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Gerichtsreportagen


Internet-Terrorismus: Al-Qaida & Co. in Deutschland?


von von Barbara Keller

31.1.2011
Seit drei Monaten wird am Moabiter Kriminalgericht gegen eine 28-jährige, kurdisch gebürtige Deutsche aus Neu-Ulm (Schwaben) und einen 22-jährigen, türkisch gebürtigen Berliner verhandelt, die islamistische Terrorgruppen in Pakistan durch den Transfer von Geldmitteln und Aktivitäten im Internet unterstützt haben sollen. Der Ehemann der heute Angeklagten, ein deutscher Unternehmersohn, wurde bereits Anfang letzten Jahres zu einer hohen Haftstrafe verurteilt. Er hatte gemeinsam mit drei anderen Komplizen im Auftrag der Islamischen Jihad Union (IJU) Anschläge in Deutschland vorbereitet. - Ein Zwischenbericht...
berlinkriminell.de berichtete...

Deutsche spielen, das wurde bereits im Düsseldorfer Prozess deutlich, eher als Medium und als Medien-Beauftragte denn als Jihad-Kämpfer im afghanischen Grenzgebiet eine Rolle. Laut Aussage des Terrorismusexperten Dr. Guido Steinberg, der als Sachverständiger am 19. Januar vor Gericht geladen war, sind nicht mehr als zehn Prozent, vielleicht ein Dutzend der kleinasiatisch dominierten, mit Al-Qaida vernetzten IJU Deutsche. Anders als in der arabischen Welt, in der islamistische Terroristen in der Regel aus der Mittelschicht stammen, kommen ihre europäischen Brüder laut Dr. Steinberg aus der Unterschicht, darunter auch Arbeitslose und Kleinkriminelle.

Medium und Medien

Dass ein Deutscher in die Führungsstruktur dortiger Jihadisten dringt, hält Steinberg so gut wie ausgeschlossen. Neben mentalen Unterschieden hätten die Deutschen in Waziristan (West-Pakistan) nicht nur mit gesundheitlichen Problemen, sondern auch mit Verständigungsschwierigkeiten zu kämpfen. So planten auch die "Sauerland-Vier" zunächst, 2005 gegen die Amerikaner im Irak kämpfen wollen. Waren dann aber über einen türkischen Mittelsmann, nach einer Spezialausbildung in Pakistan, zu Attentaten nach Deutschland gesandt worden. Bislang dürften drei bis vier deutsche Jihadisten der IJU im afghanischen Grenzgebiet getötet worden sein. (Der Chef der IJU, ein gewisser Najmiddim J., kam durch einen US-amerikansichen Drohnenangriff ums Leben.)

Filiz G., die Ehefrau des in den Medien als "Sauerlandbomber" kolportierten, Anfang letzten Jahres zu zwölf Jahren Haft verurteilten Fritz G., hat inzwischen die Tatvorwürfe gestanden. Wie die Ulmer Angestellte zur Internet-Terroristin und Jeanne d'Arc der deutschen Jihadisten-Diaspora im fernen Waziristan, habe werden können, ist der Angeklagten heute selber unklar.

Inmitten von nichts entflammt

Auf sich allein gestellt, von ihrem Mann und den Anklagebehörden in Unwissenheit gelassen, hätte sie im Internet recherchiert. Sie sagt: "Ich stand mitten in allem, und inmitten von nichts." Nachdem sie den Jihad zunächst für sich verwarf, habe sie dann aber doch Feuer gefangen. Auf Filiz G. waren die Ermittlungsbehörden über eine Email an Alican T. aufmerksam geworden. Bei der Verhaftung der Angeklagten fanden sich in ihrer Handtasche neben anderen wichtigen Beweismitteln auch zwei mit Banderolen versehene Geldbündel. 'Für humanitäre Zwecke' stand auf einer, auf der anderen 'für die Mudschis' (Mudschahidins, Anm. d. V.) zu lesen.

Alican T. dagegen hat sich bislang nicht zu den Tatvorwürfen eingelassen. Für den türkisch gebürtigen Berliner, der zur Tatzeit erst 21 Jahre alt war, wird Jugendstrafrecht in Anwendung kommen. Auch Alican T., der 2009 noch in der elterlichen Wohnung am Kottbuser Tor wohnte, soll im Internet für die IJU aktiv gewesen sein, Propaganda-Videos der IJU und den Deutschen Taliban Mudschahidin (DTM) ins Netz gestellt, Geld akquiriert und über die Western Union transferiert haben. Dabei stand er, so die Aussagen der Ermittler, in wiederholtem Kontakt zu den Jihadisten in Pakistan. Neben diversen Accounts, Email-Adressen und UMTS-Karten nutzte Alican T. demnach auch offene W-Lans. Wie Filiz G., heißt es, wollte er nach Pakistan gehen, um für den Jihad zu kämpfen.

Ein guter Freund

Die jetzt Angeklagten wurden jedoch monatelang vom BKA observiert, ihre Online-Kontakte, Telefonate, Kontobewegungen beobachtet. Aber nicht nur beider virtuelles Sein, das offenbar die Oberhand über sie gewann, stand unter Bewachung. Alican T., der nach Aussagen der Ermittler ein gemütvoller Mensch ohne geregelten Tagesablauf und ein Stubenhocker sein soll, hatte neben seinem Moped lediglich einen Freund und regelmäßigen Besucher. Und der war, wie sich jetzt herausstellte, ein Verbindungsmann zum Verfassungsschutz.

Die Ermittler haben bei ihren Observationen auch festhalten können, wie Alican T. zum Mitglied der 'Elif Medya', der Mediengruppe der IJU, avancierte. In einem seiner diversen YM-Chats mit Mitgliedern der IJU und den DTM akquirierte ihn am 28. Mai 2009 Ahmet M., der als 'Propagandaminister' der IJU galt. Er fragte: "Wie willst du genannt werden?" "Saifulhaakim Almani", antwortete dieser. Ahmet M. (1978-2009), in Salzgitter aufgewachsen, 2000 als Kleinkrimineller aus Deutschland ausgewiesen, hielt sich bis zu seinem Tod 2009 in Waziristan auf.

Zwischen wenn und aber

Die Verteidigung von Alican T. müht sich derzeit, die Nutzerschaft der ihrem Mandanten zugeschriebenen Accounts zu hinterfragen. Konnte sich nicht, so fragt Rechtsanwalt Funck einen Zeugen vom BKA, bei Kenntnis des Nutzernamens und des Passwortes auch jeder andere in die Accounts wählen. "Haben Sie einmal die IP-Adressen der Nutzer untersucht", insistierte Verteidiger Möller.

Während die Rechtsanwälte beider Angeklagten zudem die Existenz der IJU und ihr Couleur als eigenständige Terrororganisation bezweifeln, sucht die Verteidigung von Filiz G. das humanitäre Ansinnen der Angeklagten in den Vordergrund zu stellen.

Filiz G., die von Ahmet M. und Alican T. im Chat auch 'ältere Schwester' oder 'Schoko' genannte wurde, äußerte sich am 26. Januar zum zweiten Mal während dieses Verfahrens auch persönlich. Die Angeklagte hatte nach Aussage eines Ermittlungsbeamten im Jahr 2004 einen Kredit in Höhe von 17.000 Euro aufgenommen. Der Verdacht stand im Raum, sie habe das Geld als Spende für die 'deutschen Mudschahedins' verwendet.

Filiz G. gab jedoch jetzt an, das Geld einer Freundin in Ulm gegeben zu haben, die von zu Hause fortgelaufen war, um heimlich zu heiraten. Die Angeklagte erklärte: "Ich habe von ihr nie wieder etwas gehört oder gesehen. Sie war spurlos verschwunden."


- Kontroverser MONITOR-Beitrag zum Thema:
Al-Qaida in Deutschland - Wer steckt hinter der Terrorzelle im Sauerland? (4.10.2007),(https://www.youtube.com/watch?v=mo2CwqlEG3U)



NJW schreibt:
"Es gibt noch qualifizierte Gerichtsreporter..."
NJW-aktuell - web.report H. 38/2010, S.3




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