An den Türen mancher Diskotheken tobt allnächtlich die tätliche Lust zünftig Berliner Walpurgisnächte. Da staut sich, gestoppt von mürrisch muskeligen Türstehern, das Adrenalin pur. Und wenn dann das Stichwort fällt, dann, dann... fallen die Späne. Denn nun wird gehobelt.
Gehobelt wird aber auch gern, wo keine Stichworte fallen. Dann hilft gelegentlich auch ein stiller Fingerzeig.
Diesen Fingerzeig lieferte nach übereinstimmender Aussage aller Beteiligten am Sonnabend, den 23. Juli 2005, die Bardame des "H2O" an der Diercksenstraße. Ein Hip-Hop-Club in Mitte, der zu 70% von Berlinern ausländischer Herkunft gut besucht ist. Dort soll am besagten Tag nächtens gegen 3:20 im schummerigen Zwielicht taubmachenden Diskogetöses die Bardame unsittlich am Po berührt worden sein. Und zwar vom leicht angeschäkerten Stammgast Werner T.*, der dort locker, wie er sagt, mit Stammgast Nils G. (24) verabredet war.
Als Werner T.* kurz darauf nach einem Toilettenbesuch die WC-Tür hinter sich schließt, zeigt ein sorgfältig manikürter Finger auf ihn: "Der war's!" Lars S. (36) einer der Security-Leute, von denen es im "H2O" mindestens fünf gibt, fackelt nicht lange. "Raus hier!" Arme auf den Rücken gedreht, die Treppen hinaufgedrängt und mit einem letzten Schubs eines Kollegen auf die Straße befördert. Draußen stehen ungefähr 15 Personen herum, die die Vorgänge unfreiwillig beobachten. Darunter Zarko Z. (24), der Werner T.* vom Sehen kennt und ohne in den Club zu wollen, eben da mal so herumsteht.
Werner T.* fühlt sich ungerecht behandelt. Er will zurück in die Diskothek. Und er hat auch einen wichtigen Grund. Seine Jacke, eine "ganz normale Nike-Übergangsjacke" wie er sagt, befindet sich noch im Etablissement. "Gibt’s nicht!", bellt Türsteher Mike L. (31) auf das nicht gerade freundlich vorgetragene Begehr des unsanft Eskortierten. Was daraufhin passierte, rief einen Streifenwagen der Polizei auf den Plan, zog Ermittlungen und ein Verfahren nach sich, das zwei Jahre später am Amtsgericht Tiergarten verhandelt wird.
Angeklagt ist Werner T.*, der übrigens selbst die Polizei gerufen haben soll, unter anderem wegen
Beleidigung und
Bedrohung. Delikte auf die bis zu zwei Jahre Haft stehen können. Auf dem Flur des Moabiter Kriminalgerichts geht es am Tag der Hauptverhandlung weitaus entspannter zu als an jenem Sonnabend 2005. Hier gilt ja auch das etwas andere Hausrecht der Berliner Justizbehörde.
Werner T.* ist früh erschienen und rekapituliert, sichtlich nervös, mit seinen als Zeugen fungierenden Bekannten die unerfreulichen nächtlichen Ereignisse. Dann erscheinen die Herren Türsteher, Lars S. und Mike L., zwei schweigsame Monolithen, die sich - als es in den Zeugenstand geht - kurz und knapp verschwörerisch verständigen: "betrunken, der war betrunken!"
Werner T.*, so lautet der Vorwurf der Anklage schließlich, habe Lars S. und Mike L. in besagter Nacht beleidigt und bedroht. "Heil Hitler", soll er gerufen und den Arm zum nationalen Gruß gestreckt haben. Dann drohte er, heißt es, auch mit einem Rachefeldzug seines Onkels, der angeblich bei den Hells Angels sei. Zu guter Letzt habe Werner T.* - in wütenden Raserei völlig außer sich - die Hose geöffnet, sein Geschlechtsteil entblößt und gedroht: "Ich ficke eure Mutter!"
So weit. Werner T.* bestreitet die Vorwürfe. Er (!) sei das Opfer. Er habe schließlich die Polizei gerufen. Und die Zeugen? Viel Widersprüchliches ist zu hören. Auch die Hauptbelastungszeugen klingen wenig glaubwürdig. Beispielsweise hatte Lars S. 2005 noch klar das Entblößungsszenario bestätigt: "Alle Türsteher haben das gesehen!"
Und heute? Ein kalter, taxierender Blick fällt über die Schulter des Angeklagten auf Lars S. Der erklärt regungslos: "Das habe ich nicht gesehen. Das hat mich nicht interessiert. Ich musste mich um die neuen Gäste kümmern." In diesem Moment geht der bisher langmütige Richter aber doch aus dem Anzug. Ja, was denn? "Haben Sie 2005 gelogen? Mindestens drei Monate Haft stehen auf falscher uneidlicher Aussage!", donnert der Richter.
Das Verfahren geht schließlich aus wie das
'Hornberger Schießen'. Der Staatsanwalt selbst beantragt Freispruch für den Angeklagten. Denn die Beweise reichen für eine Verurteilung bei weitem nicht aus. Auch wenn das Szenario, wie er sagt, so durchaus vorstellbar ist. Das mitangeklagte zweite Delikt, das dem 14-fach vorbestraften Werner T.* vorgeworfen wird, und zu dem dieser erklärte "die wollten auch Stress!", wird dagegen abgetrennt. Denn 'die da auch Stress wollten' und damals im Krankenhaus endeten, haben offenbar kein Interesse an einer Strafverfolgung. Weshalb der in dieser Sache als Zeuge ausbleibende Geladene mit einem Bußgeld von 150 Euro bestraft wird.
Die restlichen Auslagen dieser nächtlichen Eskapade trägt im Übrigen die Justizkasse.
*Name von der Redaktion geändert