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Kostenloser Sexkontakt wurde teuer


von Barbara Keller

Di., 18.05.2010, 10. gr.SK
Ein Referent des Bundestages träumt von schnellem Sex mit einem jungen Mann, vielleicht auch von mehr. Im Winter vergangenen Jahres kontaktiert er auf der Erotik-Internetplattform poppen.de, auf der er einen Account eingerichtet hat, per Email den 20-jährigen Abdulla Y. und lädt ihn zu einem nächtlichen Schäferstündchen in seine Wohnung. Doch Abdullah, an diesem Abend von seinem Freund Muhammed E. (21) begleitet, wünscht sich neben Fesselspielen einiges Handfestes mehr...


Heißhunger ist kein guter Kaufberater. Das ist bekannt. Der Appetit auf eine ganze Turnhalle voll Erdbeeren führt konsequent umgesetzt zu Magengrimmen und jeder Menge Bioabfall. Auch der Wunsch zu 'Poppen bis der Arzt kommt', hat schon manchen in trübes Fahrwasser gelotst und dabei Stil und eigene Sicherheit über Bord werfen lassen.

Timo U.* (28) ist Hochschulabsolvent, Referent im Bundestag. Ein korrekt in Grau und Schwarz gekleideter junger Mann mit pflaumenweichem Bürstenhaarschnitt. Die Sommermonate ausgenommen, hält ihn sein zeitaufwendiger Job in Atem. Er hat sich auf poppen.de, einer erotischen Internet-Kontaktbörse, einen Account eingerichtet. Ein Hobby, das Timo U. mit rund 750 Berliner Männern zwischen 20 und 40 Jahren teilt, die sich für ihr eigenes Geschlecht interessieren.

Im November vergangenen Jahres verabredet sich Timo U. mit einem 20-jährigen, türkisch gebürtigen Mann, mit dem er über besagte Erotikplattform via Email Kontakt aufgenommen hat. Timo U. lässt sich die Telefonnummer seines potentiellen One-Night-, oder wohl besser gesagt One-Moment-Stands geben und macht den Date klar.

Freiheit die aus Asien kommt


Auf Immunität darf der Referent des Bundestages und Gast von poppen.de, einer Limited mit Firmensitz im 'durftenden Hafen' am Südchinesischen Meer, sprich Hongkong, bei diesem nächtlichen Unterfangen wohl kaum hoffen. Dennoch öffnet Timo U. furchtlos und in freudiger Erwartung dem fremden Mann die Tür. Ohne viel Worte wird der junge Gast auf das Bett geworfen und oral beglückt. Dann wünscht sich Abdulla Y. Fesselspiele. Den Kabelbinder hierzu hat er mitgebracht.

Am späten Abend des 3. November 2009 schlendern Abdulla Y. und Muhammed E., die jugendstrafrechtlich mit gemeinsam begangenen Delikten bereits mehrfach in Erscheinung getreten sind, die Prinzenstraße in Kreuzberg entlang. Sie sind gut mit Cannabis angeschäkert. Bis zu dem Date, den sie mit Timo U. vor drei Stunden vereinbart haben, ist es nicht mehr lang. Auf dem Weg dorthin finden sie zwei Kabelbinder, die sie später benutzen wollen.

Komm, mach schon!


"Komm, mach schon!", drängt Abdulla seinen widerstrebenden Gastgeber Timo U. und fesselt ihn an den Stuhl. Zuvor hatte Abdulla beklagt, dass er zu schnell gekommen sei und Fesselspiele ihn 'anturnen' würden. Doch kaum hat er Timo U. in eine hilflose Lage gebracht, lässt er seinen maskierten Freund Muhammed in die Wohnung.

Die jungen Männer bedrohen Timo U. mit dem Messer, durchsuchen seine Wohnung nach Geld und Wertgegenständen, tanzen spöttelnd durch die fremde Wohnung. 80 Euro in bar, eine Armbanduhr der Marke Fossil, ein Rucksack Quiksilver, ein Laptop Panasonic, die EC-Karte samt PIN, das alles reicht dem ungeduldigen Muhammed E. nicht. "Du musst doch Schmuck haben, du lügst", fährt er den wehrlosen Timo U. an.

Zehn Minuten hat der unerfreuliche Besuch gedauert. Der Quickie inklusive. Timo U. bleibt ausgeraubt und gefesselt zurück. Die jungen Räuber machen sich mit dem Taxi davon. Unterwegs heben sie an den Sparkassenfilialen am Halleschen und Schlesischen Tor insgesamt 1.700,- Euro ab. Geld, das Timo U., Vorstand eines Vereins, nicht gehört und für das er später aufkommen muss. Die PIN für die betreffende Karte hatte er zunächst mit den Worten "Top secret!" verweigert, aus Angst dann aber doch preisgegeben.

Verräterische Spuren im Netz


Während Muhammed und Abdulla, von den Eltern ausgesperrt, das Geld innerhalb zweier Tage in einem Hotel verjubeln, geht Timo U. zunächst einmal nicht zur Polizei. Statt dessen durchforstet er vier Wochen später das Portal poppen.de nach dem Profil, das Abdulla gehörte. Timo U. annonciert: "Bitte melde dich!" Er will wenigstens verstehen, warum die Jungs 'das' gemacht haben. Sie tun ihm "irgendwie Leid", erklärt er später vor Gericht.

Tatsächlich kommt er mit Abdulla im Chat noch einmal in Kontakt. Der äußert sich jedoch widersprüchlich, bietet ein erneutes Treffen an. Angeblich um den Schaden wieder gut zu machen. Schließlich erstattet Timo U. doch Anzeige bei der Polizei.

Da Abdulla Y. sich in sein Fake-Account auf poppen.de auch über seinen Privatanschluss einloggte und dabei seine IP-Adresse hinterließ, darüber hinaus verräterische Daten auf Facebook hinterließ, fiel es den Ermittlern nicht schwer, den Tätern auf die Spur zu kommen.

Am 18. Mai 2010, ein halbes Jahr später, hatten sich die beiden, im übrigen geständigen, jungen Männer vor dem Moabiter Kriminalgericht wegen schweren Raubes zu verantworten. Es war ein kurzer Prozess. Nach einer Beweisaufnahme von drei Stunden und einer 15-minütigen Pause verkündete die zehnte große Strafkammer unter Vorsitz von Richter Carstan Wolke das Urteil: Vier Jahre Haft wegen besonders schweren Raubes (in minder schwerem Fall) und Computerbetrugs in zwei Fällen für beide Angeklagte.

Daneben wurde für Muhammed und Abdulla, denen ein Hang zu Drogen attestiert wurde, für die Dauer von zwei Jahren die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Die Haftstrafe könnte nach diesen zwei Jahren zur Bewährung ausgesetzt werden.

*Name von der Redaktion geändert
*auf dem Foto die beiden Angeklagten


NJW schreibt:
"Es gibt noch qualifizierte Gerichtsreporter..."
NJW-aktuell - web.report H. 38/2010, S.3




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