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aus dem moabiter kriminalgericht


sb: selbst bedient -
68jährige überfiel Berliner Banken


von Barbara Keller

20. Februar 2006. Moabiter Kriminalgericht, 25. gr. Strafkammer
Gleich zweimal überfiel eine 68jährige Rentnerin im Jahr 2003 Berliner Bankfilialen. Am 11.03.03 erbeutete die mit einer Perücke, Basecape und einer großen Brille getarnte sowie mit einer ungeladenen Gaspistole bewaffnete Regina L. in einer Sparkassenfiliale in Pankow rund 8.000 Euro. Sechs Monate später, eine Fahndungsfoto von ihr war bereits in Umlauf, wiederholte sie den Coup in einer Postbankfiliale in Schöneberg, holte sich bei der couragierten Postbankangestellten jedoch eine Abfuhr und trollte sich nach dem Kauf zweier Schnellhefter. Erst zwei Jahre später wurde Regina L. verhaftet, als sie der Wirt eines Lokals, in dem sie gelegentlich speiste, auf einem Fahndungsfoto wieder erkannte.


'Ist der Ruf erst ruiniert, lebt sich’s doppelt ungeniert' muss wohl zur ungeschriebenen Maxime der Rentnerin Regina L. geworden sein, nachdem bei der ehemaligen Justiziarin im März 2003 ein Schuldenberg von mehr als 36.000,00 Euro aufgelaufen war.

Noch gar nicht eingerechnet die an das Arbeitsamt zurückzuzahlenden 34.767,85 Euro, die Regina L., sie erhält eine monatliche Rente von 895,00 Euro, zu Unrecht vom Amt bezog. Eine Haftstrafe von einem Jahr, ausgesetzt auf drei Jahre Bewährung hatte ihr dieser Betrug 1997 eingebracht. - Eine Bewährung, die sich im August 2000 um ein weiteres Jahr wegen sechsmaligen Schwarzfahrens verlängerte.

Mietschulden und Strom abgedreht

Im März 2003 hat die BEWAG Regina L. den Strom bereits abgedreht. Die Wohnungsbaugesellschaft droht ihr mit Kündigung. Die Rentnerin, Mieterin einer ofenbeheizten Wohnung in einem unsanierten Altbau in der Kastanienallee, Berlin Mitte, ist die Miete (212,00 € kalt) seit mindestens fünf Monaten schuldig. Da beschließt sie, den ganz großen Coup zu landen.

Mit einer Versandhaus-Perücke, einem Basecap sowie einer großen Brille verkleidet und bewaffnet mit einer ungeladenen Gaspistole (für 30 Euro in der Prinzenallee aus Angst vor Einbrechern erworben), macht sich Regina L. am 11. März 2003 mit der S-Bahn auf den Weg nach Pankow. Dort nimmt sie sich ein Taxi zu jener Sparkassenfiliale, die sie sich auszurauben vorgenommen hat.

"Geld in großen und kleinen Scheinen ..."

Während das Taxi vor der Tür wartet, "Ich muss nur schnell Geld abheben", reiht sich die skurril verkleidete Regina L. in die Warteschlange der Filiale ein. Als sie an der Reihe ist, schiebt sie der Sparkassenangestellten einen Leinensack und einen Zettel über den Tresen, der die Mitteilung enthält: "Bitte Geld in großen und kleinen Scheinen. Schnell, ich bin bewaffnet mit einer Pistole und Nervengas."

Simone P. (39) packt zwar wie gewünscht das Geld in den Leinensack, betätigt aber lautlos den Alarmknopf. Der Bankräuberin, die ihr wenig professionell und mehr 'aufgeregt ängstlich' vorkommt, erklärt sie: "Ich habe Alarm ausgelöst. Machen Sie mich und sich nicht unglücklich." Und: "Lassen Sie doch das Geld liegen und gehen Sie einfach."

"... bitte, bitte!"

Aber Regina L. zückt als Antwort ihre ungeladenen Waffe und bekräftigt: "Bitte, bitte!" Da kann Simone P. in einer Mischung aus Mitleid und Unsicherheit nicht anders und gibt das Geld, rund 8.000 Euro, heraus. Regina L. steigt mit ihrer Beute in das Taxi und verschwindet. Es bleibt: eine Videoaufnahme, die die 'Omaräuberin' bei der Tat filmte.

Wegen des großen Erfolgs und wegen der anhaltenden finanziellen Sorgen macht sich Regina L. ein halbes Jahr später, trotzdem sie weiß, dass sie steckbrieflich gesucht wird, noch einmal auf den Weg. Dieses Mal zu einer Postbankfiliale am Mariendorfer Damm in Schöneberg. Sie fährt mit dem Bus vor. Dann das gleiche Procedere.

Eindruck von Minderbemittlung

Doch am 11. September 2003 hat sie Pech. Die Postbankangestellte Juana B. (34) knüllt den ihr von der skurrilen Alten zugeschobenen Zettel wütend zusammen und poltert: "Das ist doch kein Scherz!" Regina L., die auf die couragierte Postbankangestellte einen eher "minderbemittelten, ungepflegten Eindruck" machte,Gaststätte kauft daraufhin verlegenheitshalber zwei Schnellhefter und trollt sich.

Verhaftet wird Regina L. jedoch erst zwei Jahre später. Der Wirt des Lokals "Zum Alten Tor" in der Torstraße in Mitte erkennt auf dem in den Medien publizierten Fahndungsfoto der Polizei seine Gelegenheitskundin Regina L. und ruft die Polizei. Am Tage ihrer Festnahme im November 2005 bestellt Regina L., die deutsche Küche bevorzugt, Rinderroulade mit Apfelrotkohl. - Die darf sie verzehren, bevor die Polizeibeamten mit einem Haftbefehl an sie herantreten.

Tütenstreifzüge durch Berlin

Am 20. Februar 2006, am Tag der Hauptverhandlung gegen die in der Presse "die älteste Bankräuberin Berlins" bezeichnete Angeklagte, ist Regina L. geständig. Sie habe ihre Schulden nicht mehr in den Griff bekommen, erklärt sie. Als ihre Mutter gestorben sei, ihre drei Kinder ihr den Rücken kehrten und sie schließlich in Rente ging, sei sie zum Messie mutiert.

Irgendwann war ihre Wohnung, zugemüllt mit Tüten und Kartons von Versandhausbestellungen, nicht mehr begehbar gewesen. - Die rüstige Rentnerin beginnt tags, divers mit Tüten behängt, die Umgebung zu durchstreifen und kommt schließlich auf krude Ideen.

"Bewährungsstrafe ist abwegig"

Drei Jahre Haft wegen schwerer und versuchter räuberischer Erpressung lautet das Urteil, das der vorsitzende Richter Matthias Schertz nach einer langen Beratungszeit verkündet. Eine Bewährungsstrafe sei "abwegig" erklärt Schertz in seiner Urteilsbegründung: "Wir können nicht, weil die Angeklagte 70 ist, mit dem Strafgesetzbuch umspringen, wie wir wollen."

Außerdem nehme er Regina L., die immerhin 14 Jahre in einer Rechtsanwaltskanzlei tätig war und später Chefsekretärin in einem volkseigenen Berliner Kosmetikbetrieb war, die Rolle der armen, leidenden Oma nicht ab. Der Einschätzung des psychologischen Gutachters Dr. Werner Platz folgend, räumt Richter Schertz der Angeklagten jedoch eine erhebliche Minderung der Steuerungsfähigkeit ein. Bedingt durch Depressionen und einem unreflektierten Alkoholproblem.

Glückliches Ende

Der Prozessgast sieht am Schluss der Hauptverhandlung eine glückliche Angeklagte: Regina L. ist bis zum Antritt ihrer Haft auf freien Fuß gesetzt und erwartet eine dreijährige Haftzeit mit Freigang. Hilfe hat die alte Dame in der Zwischenzeit bei der "Freien Hilfe Berlin e. V." gefunden.


Verfahren wegen "schwerer räuberischer Erpressung" auf 'berlinkriminell.de':
Gemeingefährlich: § 63 (26.03.04)
Drei Jahre Haft - 23jähriger überfiel Spätverkauf (02.12.05)
Bankräuber wollte kein Geld (19.05.05)


NJW schreibt:
"Es gibt noch qualifizierte Gerichtsreporter..."
NJW-aktuell - web.report H. 38/2010, S.3




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Bankräuberin Regina L.
"Ex-Bankräuberin" Regina L. (70) am Tag nach dem Prozess vor ihrem Haus in der Kastanienallee (Mitte). Sie ist froh: drei Jahre Haft mit Freigang und sofortige Haftverschonung. Es hätte schlimmer kommen können.

Fahndungsfoto Regina L.
Regina L. im Jahre 2003 als Bankräuberin mit Versandhaus-
perücke und Basecape in Aktion. - Das offizielle Fahndungsfoto der Polizei.

Sparkassenangestellte Simone P.
Sparkassenange-
stellte Simone P. (39) sagte zu der Seniorin, die sie als 'nett, freundlich und ängstlich aufgeregt' beschreibt: "Ich habe Alarm ausgelöst. Machen Sie sich und mich nicht unglücklich. Gehen Sie einfach, ohne das Geld."

Postbankbeschäftigte Juana B.
Auf die Postbankbeschäf-
tigte Juana B. (34) machte Regina L. wenig Eindruck. Die couragierte Frau zerknüllte den Zettel mit der Geldforderung, warf ihn in den Papierkorb und herrschte die Seniorin an: "Das ist doch kein Spaß!" Vor Gericht sagt sie später als Zeugin: "Ich hielt die Frau für minderbemittelt."

Zeuge B.
Zeuge B. stand in der Warteschlange in der Postbank hinter Regina L. Er erklärt: "Was soll das? Die Frau ist völlig harmlos. Die braucht einen Arzt."

Staatsanwältin Pamela Kaminskii
Staatsanwältin Pamela Kaminski forderte eine Haftstrafe von drei Jahren und sechs Monaten.

Richter Matthias Schertz
Der Vorsitzende Richter Matthias Schertz: "Wir können nicht, weil die Angeklagte 70 ist, mit dem Strafgesetzbuch umgehen, wie wir wollen."

Rechtsanwalt Jürgen Rädle
Jürgen Rädle, Rechtsanwalt von Regina L.: "Das waren keine typischen Banküberfälle. Die Zeugen beschreiben die Angeklagte durchweg als harmlos, ängstlich, peinlich, verlegen." Er erklärt: "Frau L. braucht Hilfe."

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