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"Es ist ein Unding, so mit Mietern umzugehen!"

- Dreiste Entmieter erkannten Strafbefehle an -

von Barbara Keller

Eine ziemlich dreiste und schnelle Entmietung hofften die beiden Hauseigentümer Petra und Reiner P. mit Bauleiter Mohamed M. im Winter 2007 in der Wilhelm-Stolze-Straße 16 im Friedrichshain hinzulegen. Das damals noch verheiratete Paar P. erwarb die Immobilie mit dem in Ost-Berlin üblichen Substandard und den zuträglichen Mieten im Juni 2007 günstig auf einer Auktion der Deutsche Grundstücksauktionen AG. Es beabsichtigte offenbar, die Mietwohnungen nach Sanierung in Eigentumswohnungen umzuwandeln. Bereits drei Monate nachdem das Haus den Besitzer wechselte, flatterte den Mietern die Information über die Sanierungsabsichten des Ehepaars P. in die Briefkästen. Wenig später begann der Terror...

Am 1. Dezember 2007 stand auch schon der Bauzaun. Von zweieinhalb bis drei Jahren Umbau und massiven Beeinträchtigungen war die Rede. Die raubeinigen Entmieter boten ihren Mietern Hilfe bei der Wohnungssuche und eine Abfindung in Höhe von 5.000 € an. Letzteres allerdings unter der Bedingung, innerhalb von 20 Tagen das Feld zu räumen.

Doch nur ein Mieter zieht tatsächlich aus. Ein weiterer Mieter, der vergeblich die Abfindung auf 10.000 Euro zu drücken hofft, bleibt. Drei Tage später soll dann der Terror mit einem Wasserschaden begonnen haben, so Mieter Professor Lars M. Die Fenster wurden eingeworfen, Telefonleitungen zerstört, die Gasleitung demontiert. Mitten im Winter saßen die Mieter ohne Heizung und Kochmöglichkeit da.

Auch das Schloss an der Hauseingangstür ist am 4. Dezember 2007 plötzlich ausgetauscht, der Vermieter seltsamerweise nicht erreichbar. Die Mieter heizen mit den zum Glück vorhandenen Kachelöfen, gehen ins Fitnesscenter und ins Schwimmbad zum Duschen und erreichen nur mühsam über Einstweilige Verfügungen die Besserung der Wohnverhältnisse.

Noch ein halbes Jahr später inseriert die Berliner Lion Immobilien für Hauseigner Petra und Reiner P. die Wilhelm-Stolze-Straße 16 für 990.000 € als "komplett leer". Dabei ist auf dem Foto des Inserats deutlich der begrünte Balkon des Mieters Markus Sch. zu sehen. Der behielt die Nerven und wohnt bis heute in der Wilhelm-Stolze-Straße 16. Er erklärt: "Wenn man eine Woche mit dem Campingkocher dasitzt, dann hat man nicht mehr den Anspruch, dass morgen tapeziert wird."

Mieter Professor Lars M. indessen gibt irgendwann genervt auf. Er zieht zunächst zu einer Freundin nach Hamburg, dann in den Berliner Osten nach Lichtenberg.

Über Weihnachten 2008 bearbeitet Richter Wolfgang Konecny den Fall, der ihm als versuchte Nötigung auf den Tisch kommt. Ein Delikt, das eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe nach sich zieht. "In einem Anflug von weihnachtlicher Milde", so der Richter später, sei er dem Entwurf der Staatsanwaltschaft gefolgt und reichte drei Strafbefehle an die rüden Entmieter aus.

Petra und Reiner P. sowie Mohammed M. müssen sich wohl sehr sicher gewesen sein, dass sie auf die über die Weihnachtstage ergangenen Strafbefehle gegen sie Einspruch einlegten. Im Raum gestanden hatten Bußgelder in Höhe von zweimal 3.600 Euro und 1.200 Euro. Anwaltlich gut beraten waren sie sicher nicht.

Denn am Tag des Hauptverahndlung am 26. März 2009 machte der vorsitzende Richter deutlich: "Freisprüche stehen nach Überfliegen der Aktenlage nicht ins Haus." Zur Verteidigung der Rechtsordnung seien im Fall der Verurteilung Freiheitsstrafen unabdingbar. Richter Wolfgang Konecny betonte: "Es ist ein Unding, so mit Mietern umzugehen!"

Fünf Minuten Zeit gab der Richter Konecny den Angeklagten, vor Eröffnung der Beweisaufnahme ihre Widersprüche zurückzunehmen. Die Staatsanwaltschaft hatte vorab ebenfalls diesem Kompromiss zugestimmt. Fünf Minuten später erklärten sich Petra und Reiner P., in der Zwischenzeit geschieden, und Mittäter Bauleiter Mohamed M. mit der Verhängung der Strafbefehle einverstanden.

Allerdings erreichen Petra P., jetzt Empfängerin von ALGII, und Mohamed M., der zwischenzeitlich Insolvenz anmelden musste, eine Milderung der Strafe. Zuletzt wird der Strafbefehl für sie auf 30 Tagessätze á 15 Euro (Petra P.) und 60 Tagessätze á 30 Euro für Mohamed M. angesetzt. Für Reiner P., der weiterhin als Geschäftsführer tätig ist, bleibt es bei 60 Tagessätzen á 60 Euro.

Inwieweit die Geldstrafe das Rechtsbewusstsein der drei Entmieter erreicht hat, bleibt fraglich. Auf der Straße vor dem Gerichtsgebäude tönt jedenfalls Mohamed M. wider besseren Wissens laut herum: "Sie müssen schon beide Seiten hören! 20.000 Euro haben die bekommen!"


NJW schreibt:
"Es gibt noch qualifizierte Gerichtsreporter..."
NJW-aktuell - web.report H. 38/2010, S.3




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Petra und Reiner P., Mohamed M. hofften, ein Haus in Friedrichshain mit rüden Mitteln entmieten zu können und erhielten Strafbefehle, die sie zunächst nicht anerkennen wollten.


Professor Lars M.: heizen mit Kachelofen, kochen mit Gaskocher, duschen im Fitnesscenter oder in Schwimmbädern, Telefonate, einstweilige Verfügungen... -
Er zog schließlich, genervt von den desolaten Wohnbedingungen aus.


Markus Sch. behielt die Nerven. Er wohnt noch heute in der Wilhelm-Stolze-Straße.


Die Wilhelm-Stolze-Straße 16 wurde im Juni 2007 für ein Mindestgebot von 520.000 € auf den Markt geworfen und ging für 615.000 € über den Tisch. Im Sommer 2008 offerierte sie der Hauseigentümer den Tatsachen widersprechend als "komplett leer" für 990.000 €


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