Am Freitag, dem 29. Februar 2008, war
nach einem erstaunlich kurzen Prozess das Urteil im
Verfahren gegen Ramzie A. zu hören. Hatten sich
eingeweihte Zuschauer schon auf ein "never ending
procedure" wie im
Verfahren
gegen Jason P. M. eingestellt, wurden sie von einem
auffallend sachlichen Ton der Verteidigung
überrascht.
So strapazierte die Verteidigung aus der
Kanzlei Becker-Conen in diesem
Prozess weder das Gericht mit enervierenden
Beweisanträgen, noch mit Versuchen, die Kammer
über das Wesen der Autorität zu belehren oder
sie gar, wie zuvor geschehen, zu überschreien.
Rechtsanwalt Nicolas Becker beließ es dieses Mal
nach einem tiefen Atemzug lediglich bei einem: "Ich
weiß den Stil der Prozessführung der
Vorsitzenden Richterin zu schätzen."
Die 40. Große Strafkammer unter Vorsitz von
Richterin Gabriele Strobel verurteilte Ramzie A. wegen
gefährlicher und einfacher Körperverletzung zu
einer Haftstrafe von drei Jahren und neun Monaten.
In der ausführlichen Urteilsbegründung nahm
Richterin Strobel noch einmal Bezug auf die prekäre
Situation des aus Palästina gebürtigen
Libanesen. Ramzie A. habe aus besonders bedrängten
Verhältnissen stammend eine sozial erstaunliche
Entwicklung genommen, eine solide Schulausbildung genossen
und nach einer Berufsausbildung auch zwei Jahre in seinem
Beruf gearbeitet.
Sein 'fragiler' Zustand gründe in der Zeit nach der
Flucht wegen der politischen Situation aus seiner Heimat.
Ramzie A. sei ein 'hellwacher', 'reaktiver' Typ, dem seine
derzeitige Situation nicht gestatte, ein Selbstbewusstsein
aufzubauen und anzukommen. Die Duldung, die verwehrte
Arbeitserlaubnis machten es ihm 'sehr, sehr schwer'.
Die über die Jahre erfahrenen, vielen Kränkungen
hätten Ramzie A. konditioniert, auf Konflikte
überempfindlich zu reagieren. Für Ramzie A., der
nach wie vor enge Kontakte nach dem Libanon pflegt und in
einem Ausländerwohnheim untergebracht ist, sind seine
Freundin Susanne M. und sein Kind der tragende Fixpunkt im
Exilland seiner Wahl.
Nichtsdestotrotz machte die Kammer deutlich, dass Ramzie
A. bereits zweifach einschlägig vorbestraft ist und
zur Tatzeit unter Bewährung stand. Dieser Umstand
mache es unerlässlich, eine Freiheitsstrafe zu
verhängen.
Ramzie A. sei es schließlich auch gewesen, der das
Verhängnis mit der Ohrfeige in Gang gesetzt und mit
einer gewissen missverständlichen Distanzlosigkeit
das Missbehagen und die Reaktion des 19-jährigen
Vahit B. provoziert hätte.
Die Kammer folgte den Ausführungen, des
Sachverständigen Jens Köhler (46), Facharzt
für Psychiatrie, der eine erheblich geminderte
Steuerungsfähigkeit des Angeklagten zum Zeitpunkt der
Tat annimmt. Aufgrund einer möglichen emotionalen
Überflutung seien Ramzie A. ruhige Überlegungen
offenbar nicht mehr möglich gewesen.
Der
Vorwurf des
versuchten Totschlags wurde von der Kammer fallen
gelassen und auf gefährliche
Körperverletzung fokussiert. Denn, so Richterin
Gabriele Strobel zu dem Angeklagten: "Sie hätten
öfter zustechen können. Sie haben sich jedoch
aus freien Stücken entschlossen, den Kampfplatz zu
verlassen."
Wegen bestehender Fluchtgefahr beließ es die Kammer
bei der Aufrechterhaltung Haftverhältnisse.