"Wie soll denn das mit Ihnen weitergehen?", fragt der vorsitzende Richter vorwurfsvoll den Angeklagten. Bereits fünf Bände sind in der Zwischenzeit im Moabiter Kriminalgericht zur Sache aufgelaufen. "Das hat man ja selten", ergänzt er und konkretisiert: "Sehen Sie denn irgend etwas am Horizont, wie die Angelegenheit enden kann?"
Aber Rolf W. hat seine Unbeugsamkeit in dieser Sache bereits mit einer Einlassung zu Beginn der Hauptverhandlung bekräftigt. "Ich habe keine Drohanrufe getätigt", lässt er über seinen Rechtsanwalt Dieter-J. Schulze wissen. Auf ein Geständnis, einen Kompromiss und ein schnelles Ende des Verfahrens hofft der Richter vergeblich.
Vor sechs Jahren fing es an
Stattdessen versucht der Magdeburger Finanzdienstleister, jetzt auch Verleger, Rolf W., den Richter ins 'rechte Licht' zu setzen. Vor sechs Jahren habe alles mit einem Erbschaftsstreit begonnen. Die dubiose Reiseveranstalterin Regina Sch. und verurteilte Betrügerin, habe seinen angeheirateten Schwiegervater zur Ader gelassen, sodass der anfangs vermögende Mann, damals über 100-Jährige, schließlich verschuldet gewesen sei.
Regina Sch. habe sich zur Generalbevollmächtigten des alten Herren gemacht, ihn in den Ruin gestürzt und sich selbst an ihm bereichert. Der Gipfel jedoch seien die Anwürfe der Berlinerin, er, Rolf W., habe 300.000 Euro des alten Mannes in Fondsgeschäften veruntreut und verfüge als ehemaliger Stasioffizier über einschlägige Altkontakte in Magdeburg. Besonders heikel war der Stasivorwurf auch gegen den Rest der Familie, da Tochter und Sohn des heute Angeklagten als Richter und Staatsanwalt an Magdeburger Gerichten beschäftigt sind.
Freie Erfindungen
Rolf W. bestreitet vehement, wie in der Anklage zu lesen, Regina Sch. in Telefonaten bedroht und beleidigt zu haben. Er erklärt: "Das sind alles freie Erfindungen." Zur Zeit der Drohanrufe im Februar und April 2008, so sagt Rolf W., war er einmal im Badegarten von Eigenstock saunieren, dann im Fitness-Center Nautilus, an der Kasse eines Kaufhofs, einem weiteren Fitness-Club sowie einer gutsortierten Schlachterei in Bad Malente und bringt die auch jeweiligen Quittungen bei.
Rechtsanwalt Schulze beantragt nun die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Glaubwürdigkeit der vermeintlich Geschädigten Regina Sch., die seines Erachtens an einer depressiven, narzisstischen Persönlichkeitsstörung leidet und erlebtes Geschehen von nur Gedachtem nicht zu unterscheiden wisse.
König der Schmutzwörter
"Das sollten Sie mal mit Ihrem Mandanten machen lassen!", wettert dagegen die Zeugin Regina Sch. Sie sei es leid, beleidigt, gedemütigt und verletzt zu werden. 450-460 Emails mit übelsten Beschimpfungen und Beleidigungen habe sie von Rolf W. erhalten. Darüber hinaus 125-130 Briefe und Postkarten sowie die schlimmen Telefonate, in denen wiederholt das Schmutzwort "Drecksau" eine exponierte Stellung eingenommen habe. Ins Guinness-Buch der Rekorde gehöre Rolf W. mit seinen Auslassungen.
So fein, wie Herr W. jetzt dort säße, sagt Regina Sch., wäre er bei weitem nicht. Dann lässt sich Regina Sch. dazu hinreißen, einen der vermeintlichen Schmähanrufe des Rolf W. zu zierten. Sie ereifert sich: "Ich war Führungsoffizier der Staatssicherheit und habe die P.* beim RIAS eingeritten. Jedes Mal hat sie geschrien: 'Hier ist der RIAS, eine freie Stimme der freien Welt.'"
Wir brauchen einen Fortsetzungstermin
An diesem Punkt der Gemütserhitzung von Regina Sch. unterbricht der Vorsitzende Richter die Ausführungen der Geschädigten mit dem Hinweis auf den Paragraf §55 der Strafprozessordnung. Da gegen Regina Sch. in dieser Sache ein Verfahren wegen Beleidigung anhängig ist.
"Wir brauchen einen Fortsetzungstermin", erklärt der vorsitzende Richter schließlich und nimmt zuletzt von Regina Sch. eine CD, die sie "Diskette" nennt, entgegen. Auf dieser sollen Schmähanrufe des Rolf W. aufgezeichnet sein. - Ein Beweismittel, das die Geschädigte dem Gericht bislang vorenthielt.