichkeit in Statur und Größe mit dem Täter auf dem Video für eine Verurteilung nicht mit der notwendigen Sicherheit überzeugen. "Sie erzählen (anders als im Fall Veysel K., Anm.d.R.) keine Geschichte", so Richter Herb in seiner Urteilsbegründung.

Opfer zum Krüppel machen

Ferhat Y., hier lag der Fall anders, hatte teilgeständig eingeräumt, mit weiteren nicht genannten Tätern, keinesfalls aber den Mitangeklagten, vorgehabt zu haben, den Khalil Y. lediglich zu "vermöbeln". Das sei, ohne sein Mittun, aus dem Ruder gelaufen. Weder glaubte die 30. Kammer jedoch den durch die Verteidigung bestellten Alibizeugen des Veysel K., noch der Tathergangsversion des Ferhat Y.

Warum es nicht zu einem rechtlichen Hinweis einer möglichen Verurteilung wegen versuchten Totschlags gekommen war, was die Beiziehung weiteren schwer belastenden Beweismaterials zur Folge gehabt hätte (berlinkriminell.de berichtete), erklärte Richter Herb mit dem Fehlen des Tötungsvorsatzes. Die Stiche auf Bein und Gesäß des sich am Boden windenden Opfers seien "nicht wahllos" erfolgt. Man habe den Geschädigten lediglich schwer verletzen wollen. Richter Herb: "Nicht jede schwere Körperverletzung bedingt einen Tötungsvorsatz."

Mit diesem Urteil kann unter dem Strich wohl nur Selim D., der freigesprochen wurde, zufrieden sein. Weshalb von Seiten der verurteilten Angeklagten Veysel K. sowie Ferhat Y. mit einer Revision zu rechnen ist. Auch Rechtsanwältin Barbara Petersen, in der Nebenklage für den Geschädigten, zeigte sich mit dem Urteil, bis auf den Freispruch des dritten Mannes, durchaus zufrieden". Sie wird, wie sie sagt, seinem Mandanten empfehlen, in Revision zu gehen.

Was man alles machen kann

Rechtsanwältin Petersen hatte bis zuletzt den Anklagevorwurf in ihren Anträgen reklamiert und betont, es läge ein 'bedingter Tötungsvorsatz' vor. "Es ist schon absurd, was man alles machen kann, ohne dass ein bedingter Tötungsvorsatz angenommen wird", erklärt die Nebenklägerin. Wäre Rechtsanwältin Petersen mit ihrem Antrag durchgedrungen, hätte die Beiziehung der Telefonüberwachung der Angeklagten zur Tatnacht die vorliegende Tat möglicherweise vollständig aufgeklärt.

Es hätte aber auch bedeutet, dass das Verfahren abgebrochen und zur Verhandlung an eine Schwurgerichtskammer verwiesen worden wäre. Ob und zu welchem Preis eine Beauftragung der Tat durch die Großfamilie der Abou-Chaker nachweisbar wäre, ist rein theoretischer Natur. Es muss deshalb dahingestellt bleiben, ob Khalil K., der übrigens auch kein unbeschriebenes Blatt ist, Opfer einer Unbotmäßigkeit gegen einen palästinensisch libanesischen Großclan wurde. In einer Parallelwelt, die - wie die Rechtsanwältin des Nebenklägers erklärt - nach dem "Gesetz des Stärkeren" funktioniert.



NJW schreibt:
"Es gibt noch qualifizierte Gerichtsreporter..."
NJW-aktuell - web.report H. 38/2010, S.3




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