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aus dem moabiter kriminalgericht


"Das ist unglaublich, Alter"


von Barbara Keller

23. Okt. 2007. Amtsgericht Tiergarten. Abt. 231.
Am 19. August 2006 geben sich Kathrin L. (33), Kellnerin, und der arbeitslose Oliver W. (31) im Strandbad Wannsee auf ihrem Badehandtuch freizügig ihren sexuellen Gelüsten hin. Es ist Kaiserwetter, man selbst zünftig angetrunken, das Gratiskonzert "Energy In The Park" spitze. Ihre Freunde schießen Fotos und feuern sie an: "Ja, los macht, ihr seid süß!" Doch dann gibt es von der konsternierten Mutter zweier Kinder vom Badetuch nebenan Kritik und die Aufforderung, das Gefummel bitte zu unterlassen. Zweimal. Beim dritten Mal setzt es von Oliver W. als Antwort mindestens einen Faustschlag.

Sonnabend, den 19. August 2006. Im Strandbad Wannsee gibt Radio Energy sein jährliches Gratis-Konzert "Energy In The Park", Berliner Woodstock für alle. Das Bad ist proppenvoll, 30.000 Besucher liegen dicht an dicht und lauschen den Bands Silbermond, Mattafix, Massive Töne, Stacie Orrico und Fergie von den Black Eyed Peas. Auch Bürgermeister Klaus Wowereit spricht ein paar Dankesworte an die Veranstalter, Radio Energy.

Die Masseurin Karin M. (43) und ihr selbständiger Freund Michael K. (43) haben mit den Töchtern und zwei Bekannten ein Plätzchen nahe dem Wasser ergattert, von dem die schwimmende Bühne besonders gut zu sehen ist. Plötzlich fragt die jüngere der Töchter: "Mama, was machen die denn da?"

"Mama, was machen die denn da"

Karin M. schaut sich um und sieht, wie der angetrunkene Oliver W. der volltrunkenen Kathrin L. ungeniert ins Geschlecht fasst. Später sagt sie: "Man konnte bereits die Mandeln sehen." Zweimal bittet sie Oliver W. wegen der Kinder das Treiben einzustellen oder sich woanders hinzulegen. "Machen wir, machen wir", heißt es zunächst. Wenig später motzt Oliver W.: "Kümmere dich um deinen eigenen Mist."

Seine Freundin Kathrin L. ist zu diesem Zeitpunkt bereits nicht mehr ansprechbar. Sie übergibt und beschmutzt sich, dann wird die völlig betrunkene Frau ohnmächtig. Als Karin M. der hilflosen Betrunkenen, die Oliver W. am Wasser abgesetzt hat, um sie zu reinigen, helfen will, eskaliert die Situation. Oliver W. versetzt Karin M. mindestens einen Faustschlag. Möglicherweise hatte Oliver W. dabei jedoch den Freund seines Opfers, Michael K. unterschätzt. Der ihm körperlich scheinbar unterlegene Mann eilt seiner Partnerin zu Hilfe und nimmt Muskelprotz Oliver W. mir-nichts-dir-nichts unter den Arm.

Im Schwitzkasten

So endet der schöne Nachmittag mit "Energy In The Park" für Kathrin L. im Erste Hilfe Zelt des Roten Kreuzes und für beide mit einer Anzeige wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses sowie Körperverletzung. Vier Tage später, am Mittwoch, den 23. August 2006, lässt das Amtsgericht Tiergarten das Verfahren zur Hauptverhandlung zu.

Am 23. Oktober 2007 müssen sich Kathrin L. und Oliver W. vor dem Amtsgericht Tiergarten wegen besagter Vorwürfe verantworten. Die Angeklagten sind mit ihren Freunden als Zeugen erschienen. Sie geben sich siegessicher. Oliver W. und Kathrin L. kuscheln und schmusen im Flur des Amtsgerichts, als wollten sie sagen: "Was ist denn schon dabei." Gemeinsam geht man noch einmal die Ereignisse des strittigen Tages durch. - Um die Ecke, in der Sitzecke des Wartebereichs für den Saal 1104 sitzen betreten schweigend Karin M. und Michael K.

Glück nicht gegönnt

Dann die Hauptverhandlung, in der beide Angeklagten die Tatvorwürfe bestreiten. Kathrin L. sagt: "Ich bin nicht der Mensch, der sich öffentlich freizügig präsentiert." Auch wenn sie sich an nichts erinnern kann, weil sie "sehr, sehr viel getrunken" hatte, sei ihr unvorstellbar, was da passiert sein soll.

Auch Oliver W. behauptet, er hätte keine Faustschläge verteilt. Er trug lediglich seine Freundin auf den Armen zum Wasser, als sich ihm Karin M. in den Weg stellte. Dann habe er seinen "Weg unbeirrt fortgesetzt". - Auch die Freunde bestätigen die Version der Angeklagten. Einer von ihnen, der Bruder der Angeklagten, versteigt sich sogar zu der Aussage, Oliver W. sei von drei Frauen angegriffen worden. Der arbeitslose Christian N. (31) beklagt: "Was sind das nur für Leute, die anderen ihr Glück nicht gönnen."

"Dann hat er zugeschlagen"

Doch beim Patt, bei der Situation Aussage-gegen-Aussage, muss es nicht bleiben. Ein unabhängiger Zeuge, der arbeitslose Max K. (32) tritt in den Zeugenstand und bestätigt die Version der Geschädigten. Oliver W. hätte mit einer Dame "herumgemacht", ihr "am Geschlechtsteil herumgespielt" und an der verrutschten Badehose vorbei in die Vagina gegriffen, sagt er. Auch den Schlag gegen Karin M. bestätigt er.

Das reicht Anklage und Gericht. Das Verfahren gegen Kathrin L. wird eingestellt, weil sie zur Tatzeit unzurechnungsfähig war. Gegen Oliver W., der bereits einschlägig vorbestraft ist, eine Geldstrafe von 1.200 Euro wegen vorsätzlicher Körperverletzung und Erregung öffentlichen Ärgernisses verhängt.

Knapp an der Falschaussage vorbei

In der Urteilsbegründung lässt der Vorsitzende Richter die vorlauten Freunde der Angeklagten im Publikum wissen, dass sich deren Aussagen ganz dicht im Bereich dessen bewegen, "was man im Gericht als Falschaussage bezeichnet". Bewusst habe er keine tiefer gehenden Fragen gestellt, um kein weiteres Verfahren zu provozieren. - Die Resonanz aus der Freundesgruppe lautete dennoch provokant: "Das ist unglaublich, Alter."


NJW schreibt:
"Es gibt noch qualifizierte Gerichtsreporter..."
NJW-aktuell - web.report H. 38/2010, S.3




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Genossen das Gratiskonzert Energy "In The Park" im Strandbad Wannsee zünftig bei Flasche und Sexspielchen.


Karin M. bat vergeblich um Contenance und Rücksicht auf ihre Kinder und wurde tätlich angegriffen.


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