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aus dem moabiter kriminalgericht


"Du hast doch nischt jemacht"


von Uta Eisenhardt

"Wenn es Geld gibt", sagt Courtney Sperber* zu ihrer Freundin Angelika, dann müssen wir rüber in das andere Gebäude. Hier zahlen die dit nich aus." "Warum soll ick Geld kriegen", fragt Angelika Konietzni* "Na du bist doch unschuldig. Du hast doch nüscht jemacht!", bekommt Angelika zur Antwort. Hartz IV-Empfängerin Jacqueline kennt sich aus in Moabit. "Länger als ´ne Stunde wird dit nich dauern", sagt die kleine Frau mit den dicksohligen Turnschuhen zu dem neben ihr sitzenden Sohn – ein Junge im Grundschulalter, der unentwegt mit seinem Gameboy spielt.

Angelika Konietzni wird beschuldigt, eine Schlägerei angefeuert zu haben: "Von mir aus kannst du ihn totschlagen!", soll die ruhige Frau mit dem verlebten Gesicht einem Mann zugerufen haben, der sich mit einem anderen prügelte. Das ist Beihilfe zur schweren Körperverletzung.

An jenem Samstagnachmittag vor einem Jahr hatte die 44jährige Küchenhelferin bereits einem anderen Lokal einen Besuch abgestattet, als sie in Begleitung ihres Freundes etwas angeheitert ihre Stammkneipe "Interbistro Grill" in Schöneweide aufsuchte. Dort traf sie auf ihren alten Bekannten Michael Beyer*, dem sie noch 20 Euro für einen MP3-Player schuldete. Sobald sie das Geld hätte, würde sie es ihm geben, so hatten es die beiden verabredet.

Nun war Angelika in ihrer Stammkneipe, wo sie anschreiben lassen kann, und beschloss, eine Runde Schnaps auszugeben. Alle Freunde und Bekannten hatte sie dazu eingeladen, nur nicht den betrunkenen Michael Beyer - dem Mann, dem sie Geld schuldete. Das war ein Fehler, auch der Richter sieht das so: "Ist ja auch nicht so nett, wenn Sie allen anderen ein Gläschen spendieren und ihm, bei dem Sie Schulden haben, nicht."

Beyer muss ähnlich empfunden haben, jedenfalls schlug er auf Angelika ein. Der Wirt bat den Angreifer, sich auf seinen Platz zu setzen. Nun kassierte er die Schläge. Minuten später wurde die Polizei gerufen, ein Krankenwagen transportierte den Verletzten ab. Der Onkel des Opfers wurde zu Hause angerufen und vom Skatspielen direkt an den Tresen beordert. Schläger Beyer aber hatte sich verkrümelt.

Plötzlich tauchte er wieder auf. Mit den Worten: "Und du hast die Polizei gerufen!", bedrohte er Angelika erneut. Die flüchtete sich mit Hilferufen aus der Kneipe, Beyer verfolgte sie. Doch bevor er nach ihr schlagen konnte, rissen ihn mehrere Leute zurück, einer beförderte den Betrunkenen schlussendlich zu Boden. In dieser Lage erblickte ihn Angelika Konietzni. Dabei sollen jene Worte gefallen sein, die sie jetzt nach Moabit brachten.

Wenn Sie etwas gesagt hat, dann höchstens: Schlagt ihn NICHT tot!, sagt die Angeklagte. Aber sie erinnert sich noch nicht einmal daran, ob sie überhaupt etwas gesagt hat. "Die Äußerung ist gefallen, definitiv", sagt ihre Freundin Jacqueline, die als Zeugin geladen ist. Doch auch sie weiß sie nicht mehr genau, ob sie "Schlagt ihn tot!" oder "Schlagt ihn NICHT tot!" vernahm und von welcher Frau in der überfüllten Gaststätte überhaupt dieser Satz gerufen wurde. Aber ganz sicher habe ihre Freundin, "die Frau Kon..." An dieser Stelle stockt sie und sagt: "Ick kann den Namen immer nicht aussprechen".

"K O N I E T Z N I", souffliert ihre Freundin von der Anklagebank. "Sagen Sie doch einfach Frau Angelika", bietet der Richter an. "Wir sind schon seit Jahren befreundet", sagt Jacqueline. Frau Angelika würde so etwas nie sagen. "Ich trau ihr das nicht zu." Ihr Exfreund und Schläger Michael Beyer aber, sagt Jacqueline, der habe seine Bewusstlosigkeit nur vorgetäuscht und im übrigen habe er das auch nicht zum ersten Mal gemacht.

Der Richter hat genug gehört. "Muss noch etwas geregelt werden?", fragt er die Zeugin. Die schüttelt den Kopf, aber ihr kleiner Sohn hat vor ein paar Minuten gut aufgepasst. "Mit dem Geld", flüstert er von den Zuschauerreihen seiner Mutter zu. "Mit dem Geld!" Drei Schritte und die Mutter ist bei ihrem Sohn. Sie schnappt sich Kind nebst Einkaufstüten und zischt es beim Verlassen des Saales an: "Bist du ruhig!"

Jacqueline hat Recht behalten, Angelika Konietzni wird freigesprochen. Es sei nicht eindeutig, ob und was gerufen wurde, sagt der Richter. Er empfiehlt der Angeklagten, sich das nächste Mal ihre Wortwahl besser zu überlegen: " Wenn man etwas ruft, sollte man eindeutige Formulierungen wählen, die nicht zu Missverständnissen führen!" Angelika nickt brav.

*Name von der Redaktion geändert



NJW schreibt:
"Es gibt noch qualifizierte Gerichtsreporter..."
NJW-aktuell - web.report H. 38/2010, S.3




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