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aus dem moabiter kriminalgericht


Schläge - das angestammte Vaterprevileg


von Barbara Keller

10. Mai 2007. Moabiter Kriminalgericht, 24. Gr. Strafkammer
Alfred S. (45) ist angeklagt, zwischen Mai 2002 und Februar 2006 seine damals neun bis 16 Jahre alten fünf Kinder regelmäßig und unter Alkoholeinfluss verprügelt zu haben. Mit Knüppeln aus Metall, Plastik, einer Eisenstange, einem Holzbügel, der bloßen Hand und einer Fliegenklatsche. 923 Fälle wirft die Staatsanwaltschaft dem Straßenfeger der Berliner Stadtreinigungsbetriebe vor. Doch der gebürtige Berliner, damals Marzahn/Hellersdorf, jetzt getrennt lebend im Prenzlauer Berg, ist lediglich teilgeständig. Und die Ohrfeigen hält er für sein natürliches Vaterrecht.
Urteil vom 30.5.2007

Die Formen von Gewalt gegen Kinder sind vielfältig. Die Berliner Polizeiliche Kriminalstatistik schlüsselt sie unter circa zwölf Einzeldelikte auf. Eines haben alle diese gegen Kinder erfassten Straftaten - in Berlin fünf pro Tag - gemeinsam: die Tendenz ist steigend.

Die höchste Rate an Gewalt gegen Kinder weist die Kriminalstatistik 2006 für die Delikte sexueller Missbrauch gegen Kinder (867 Fälle) und Misshandlung von Kindern (584 Fälle) auf. Damit kommen auf Berlin täglich zwei erfasste Fälle sexuellen Missbrauchs sowie 1,5 Fälle von Kindesmisshandlung.

Die Misshandlung von Schutzbefohlenen ist ein eigener Straftatbestand, unter dem 2006 193 Fälle verzeichnet sind. Die zumindest gefühlte Überzeugung des Züchtigungsrecht der Kinder durch den Vater erfreut sich dabei noch immer einer nicht unbeträchtlichen Zahl von Anhängern.

Auch der Berliner Alfred S. hielt zumindest Ohrfeigen für sein angestammtes Vaterrecht. Im Frühjahr 2006 war der nun von seiner Frau Kerstin getrennt lebende Alfred S. mit seiner 12-jährigen Tochter bei der Polizei vorstellig geworden. Der um das Sorgerecht bemühte Vater wollte die Misshandlung seiner Tochter durch seine Ex-Frau zur Anzeige bringen.

Doch dann berichtet das Kind ganz nebenbei von regelmäßigen Schlägen des stets trunkenen Vaters. Die Vorladungen auch der anderen Kinder ergeben ein schlüssiges Bild. - Die beabsichtigte Anzeige fällt auf Alfred S. zurück.

Am 10. Mai 2007 hat sich Alfred S. vor der 24. Strafkammer des Berliner Landgerichts wegen Misshandlung Schutzbefohlener zu verantworten. Doch Alfred S., bisher übrigens nicht vorbestraft, widerspricht: die Anklage sei falsch.

Die darin gemachten Vorwürfe gründeten alle in den zerrütteten Familienverhältnissen durch die Scheidung und den Reibereien mit den pubertierenden Kindern. Der Vorsitzende Richter Dr. Dieckmann ist skeptisch: "Herr S., das sieht nicht nach einer erfundenen Scheidungsgeschichte ihrer Frau aus."

Im Beisein der Öffentlichkeit offeriert Richter Dr. Dieckmann dem Angeklagten eine knappe Bewährungsstrafe im Falle eines Geständnisses. Und er zählt dem Angeklagten einige potenzielle Beweise und Indizien auf, die gegen ihn sprechen. So hätten die Kinder, die übrigens auf die Nebenklage verzichteten, als Zeugen schlüssige, im Detail übereinstimmende Aussagen gemacht. Seine Frau habe eine Aussage verweigert. Was gegen einen von ihr initiierten Racheakt spricht.

Zudem beteuerten die Kinder unisono: "Wenn er nüchtern ist, dann ist er nett." Richter Dr. Dieckmann: "So verhält sich keiner, der jemanden in die Pfanne hauen will." Und dann gäbe es auch noch Zeugenaussagen von Lehrern, Bekannten, Freunden, Ärzten. - Der kleine, pummelig-gedrungene Alfred S. zieht sich mit seinem Rechtswalt Lutz Thomas zu einer Unterredung zurück. Nach einer längeren, hitzigen Beratung brilliert Alfred S. mit einem seltsamen Teilgeständnis.

Die Sache mit dem Teppichklopfer: ein Versehen. Eigentlich habe er statt seiner Tochter seinen Sohn treffen wollen. Das Handverdrehen bis zur schmerzhaften Stauchung: ebenfalls versehentlich. Das Alkoholproblem: ja und ja auch die 'gelegentlichen' Ohrfeigen, die er in dem betreffend langen Zeitraum nicht zählte. Aber niemals habe er auf seine am Boden liegende Tochter eingetreten.

Dieses Teilgeständnis hilft Alfred S. in keiner Weise weiter. Zu groß sind die Widersprüche zwischen Anklage und Teilgeständnis, erklärt der Richter. Nun wird das ganze Programm der Beweisaufnahme anrollen und die eigenen Kinder gegen ihren leiblichen Vater aussagen müssen.

Rechtsanwalt Lutz Thomas hat schon einmal ein Glaubwürdigkeitsgutachten gegen die Kinder in Aussicht gestellt. Denn wo Wahrheit und Lüge bei den Kinden endeten, sei seiner Meinung nach nicht auszumachen. - Außerdem erklärt Lutz Thomas, dem als Jurist, wie er sagt, klar ist, dass jede Ohrfeige eine Körperverletzung ist: "Ich bin auch mit Ohrfeigen groß geworden. Mich hat es nicht gestört."

Urteil vom 30. Mai 2007
Zweieinhalb Jahre Haft. lautet das Urteil. Das Gericht ging von insgesamt 187 Taten aus. Alfred S. hatte bis zuletzt die Taten bestritten. Die Kinder machten von ihrem Recht der Aussageverweigerung Gebrauch.



NJW schreibt:
"Es gibt noch qualifizierte Gerichtsreporter..."
NJW-aktuell - web.report H. 38/2010, S.3




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Alfred S. soll seine fünf Kinder regelmäßig mit diversen Schlaghilfen verprügelt haben. Der bei der BVG angestellte Straßenfeger räumt indessen lediglich gelegentliche Ohrfeigen ein.

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