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aus dem moabiter kriminalgericht


Unter dem Damoklesschwert
der Sicherheitsverwahrung


von Barbara Keller

02.03.2007. Moabiter Kriminalgericht, 38. Große Strafkammer.
In der Nacht vom 6. zum 7. Januar 2007 wird der gelernte Maler, gebürtige Pankower Heiko S. (26) nach einem Streit gegen seine Freundin Tatiana B.* sexuell gewalttätig. Er würgt die sich auch lautstark wehrende junge Frau bis zur Atemnot. Tatiana B.*(17) zeigt sich ihm aus Todesangst heraus, wie sie später sagt, schließlich willig. - Was Tatiana B.* nicht weiß: Heiko S. ist wegen sexueller Nötigung und sexuellen Missbrauchs bereits einschlägig vorbestraft. Bisher zeigte sich Justitia im Rahmen des Jugendstrafrechts gegenüber Heiko S. vergleichsweise milde. - Offenbar wenig zu seinem und anderer Vorteil.

Heiko S. ist ein mittelgroßer, junger Mann. Geschorene Haare, Rundrücken, drei silberne Ringe im linken Ohr. Er wirkt jungenhaft, verschämt zurückhaltend. Wenn er spricht, schnell, in typisch Pankower näselndem Dialekt, dann jedoch ungehobelt bis frech. Über seinen Pflichtverteidiger lässt Heiko S. wissen: "Die Anklage trifft zu." - Und auf die Frage der Staatsanwältin, wie die drei Monate Untersuchungshaft auf ihn gewirkt hätten, souffliert er seinem Rechtsbeistand, der daraufhin laut vernehmlich im Namen seines Mandanten verkündet: "Scheiße!"

Tatiana B.*, seine ehemalige Freundin, dagegen ist eine schmächtige, blonde, kindlich wirkende Person. Vor dem Gerichtssaal sucht ihr die Mutter unbeholfen Mut zuzusprechen. Ein langer Blick, dann: "Schaffste!" Und schließlich: "Du musst!" Enttäuscht, gedemütigt blickt Tatiana B.*, die kurz zuvor noch weinte, während der Verhandlung zur Anklagebank hinüber, wo Heiko S. scheinbar gerade dringend nach etwas auf dem Boden Ausschau hält.

sexuelle Gewalttätigkeiten in Serie bereits mit 17

Die Vorbelastungen von Heiko S. sind einschlägig und wiegen schwer. Die strafrechtlichen Konsequenzen fielen dagegen bisher vergleichsweise mild aus. Dringend notwendige therapeutische Maßnahmen blieben ungenutzt. So debütierte der siebzehnjährige Heiko S. im Frühjahr und Sommer 1997 mit einer Serie von sexuellen Überfällen auf mehrere junge Frauen und auf ein kleines Mädchen.

Die traurige Chronik: Am frühen Nachmittag des 6. Januar 1997 reißt Heiko S. ein an ihm vorbeifahrendes Mädchen von seinem Rad. Zieht ihm den Slip herunter, entblößt sich. Ein plötzlich auftauchender Passant verhindert vielleicht Schlimmeres. Heiko S. flüchtet.

Vier Monate später, am 6. Mai 1997 gegen 18:00, greift Heiko S. wiederum eine jugendliche Radfahrerin an. Die wehrt sich jedoch, schreit drauflos. Nun vergehen keine sechs Tage, da schlägt Heiko S. in der Fichtestraße (Ahrensfelde) zu. Er zerrt ein durch seinen Rucksack behindertes Mädchen hinter einen Erdwall, wo das verängstigte Opfer durch Vortäuschen eines Asthmaanfalls und dem Vorgeben, sie hätte 'ihre Tage' weitere sexuelle Handlungen an sich abzuwehren vermag.

20. Juli 1997. Heiko S. überfällt gegen 22:15 ein 14-jähriges Mädchen in der Eisenacher Straße. Als diese sich mit einem Biss in seine Schulter wehrt, beißt Heiko S. seinerseits dem Opfer in das Gesicht. Mit sexuellen Übergriffen abends in Malchow und auf einem unbelebten Trampelpfad an der Wuhletalstraße, auf dem er eine junge Frau zu Boden wirft, sich mit erigiertem Penis auf sie setzt und wiederum durch das Auftauchen von Passanten aufgestört wird, enden seine traurigen Streifzüge. - Heiko S. muss sich vor Gericht verantworten.

zwei Bewährungsstrafen, zwei Vergewaltigungen

Zwei Jahre Jugendstrafe auf Bewährung wegen sexueller Nötigung in fünf Fällen in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch heißt es im Februar 1998 lediglich für Heiko S., der sich geständig und reumütig zeigt. Von 'Gewalt im geringeren Bereich' ist die Rede, von einer Individualneurose. Wie gewünscht fügt sich Heiko S. einer Heimunterbringung außerhalb Berlins mit therapeutischer Begleitung. Doch die Therapie beendet er nicht. Stattdessen brilliert er mit einem schweren, gemeinschaftlich begangenen Diebstahl.

Und wenig später muss er sich auch wieder wegen einer Sexualstraftat vor Gericht verantworten. - Im Jahr 2000, nun ist er 20 Jahre alt, geht Heiko S. eine Beziehung mit einem 14-jährigen Mädchen ein. Ein Jahr darauf ist er Vater. Doch die Beziehung des unreifen, ungleichen Elternpaares ist problematisch. Auf Betreiben des Jugendamtes kommt die junge Mutter in ein Kindheim. Die Jugendhilfe zwingt Heiko S., seiner Partnerin von seinen Vorbelastungen zu sprechen. Die Freundin ist geschockt, innerlich zerrissen. Die Beziehung droht zu zerbrechen. - In der Trennungsnacht, am 14. Dezember 2003, erfüllt sich Heiko S. seine sexuellen Wünsche in gewohnt gewalttätiger Weise. Die Vergewaltigung kommt zur Anklage.

Wieder ist Heiko S. geständig. Und wieder ist von 'Gewalt im unteren Bereich' die Rede, von einer 'Beziehungstat', einer Ich-Schwäche und von bedauerlichen Gehemmtheiten. Ein Gutachter, der bei therapeutischer Einwirkung auf den Angeklagten keine Wiederholungsgefahr sieht, bescheinigt Heiko S. verminderte Schuldfähigkeit. Er schlägt eine Sexual- und Paartherapie für den 23-jährigen Heiko S. und seine nun 17-jährige Freundin vor. - Dieses Mal erhält Heiko S. eine Bewährungsstrafe von anderthalb Jahren.

Doch nach zahlreichen Gelegenheitsjobs, zuletzt bei einer Umzugsfirma, dann als ArbeitslosengeldII-Empfänger greift Heiko S. in der Beziehung zu einer wiederholt wesentlich jüngeren, kindlich wirkenden Frau auf altbewährte Muster zurück. Es ist die nun zur Anklage stehende Vergewaltigung von Tatiana B.*, die ebenfalls nach einer Auseinandersetzung und im Raum stehenden Trennung erfolgte.

die letzte Chance: drei Jahre Haft

Zum Urteil. Nach einem erwartungsgemäß reumütigen, letzten Wort des Angeklagten und einer 15-minütigen Beratungspause bestätigt der Vorsitzende Richter Jung im Namen der 38. Großen Strafkammer den Strafantrag der Anklage: drei Jahre Haft wegen Vergewaltigung und vorsätzlicher Körperverletzung. Eindringlich mahnt Richter Jung Heiko S., die sozialtherapeutischen Angebote während der langen Haftzeit zu nutzen: "Wenn nach Strafverbüßung wieder derartiges passiert, droht Ihnen Sicherheitsverwahrung", mahnt er und unterstreicht: "Nehmen Sie sich meine Worte zu Herzen!"

*Name von der Redaktion geändert



NJW schreibt:
"Es gibt noch qualifizierte Gerichtsreporter..."
NJW-aktuell - web.report H. 38/2010, S.3




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Ratlosigkeit und Trauer auch bei den Familienange-
hörigen des Angeklagten
, hier im Gespräch mit dem beigeordneten Pflichtverteidiger.

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