'Ist der Ruf erst ruiniert, lebt sich’s doppelt ungeniert' muss wohl zur ungeschriebenen Maxime der Rentnerin Regina L. geworden sein, nachdem bei der ehemaligen Justiziarin im März 2003 ein Schuldenberg von mehr als 36.000,00 Euro aufgelaufen war.
Noch gar nicht eingerechnet die an das Arbeitsamt zurückzuzahlenden 34.767,85 Euro, die Regina L., sie erhält eine monatliche Rente von 895,00 Euro, zu Unrecht vom Amt bezog. Eine Haftstrafe von einem Jahr, ausgesetzt auf drei Jahre Bewährung hatte ihr dieser Betrug 1997 eingebracht. - Eine Bewährung, die sich im August 2000 um ein weiteres Jahr wegen sechsmaligen Schwarzfahrens verlängerte.
Mietschulden und Strom abgedreht
Im März 2003 hat die BEWAG Regina L. den Strom bereits abgedreht. Die Wohnungsbaugesellschaft droht ihr mit Kündigung. Die Rentnerin, Mieterin einer ofenbeheizten Wohnung in einem unsanierten Altbau in der Kastanienallee, Berlin Mitte, ist die Miete (212,00 € kalt) seit mindestens fünf Monaten schuldig. Da beschließt sie, den ganz großen Coup zu landen.
Mit einer Versandhaus-Perücke, einem Basecap sowie einer großen Brille verkleidet und bewaffnet mit einer ungeladenen Gaspistole (für 30 Euro in der Prinzenallee aus Angst vor Einbrechern erworben), macht sich Regina L. am 11. März 2003 mit der S-Bahn auf den Weg nach Pankow. Dort nimmt sie sich ein Taxi zu jener Sparkassenfiliale, die sie sich auszurauben vorgenommen hat.
"Geld in großen und kleinen Scheinen ..."
Während das Taxi vor der Tür wartet, "Ich muss nur schnell Geld abheben", reiht sich die skurril verkleidete Regina L. in die Warteschlange der Filiale ein. Als sie an der Reihe ist, schiebt sie der Sparkassenangestellten einen Leinensack und einen Zettel über den Tresen, der die Mitteilung enthält: "Bitte Geld in großen und kleinen Scheinen. Schnell, ich bin bewaffnet mit einer Pistole und Nervengas."
Simone P. (39) packt zwar wie gewünscht das Geld in den Leinensack, betätigt aber lautlos den Alarmknopf. Der Bankräuberin, die ihr wenig professionell und mehr 'aufgeregt ängstlich' vorkommt, erklärt sie: "Ich habe Alarm ausgelöst. Machen Sie mich und sich nicht unglücklich." Und: "Lassen Sie doch das Geld liegen und gehen Sie einfach."
"... bitte, bitte!"
Aber Regina L. zückt als Antwort ihre ungeladenen Waffe und bekräftigt: "Bitte, bitte!" Da kann Simone P. in einer Mischung aus Mitleid und Unsicherheit nicht anders und gibt das Geld, rund 8.000 Euro, heraus. Regina L. steigt mit ihrer Beute in das Taxi und verschwindet. Es bleibt: eine Videoaufnahme, die die 'Omaräuberin' bei der Tat filmte.
Wegen des großen Erfolgs und wegen der anhaltenden finanziellen Sorgen macht sich Regina L. ein halbes Jahr später, trotzdem sie weiß, dass sie steckbrieflich gesucht wird, noch einmal auf den Weg. Dieses Mal zu einer Postbankfiliale am Mariendorfer Damm in Schöneberg. Sie fährt mit dem Bus vor. Dann das gleiche Procedere.
Eindruck von Minderbemittlung
Doch am 11. September 2003 hat sie Pech. Die Postbankangestellte Juana B. (34) knüllt den ihr von der skurrilen Alten zugeschobenen Zettel wütend zusammen und poltert: "Das ist doch kein Scherz!" Regina L., die auf die couragierte Postbankangestellte einen eher "minderbemittelten, ungepflegten Eindruck" machte,kauft daraufhin verlegenheitshalber zwei Schnellhefter und trollt sich.
Verhaftet wird Regina L. jedoch erst zwei Jahre später. Der Wirt des Lokals "Zum Alten Tor" in der Torstraße in Mitte erkennt auf dem in den Medien publizierten Fahndungsfoto der Polizei seine Gelegenheitskundin Regina L. und ruft die Polizei. Am Tage ihrer Festnahme im November 2005 bestellt Regina L., die deutsche Küche bevorzugt, Rinderroulade mit Apfelrotkohl. - Die darf sie verzehren, bevor die Polizeibeamten mit einem Haftbefehl an sie herantreten.
Tütenstreifzüge durch Berlin
Am 20. Februar 2006, am Tag der Hauptverhandlung gegen die in der Presse "die älteste Bankräuberin Berlins" bezeichnete Angeklagte, ist Regina L. geständig. Sie habe ihre Schulden nicht mehr in den Griff bekommen, erklärt sie. Als ihre Mutter gestorben sei, ihre drei Kinder ihr den Rücken kehrten und sie schließlich in Rente ging, sei sie zum Messie mutiert.
Irgendwann war ihre Wohnung, zugemüllt mit Tüten und Kartons von Versandhausbestellungen, nicht mehr begehbar gewesen. - Die rüstige Rentnerin beginnt tags, divers mit Tüten behängt, die Umgebung zu durchstreifen und kommt schließlich auf krude Ideen.
"Bewährungsstrafe ist abwegig"
Drei Jahre Haft wegen schwerer und versuchter räuberischer Erpressung lautet das Urteil, das der vorsitzende Richter Matthias Schertz nach einer langen Beratungszeit verkündet. Eine Bewährungsstrafe sei "abwegig" erklärt Schertz in seiner Urteilsbegründung: "Wir können nicht, weil die Angeklagte 70 ist, mit dem Strafgesetzbuch umspringen, wie wir wollen."
Außerdem nehme er Regina L., die immerhin 14 Jahre in einer Rechtsanwaltskanzlei tätig war und später Chefsekretärin in einem volkseigenen Berliner Kosmetikbetrieb war, die Rolle der armen, leidenden Oma nicht ab. Der Einschätzung des psychologischen Gutachters Dr. Werner Platz folgend, räumt Richter Schertz der Angeklagten jedoch eine erhebliche Minderung der Steuerungsfähigkeit ein. Bedingt durch Depressionen und einem unreflektierten Alkoholproblem.
Glückliches Ende
Der Prozessgast sieht am Schluss der Hauptverhandlung eine glückliche Angeklagte: Regina L. ist bis zum Antritt ihrer Haft auf freien Fuß gesetzt und erwartet eine dreijährige Haftzeit mit Freigang. Hilfe hat die alte Dame in der Zwischenzeit bei der "Freien Hilfe Berlin e. V." gefunden.
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