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berlinkriminell.de
krimirezensionen ab 2003
(Originalverlag: Doubleday)
ISBN 978-3-453-27306-1
22,00 €
Ein ganz
anderer Grisham
von Susanne
Rüster
Der Hurrikan Leo
steuert mit vernichtender Gewalt auf Camino Island vor der
Nordküste Floridas zu. Die Inselbewohner fliehen aufs
Festland, doch der Buchhändler Bruce Cable bleibt
trotz der Gefahr vor Ort. Leos Folgen sind verheerend,
mehrere Menschen sterben. Auch Nelson Kerr, Thriller-Autor
und Freund von Bruce, liegt leblos vor seinem
Haus. Aber wurde Nelson wirklich von einem Ast erschlagen
Bruce hat begründete Zweifel. - Ein
unterhaltsamer Krimi um einen Buchhändler, der zum
Detektiv wird.
"Das Manuskript" ist die Fortsetzung
von Grishams 2017 erschienenen Roman "Das
Original". Das Geschäft des wohlhabenden
Buchhändlers und Mäzen Bruce Cable "Bay Books"
ist auch diesmal Treffpunkt von Autoren,
Bücherfreunden, bunten Existenzen, die es auf
die paradiesische Insel verschlagen hat, und es kommt
zum Wiedersehen mit einigen bereits aus dem "Original"
bekannten Figuren.
Fahndete damals die Schriftstellerin
Mercer Mann nach gestohlenen Manuskripten von F. Scott
Fitzgerald, so besucht sie als erfolgreiche Autorin
Camino Island. Protagonist im "Manuskript" ist jetzt
Mercers früherer Widersacher, der ausgeschlafene
Buchhändler Bruce Cable - trotz seiner
"Nebeneinkünfte" aus dem Handel mit literarischen
Raritäten fragwürdiger Herkunft ein
Sympathieträger.
Der große Star aber ist der
ausgiebig in seiner zerstörerischen Zickzack-Tour
beschriebene Hurrican Leo. Kurz vor seinem Auftreffen
auf Camino Island veranstaltet Bruce Cable ein letztes
Dinner für seine köstlich verrückten
Autoren-FreundInnen. Das schöne sorgenfreie Leben
ist vorerst beendet, das Schriftstellerparadies
zerstört, das schillernde Insel-Flair verloren.
Atmosphärisch sehr gelungen ist die Beschreibungen
der Verwüstung Camino Islands und des mühsamen
Wiederaufbaus.
Angesichts des Leiche Nelson Kerrs
bekommt Bruce Zweifel, ob sein Freund
tatsächlich durch herumfliegende Äste
getötet wurde, wie die überforderte lokale
Polizei annimmt. Kerrs Kopfverletzungen weisen auf
stumpfe Schlaggewalt und einen kaltblütigen Mord
hin, der unter dem Schutz des wütenden Leo
vertuscht werden sollte. Aus Kerrs Computer wurde die
Festplatte entfernt – ein Indiz, dass der Mord
etwas mit dessen kurz vor der Veröffentlichung
stehendem Manuskript zu tun hat.
Bruce geht auf Mördersuche,
unterstützt von dem bei ihm jobbenden
Literaturstudenten und Krimi-Liebhaber Nick (schlaue,
unterhaltsame Figur) und dem befreundeten Autor Bob
Cobb. Die Freunde verdächtigen eine sportlich
durchtrainierte Frau namens Ingrid, die sich über
einen One-Night-Stand mit Bob an Nelson Kerr herangemacht
hat und dann verschwunden ist. Weiter kommen die
Möchte-gern-Detektive erstmal nicht. Grisham
schlägt ein gemütliches Erzähltempo mit
vielen für ihn typischen, teils auch amüsanten
Dialogen an.
Erst auf der Hälfte des Romans
steigert sich das Erzähltempo und die Handlung
nimmt Fahrt auf. Trotz einer überraschenden Wendung
führt der Weg nicht in einen der vom Rechtsanwalt
und Autor John Grisham in mittlerweile fast 30
Justiz-Thrillern so oft besuchten Gerichtssäle.
Bruce und die Schwester des Getöteten beauftragen
eine exquisite Detektei, um herauszufinden, warum
Nelson Kerr sein Leben lassen musste. Mittlerweile kennt
Bruce den Inhalt des Manuskripts - die Schwester Kerrs
hatte noch eine Sicherungskopie (welch Zufall).
Ausgehend vom Inhalt nimmt die Detektei
undercover Kontakt zu Insidern der beschriebenen Szenerie
auf und ist bald überzeugt, dass Kerr einen
Enthüllungsroman geschrieben hat, dessen Erscheinen
um jeden Preis verhindert werden sollte. Grisham
erzählt hier die Geschichte aus verschiedenen
Perspektiven, sodass der Leser die Chance hat, in eine
abgeschottete Welt zu blicken.
"Verraten" sei hier nur, dass es um
eine menschlich und sozialpolitisch brisante Thematik
geht, die nichts mit der Literaturszene zu tun
hat. Infolge des Eindringens der Detektive kommt
es zu einem zweiten Mord an einer Whistleblowerin, den
Grisham eher beiläufig abhandelt. Bruce selbst
erhält von jemand, der die Hintergründe
kennt, warnende Hinweise. Mit seinen Freunden Nick und
Bob bleibt er trotzdem am Ball bis endlich die
Hintergründe des Mordes an Kerr geklärt sind.
Der Fall wird ans FBI abgegeben, das die Früchte
der verdeckten Ermittlungsarbeit ernten darf. Letzte
Klarheit ins Dunkel bringt die Aussage eines sterbenden
Bösewichts im Krankenhaus, umgeben von FBI,
Staatsanwalt, Anwalt und Richter.
Resümee: Wer
die ausgeklügelten Justizthriller John Grishams
schätzt, kann enttäuscht werden. Die
Thematik des "Manuskripts" hätte es verdient,
zum Gegenstand eines typischen Grisham-Thrillers zu
werden. Das Thema ist spannungsgeladen und
verstörend und macht sehr nachdenklich. Hier wird
es im zweiten Teil leider nicht tief genug behandelt,
sondern eher nüchtern zusammengefasst. Auch
trägt die Gestaltung des Romanendes durchaus
hanebüchene Züge, es geschieht ein weiterer,
für die Handlung nicht nötiger Mord. Immerhin
sind die Auftraggeber des Mordes an Kerr entlarvt und das
Verbrechen ist durch Festnahme bzw. Dahinscheiden der
Bösewichte gesühnt.
Durchaus Lesegenuss bietet die
Beschreibung des charmanten Filou Bruce Cable, der
exzentrischen AutorInnen-Figuren und des - vor dem
Auftreffen Leos - genussvollen Lebens auf Camino
Island. Man fiebert mit dem Inhaber von "Bay Books"
mit, der mithilfe seiner - in einem früheren
zwielichtigen Geschäft geknüpften - Kontakte
langsam Licht ins betrügerische Dunkel bringt. Die
Verfasserin hätte sich gewünscht, dass auch
dieser Krimi wie "Das Original" in der Literaturszene
angesiedelt bliebe, insbesondere, weil Grisham mit
einem sich langsam entwickelnden Literatur-Krimi auch
andere Leserschichten anspricht. Entsprechend der
Untertitelung ("Roman", nicht "Thriller") ist das
Buch ein unterhaltsamer Roman mit Thriller-Elementen.
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Eigenwerbung!
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