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aus dem moabiter kriminalgericht


Von "Fernsehern" und "Lappen"
"Friedman-Prozess" in der vorletzten Runde


von Barbara Keller

21. März 2006. Kriminalgericht Moabit, 15. gr. Strafkammer
Fast zwei Jahre nach dem Ende des so genannten 'Friedman-Prozesses' musste sich jetzt ein weiteres Mitglied der Bande um Borys B. wegen Menschenhandel vor Gericht verantworten. Als Fahrer und 'Mädchen für alles' hatte der jetzt angeklagte Rafal M. (32) den Callgirlring mit einer zum Teil prominenten Kundschaft von 3.874 Freiern für Chef Borys B. am Laufen gehalten. Rafal M. war nach einem Unfall Januar 2003 mit dem 'Dienstwagen' und wegen horrender Spielschulden nach Malaga getürmt. Der via internationalen Haftbefehl Gesuchte wurde im September 2005 in Polen festgenommen und knapp einen Monat später in die BRD ausgeliefert.

Kurz zusammengefasst: Korruptionsgeschichten um eine Steglitzer Polizeiwache, teils dramatisch turbulente Anlieferungen von Frauen um die Geisterstunde in die dubiose Steglitzer Bar "Blechtrommel", Hinweise um Kokainhandel und eine erste aussagewillige Zeugin in Abschiebehaft bringen 2002 verdeckte Ermittlungen der Polizei und eine Soko auf den Plan.

Die Ermittler kommen einer Bande von Menschenhändlern auf die Spur, die Frauen unter dem Codewort "Fernseher" aus der Ukraine und Polen nach Berlin schleust, um sie in einem Callgirlring für sich arbeiten zu lassen und die sie in einer einschlägig bekannten Tageszeitung in der Rubrik 'Berlin diskret' mit 'ukrainische Nymphen' oder 'naturgeile Ukrainerinnen' annonciert.

Der Kaiser gibt sich nackt

Prominente Herren erwarten die Damen im Hotel "Estrel" oder im "Interconti" für einen Stundenpreis von 75 bis 95 €. Nebenbei laufen die Damen nach 24 Uhr noch in der Steglitzer "Blechtrommel". Bekannt wurde von dieser billig freienden Schmuddelprominenz seltsamer Weise nur Michel Friedman, der in diesen Kreisen als 'Paolo Pinkel' bekannt war.

Als im Mai 2004 der Kopf der Bande, dessen Geliebte und zwei als Fahrer fungierende Polen verurteilt werden, ist von dem großen Geld, das hier gemacht wurde, innerhalb zweier Monate sollen es unter anderem 58.065 € gewesen sein, keine Spur mehr. Der Kaiser gibt sich nackt. Die Nebenklägerinnen dürfen sich in zwei beschlagnahmte Wagen, einen Opel Kadett und einen Opel Astra teilen.

Kurzer Prozess

Bandenchef Borys B. erhält im Mai 2004 eine Haftstrafe von vier Jahren und neun Monaten, Fahrer Krzysztof M. (25) drei Jahre und drei Monate, Fahrer Marius M., weil nur kurz dabei, noch so jung (23) und so geständig ein Jahr und vier Monate und die Geliebte des Bandenchefs Justyna W.-J. (26), Mutter und wieder schwanger, kommt mit einer Geldstrafe davon. Borys B. und Krzysztof M. sind nach Angaben der Staatsanwaltschaft inzwischen nach Polen und in die Ukraine abgeschoben und vermutlich bereits wieder auf freiem Fuß.

Vierzehn Termine hat die 15. große Strafkammer des Moabiter Kriminalgerichts für das Verfahren gegen Rafal M., Bruder des zu 39 Monaten Haft verurteilten Krzysztof M., angesetzt. Bis in den Sommer, Mitte Juni 2006, reicht die Terminierung. Doch Rafal M., rechtsanwaltlich gut beraten, ist geständig: das Ergebnis eines Deals. Die Strafkammer sichert ihm als Dank für ein kurzes Verfahren im Gegenzug eine Höchststrafe von zwei Jahren und zwei Monaten zu.

Gut verdient

Rafal M., ein gedrungener kurz geschorener, larmoyanter Blonder mit Oberlippenbart, teilte sich von Mai 2001 bis Januar 2003 mit seinem jüngeren Bruder Krzysztof M., der ihn auch ins Geschäft holte, den Job des Fahrers in der Firma Borys B.

Nach einer kurzen Karriere als Schwarzarbeiter in einem deutschen Fleischereibetrieb und einer offiziellen Ausweisung arbeitet Rafal M. zweiwöchentlich als Fahrer für Borys B.'s Firma in Berlin. Die anderen vierzehn Tage ist er offiziell als Kraftfahrer für eine polnische Firma tätig. - 'Umgerubelt' in Słoty lässt sich mit dem Geld in Polen fürstlich leben.

Geld in Kasinos durchgebracht

Rafal M. vermittelt die Freier, fährt die Frauen, beobachtet, begleitet, bewacht sie und ist das Bindeglied zwischen ihnen und Chef Borys B. auch bei mindestens einer Schleusung ist er dabei.

Gegenüber den ihm anvertrauten Frauen ist er aufbrausend und unbeherrscht. "Ihn interessierten nur Geld und Kasinos. Dort brachte er sein ganzes Geld durch", berichtet eine der Frauen. "Er meinte, wir könnten rund um die Uhr arbeiten, bekam Tobsuchtsanfälle, wenn wir uns nur eine Minute verspäteten." Er setzte sie unter Druck und beschimpfte sie als "Lappen", im Sinne von Monatsbinden.

Die armen, kranken Kinder

Sein Bruder Krzysztof M. sei nicht so vulgär gewesen und habe sie, anders als Rafal, mit dem Namen angesprochen. Als Rafal M. einmal eine leere Bierdose findet, soll er zwei Frauen gezwungen haben, für ihn zu tanzen und ihm sexuell zu Willen zu sein. Er drohte, andernfalls den jähzornigen Chef Borys B. zu informieren. Alkohol war für die Frauen Tabu.

Vor Gericht mimt Rafal M. das arme Opfer. Alex, Borys B.'s Bodyguard und rechte Hand, habe ihn misshandelt und gezwungen, bei der Stange zu bleiben. Er habe alles nur für seine beiden kranken Kinder getan. Und seine Schwester sei auch schon tot. Dann versagt ihm die Stimme. Er weint.

Gute Aussichten

Über seinen Rechtsanwalt versucht Rafal M. dann noch, seine in Polen in der U-Haft verbrachte Haft doppelt anrechnen zu lassen, während der Besuche von Familienangehörigen nicht erlaubt waren und er mit elf übergriffigen Männern eine Zelle mit offenem WC teilte. - Einen ganzen Monat lang.

Das Urteil für Rafal M. lautet erwartungsgemäß: 26 Monate Haft wegen Zuhälterei und Schleusen von Ausländern mit sofortiger Haftverschonung. Rafal M. ist sichtlich erleichtert. Der Monat 'schlimme' polnische Haft wird ihm allerdings 1:1 angerechnet. Nun muss er trotz zu erwartender Halbstrafenregelung dann irgendwann doch noch drei Monate Haft absitzen, bevor er in Bewährung gehen kann.

Die Staatsanwaltschaft ist übrigens zuversichtlich. Vielleicht gibt es bald auch den letzten Prozess in dieser Sache. International mit Haftbefehl gesucht ist noch immer Alex, die rechte Hand von Borys B., von dem eine der Nebenklägerinnen sagte: "Er war wie Borys Hund."



NJW schreibt:
"Es gibt noch qualifizierte Gerichtsreporter..."
NJW-aktuell - web.report H. 38/2010, S.3




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Nur noch bedingtes Medieninteresse. Hell wie die Sonne, die die Flure des Gerichts erleuchtete, strahlte am 21. März auch Rafal M.'s Glücksstern. Rafal M., Mitglied eines Callgirlrings und Mitglied einer Bande von Menschenhändlern, rang der 15. großen Strafkammer gegen ein Geständnis eine Haftstrafe von nur 26 Monaten ab. Rafal M., der seinen Teil des von den Frauen erpressten Geldes in die Spielkasinos trug, um sich hoch zu verschulden, weinte vor Gericht. Er habe alles nur für seine armen kranken Kinder getan.

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