sitemap
Ukrainekrieg, was tun ... Kanzlei Hoenig
gitter
zur Startseite
Mitfahrgelegenheit, blablacar

aus dem moabiter kriminalgericht


Blutige Spielplatzfehde


von Barbara Keller

19. Februar 2008. Moabiter Kriminalgericht. 40. Gr. Strafkammer.
Am Sonntag, dem 23. September 2007, kommt es auf dem Kinderspielplatz Reuterstraße, Neukölln, aufgrund einer Ohrfeige, die der beschäftigungslose Grafikdesigner Ramzie A. (32) einer Zwölfjährigen verpasst, zu einer folgenschweren Auseinandersetzung. Der aus Palästina gebürtige Libanese, der wegen einer mutmaßlichen Beleidigung seiner sechsjährigen Tochter handgreiflich wird, soll während der darauffolgenden Konfrontation mit zwei jungen Männern (18 und 20 Jahre alt) als Ouvertüre eine Kopfnuss verteilt, später das Messer gezogen und einen der Beiden damit lebensgefährlich verletzt haben.

2. Bericht mit Urteil vom 29. Februar 2008

Günay D. (20) sitzt am Sonntagnachmittag des 23. September 2007, zurück vom Sport, gegen 14:45 vor dem Internetcafé am U-Bahnhof Neukölln. Plötzlich sieht der Azubi, wie ein älterer Mann den ihm vom Sehen Bekannten Vahit B. (18) die Karl-Marx-Straße entlang mit sich zerrt. Er geht davon aus, dass der grimmig dreinblickende Mann den Schüler schlagen will.

Günay D. weist Ramzie A. auf den Altersunterschied zu dem 14 Jahre jüngeren Vahit B. hin und bietet sich aushilfsweise als Klärungsinstanz an. Doch Ramzie A. wehrt ab: "Misch dich da nicht ein!" Günay D. versucht, die Beiden voneinander zu trennen. Doch dann versetzt Ramzie A. dem Schüler plötzlich eine Kopfnuss.

Im Ring

In dem darauffolgenden Handgemenge, bei dem zwei der Kontrahenten auch zu Boden gehen, soll Ramzie A. ein Messer gezogen und Günay D. damit einen lebensgefährlichen Stich direkt unter das Herz beigebracht haben.

Die Auseinandersetzung findet unter den Augen von circa 30 Zeugen statt. Darunter Erwachsene aus dem Kiez, Männer aus dem Wettbüro, zahlreiche Jugendliche und kleine Kinder, die freilich in der letzten Reihe stehen. Aber im Zentrum des von hysterischen Schreien begleiteten Gerangels befinden sich auch Susanne M. (26), die Freundin von Ramzie A., und ihre gemeinsame Tochter (6).

Auch Susanne M. schreit mit sich überschlagender Stimme: "Hört auf, hört auf!" und "Lass meinen Mann in Ruhe!" Laut eines 15-jährigen Zeugen zieht Susanne M., nachdem Günay D. die Stichverletzung empfängt, ihren Freund rasch mit sich. Hinter ihr tobt und rast, erbost über den feigen Messerstich, Günay D.: "Holt mir ein Messer! Ich stech ihn auch ab!"

Messer in der Kinderjacke

Die herbeigerufene Polizei macht sich kurz darauf mit dem 15-jährigen Zeugen André M. und mithilfe von Zeugenhinweisen auf die Suche nach dem Täter und findet Susanne M., die eingewickelt in einer Kinderjacke das blutige Messer in einer Plastiktüte bei sich führt. Susanne M. nimmt jegliche Schuld auf sich. Sie behauptet, sie (!) habe in Notwehr auf Günay D. eingestochen, nachdem sie (oder das Kind) mit einem Messer angegriffen worden sei. Die Waffe selbst habe sie ihrem impulsiven Freund in weiser Voraussicht abgenommen. - Fünf Minuten vor der Eskalation des Streits.

Auf der Fahrt zum Abschnitt weint Susanne M. hysterisch. "Es war Notwehr!" und wiederholt verzweifelt: "Was habe ich bloß gemacht! Was habe ich bloß gemacht!" - Aber die Polizei ist von Beginn an skeptisch. In der Handtasche der Frau findet sie neben der Duldung ihres Freundes auch ein Foto von ihm. Der Schüler André M. erkennt in dem Mann den flüchtigen Kontrahenten der stattgehabten blutigen Händel wieder.

Keine Erklärung!

Fünf Monate später muss sich Ramzie A., der seit dem 25. September 2007 in Untersuchungshaft sitzt, ein mittelgroßer, drahtiger Mann in Stoffhose, dunklem Wollpullover mit auffallend lebhafter Mimik, vor dem Berliner Landgericht wegen versuchten Totschlags verantworten. Vertreten von Rechtsanwalt Nicolas Becker zeigt sich der Angeklagte wenig kooperativ. Es gibt weder eine Aussage noch eine Erklärung von Ramzie A.

Doch die Strafkammer lässt am ersten Tag der Hauptverhandlung Gutachter Jens Köhler (46), Facharzt für Psychiatrie, die Tathergangsversion des heute Angeklagten während seiner Exploration vortragen. Nach dessen Darstellung saß Ramzie A. mit seiner Freundin am besagten Tag auf einer Bank des Spielplatzes, als seine sechsjährige Tochter angelaufen kam und weinte: "Die anderen Kinder sagen, ich stinke!"

"Die sagen, ich stinke!"

Während Ramzie A. seine Tochter beschwichtigte, "Die sind doch behindert! Du bist eine Blume!", sollen besagte Kinder auch Schmähungen gegen seine Frau geäußert haben, darunter "Schlampe" und "Hure" (zuvor muss wohl die jetzt auch von Ramzie A. eingestandene Schelle gegen ein 12-jähriges Mädchen erfolgt sein, d. R.). Schreiend verfolgten die Kinder das Paar, das einen anderen Spielplatz aufsuchen will, in Richtung Rathaus Neukölln.

Den ihn zur Rede stellenden Vahit B. will Ramzie A. nach seiner Version mit einem Bruderkuss zu einem beschwichtigenden Gespräch aufgefordert haben. Und dann, so Ramzie A., griff einer der jungen Männer zuerst seine Freundin mit einem Messer an. "Die Frau lief schief", erklärte er dem Psychologen. Worauf auch er, Ramzie A., das Messer zog. Nach diesen Vorkommnissen, der Kopfnuss und dem Messereinsatz, flüchtete Ramzie A. In der Sonnenallee dann will er realisiert haben: "Scheiße, ich habe ihn getroffen."

Wir standen am Neuanfang

Am zweiten Tag der Hauptverhandlung, am 22. Februar 2008, ist neben der lebhaften Schilderung der Vorgänge am 23. September 2007 durch einen 15-jährigen Neuköllner Schüler auch die Freundin des Angeklagten, Susanne M., zu hören. Die mädchenhaft wirkende, schmächtige Bürokauffrau erklärt, der Angeklagte sei ihr Verlobter und führt aus: "Wir haben uns das Eheversprechen schon lange gegeben und wollten auch heiraten." Nein, eine Aussage sei von ihr deshalb nicht zu erwarten.

Die Vorsitzende Richterin Gabriele Strobel ist erstaunt. Hatte Susanne M. doch gegenüber der Polizei erklärt, Ramzie A. sei nichts als der Erzeuger ihrer Tochter. Seit vier Jahren lebe sie nicht mehr mit ihm zusammen. Aus mental kulturellen Gründen sei eine Partnerschaft gescheitert.

Aber Susanne M. widerspricht: Sie habe damals nur über den gegenwärtigen Status ihrer Partnerschaft aber nichts über seine Zukunft ausgesagt. Tatsächlich hätte man nämlich heiraten wollen und gemeinsam eine Dreizimmerwohnung gesucht. "Wir standen kurz vor einem Neuanfang", sagt Susanne M. Das habe sie damals nicht gesagt, weil man sie danach nicht gefragt habe.

Ein Lächeln und ein Kuss

Weiterer Fragen ledig ist Susanne M. entlassen. Ein Kuss und Lächeln zur Anklagebank, das euphorisch erwidert wird und weg ist die aussageunwillige Zeugin.

Am Dienstag, dem 26. Februar 2008, könnten die Beweisaufnahme geschlossen und die Schlussvorträge zu hören sein.

- nach oben -



NJW schreibt:
"Es gibt noch qualifizierte Gerichtsreporter..."
NJW-aktuell - web.report H. 38/2010, S.3




gitter

Güney D. (20) saß vor dem Internetcafé am U-Bahnhof Neukölln, als er sah, wie ein älterer Mann einen 18-Jährigen mit sich zog und mit einem Kopfstoß attackierte. Als er sich einmischte, verpasste ihm der heute angeklagte Ramzie A. einen Messerstich nahe dem Herzen.


Vahit B. (18) stellte Ramzie A. zur Rede: "Was machst du? Warum schlägst du Kinder?"


Susanne M., die Freundin des Angeklagten, bezichtigte sich gegenüber der Polizei zunächst selbst der Tat und macht vor Gericht von ihrem Zeugnisverweige-
rungsrecht
Gebrauch. Trotzdem sie seit vier Jahren nicht mehr mit Ramzie A. unter einem Dach lebt, sagt sie: "Er ist mein Verlobter. Wir haben uns das Eheversprechen schon lange gegeben."


Rechtsanwalt Nicolas Becker erklärt zu seinem Mandanten Ramzie A.: "Er ist kein Verfechter von 'Kinderschlagen'. Das ist ihm auch peinlich." Zudem macht Rechtsanwalt Becker schon jetzt § 24 StGB für Ramzie A. geltend: "Ich gehe davon aus, dass mein Mandant von der Ausführung der Tat zurückgetreten ist."

Anzeige
Kanzlei Luft
In eigener Sache:
Barbara Keller, Sieht so eine Mörderin aus?
Kanzlei Hoenig Kanzlei Hoenig Ukraine Krieg, was tun ...