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aus dem moabiter kriminalgericht


Totgepflegt - der fast perfekte Mord


von Barbara Keller

2. März 2005. Kriminalgericht Moabit. 29. Gr. Strafkammer.
Fast hätte es geklappt. Noch zwei Tage waren es bis zur Einäscherung der am 21. Mai 2004 verstorbenen Rentnerin Editha N. (73) aus Berlin Lichtenrade. Nur durch Zufall kamen Beamte des Betrugsdezernats zur rechten Zeit auf die Idee einer Obduktion und stellten fest: Editha N. wurde ermordet. Erdrosselt, nachdem ein Vergiftungsversuch fehlschlug. Die Täterin soll ihre Pflegerin, die gelernte Apothekenhelferin Sabine R., sein, die innerhalb von vier Jahren acht alte Menschen um rund 22.000 € erleichterte. Aus Furcht vor Entdeckung tötete sie Editha N., so der Vorwurf der Staatsanwaltschaft.


Am 21. Mai 2004 gegen 6:00 ruft Pflegerin Sabine R. den Notarzt in den Bornhagenweg 41 A, Lichtenrade. Ihre Patientin ist offenbar böse mit der Gehhilfe gestürzt, die nun den Eintritt zu ihrem Schlafzimmer versperrt. Dahinter liegt Editha N. tot auf dem Boden. Ein Routinefall wie es scheint. Der Notarzt bescheinigt eine natürliche Todesursache und macht noch ein Foto vor Ort. Nach ihrem eigenen Willen soll Editha N. alsbald eingeäschert werden.

Sabine R. ist eine kleine, umsichtige, aufgeschlossene Person. Sie pflegt alte Menschen und verdient sich ihr Geld auch mit Putzen. Wie Editha N. wohnt sie in dem zehngeschossigen Neubau am Bornhagenweg 41 A. Die resolute, herzliche Person besitzt das volle Vertrauen der alten Dame, die sich nur noch schlecht bewegen kann aber geistig rege ist. Selbstverständlich hat Sabine R. auch Kontenzugriff.

Aber die Schwiegertochter von Editha N. traut der emsigen Pflegerin nicht über den Weg. Bereits Ende 2003 erstattet sie eine Betrugsanzeige gegen Sabine R. Die Mühlen der Ermittlungsbehörden mahlen langsam aber mit Präzision. Als Anfang Juni 2004 Beamte des Betrugsdezernats vor der Wohnungstür von Editha N. stehen, um der Anzeige nachzugehen, erfahren sie vom Tod der Rentnerin. Sofort erstatten sie einen Antrag auf Obduktion - zwei Tage vor dem Einäscherungstermin. Das Ergebnis: Editha N. wurde getötet. Erdrosselt, nachdem offenbar ein vorheriger Vergiftungsversuch scheiterte.

Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft führen zur Pflegerin Sabine R., die bei weitem kein unbeschriebenes Blatt ist. Gerade verbüßt sie eine Bewährungsstrafe wegen Betrugs. Alle Indizien weisen auf eine Täterschaft der gelernten Apothekenhelferin. Noch im Juli 2004 wird Sabine R. verhaftet, die die Betrugsdelikte einräumt, aber eine Mordtat bestreitet.

Am 2. März 2005 betritt Sabine R. beschwingt und unternehmend den Gerichtssaal als handle es sich um eine Betriebsversammlung. Sie ist eine kleine, kurzhaarig blonde Person, die Hilfsbereitschaft und Offenheit signalisiert. Ein Zuschauer raunt verwundert: "Sieht so eine Mörderin aus?" Als Staatsanwalt Holger Freund die Anklage verliest, fühlt sich wohl mancher genötigt, seine Menschenkenntnis auf den Prüfstand zu heben.

Innerhalb von vier Jahren soll Sabine R. die Konten von sieben Rentnern geplündert haben, bei denen sie als Putzhilfe oder Pflegerin beschäftigt war. Sie beglich mit dem Geld der alten Leute zahlreiche Rechnungen von Versandhausbestellungen, kaufte Videokassetten - darunter den Horrorschinken "Haus der Verdammnis" von Stephen King - und handelt mit den verschreibungspflichtigen Medikamenten der Alten.

Sabine R. fälschte Urkunden, stahl, borgte sich Geld, das sie nicht zurückzahlte und erschlich sich das Vertrauen von Editha N., indem sie sich fälschlich als Gattin eines Polizeibeamten vorstellte. Das Diebesgut, darunter auch Schmuck, brachte sie ins Pfandleihhaus. Als sie die Ersparnisse von Editha N., circa 20.000 €, rumgebracht hatte und kein Geld für die Miete mehr da war, ermordete Sabine R. aus Angst vor Entdeckung die alte Dame. So heißt es von Seiten der Staatsanwaltschaft.

Die Angeklagte Sabine R. sitzt während der Anklageverlesung bescheiden lächelnd da. Die Hände ruhig gefaltet, dicht neben ihrer Rechtsanwältin, über die sie wissen lässt, dass sie von ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch macht. In einem früheren Verfahren wegen Betrugs soll Sabine R. erklärt haben, sie sei seit einem Besuch in den Spielhöllen Las Vegas’ spielsüchtig. Staatsanwalt Holger Freund hält jedoch eine krankheitsbedingte Motivationslage für ausgeschlossen. Auch ein anderer Täter kommt für ihn nicht in Betracht: "Alle Indizien weisen auf Sabine R. als Mörderin hin. – Auch wenn Sabine R. wohl offenbar selbst glaubt, sie war es nicht." - Wenn die Staatsanwaltschaft dem Gericht ihre Indizienkette glaubhaft machen kann, droht Sabine R. eine lebenslange Freiheitsstrafe. Das Urteil wird im Mai dieses Jahres erwartet.

Urteil:
Sabine R. wurde wegen Mordes und Betrugs zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe (Gesamtfreiheitsstrafe) verurteilt.



NJW schreibt:
"Es gibt noch qualifizierte Gerichtsreporter..."
NJW-aktuell - web.report H. 38/2010, S.3




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Staatsanwalt Holger Freund
Staatsanwalt Holger Freund. "Die Indizienlage, die Pflegerin Sabine R. des Mordes an der Rentnerin Editha N. zu überführen ist ausreichend."

Bornhagenweg

Bornhagenweg 41 A
Hier, im Bornhagenweg 41 A, wohnten Pflegerin Sabine R. und Mordopfer Editha N. unter einem Dach.

Bornhagenweg 41 A
Der Hauseingang Bornhagenweg 41 A.

Klingelbrett Bornhagenweg 41 A
Am Klingelbrett des Bornhagenweg 41 A ist nur noch der Name von Sabine R. zu finden.

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