Stocksteif und reglos sitzt Melanie St. auf dem Stuhl, als ihr Rechtsanwalt ihre Erklärung verliest. Darin schildert die Angeklagte neben ihren Erinnerungen zu den verhängnisvollen Tagen des Januar 2012 auch, aus welchen
sozialen Verhältnissen sie stammt.
Es kling wie eine Entschuldigung. Eine richtige Familie hat Melanie St. nicht kennengelernt, sagt sie. Mit der achten Klasse ging sie von der Schule ab. Sie erlernte keinen Beruf. Mit 21 Jahren bekam die jetzt 27-Jährige ihren ersten Sohn, zwei Jahre darauf die Zwillinge Felix und Zoe. Das vierte Kind, die leibliche Tochter des jetzt mitangeklagten Matthieu K. (26), hat Melanie St. im Dezember 2012 zur Adoption freigegeben. Elf Monate nach der Tat.
Melanie St. sagt: "Wir bezogen Sozialhilfe und waren überfordert." Sie habe ihrem Freund geglaubt und die gelegentlich auftretenden Hämatome bei ihren Kindern als Folge des Herumtollens gewertet. Auch am 28. Januar 2012 macht sich Melanie St. keine größeren Sorgen. Sie hört ein "Klatschen" aus dem Bad. Als sie nachsehen geht, sitzt ihre Tochter Zoe auf dem Boden und sagt: "Guck Mama, Aua!" Es ist Sonnabend, es hat Tomatensoße gegeben und Matthieu K. (26) duscht die Kinder nach der Mahlzeit. Ihr Freund sagt, Zoe sei in der Wanne ausgerutscht.
Ab diesem Moment laufen für die kleine Zoe die Uhren. Sie hat durch den gewalttätigen Übergriff des Stiefvaters einen Dünndarmriss erlitten. Doch Melanie St. schildert die folgenden zwei Tage, in denen das Kind schwerste Schmerzen erlitten haben muss und schließlich starb, als sei nichts anders gewesen als sonst .
Am Sonntag habe man sich einen "Faulenzertag" gegönnt. Die gesamte Familie blieb in ihren Schlafanzügen und tummelte sich auf dem Sofa. Mehrmals habe Melanie St. ihre Tochter Zoe auf den Topf gesetzt, bis diese etwas machte. Am Montag verschlechterte sich der Gesundheitszustand des Kindes sukzessive. Zoe übergab sich wiederholt. Melanie St. berichtet, wie sie ihre Tochter fragte: Püppi, alles okay?" Das kleine Mädchen antwortete: "Ja." Auf Anraten der Familienhelfer, die am selben Tag gegen 13:00 bei der Familie Termin hatten, wollen sich Melanie St. und ihr Freund mit Zoe zum Arzt begeben haben.
"Es war zu", berichtet Melanie St. Der Angeklagte Matthieu K. 'überredet' sie, es am nächsten Tag noch einmal zu versuchen. Zoe ginge es doch bereits besser. Dabei befand sich an der selben Adresse ein weiterer Kinderarzt, der auch geöffnet hatte. Aus einem Arztgang wurde ein Shoppinggang in den Supermarkt. Man kaufte Zwieback und Cola.
Die Familienhelfer hatten auch einen geschwollenen Arm des Zwillingsbruders Felix festgestellt und einen Arzttermin nahegelegt. In ihrer Einlassung sagt Melanie St.: "Dass der Arm gebrochen war, erfuhr ich erst später durch die Polizei."
Am Abend des 30. Januar 2012 geht es Zoe noch schlechter. Auch nach dem Abendessen erbricht sie, zweimal 'braun', auch Stückchen. Immerhin alarmiert Melanie St. ihren Partner, der sich gerade bei einem 'Kumpel' aufhält. Während Zoes Brüder schlafen, ist die Schwester bei ihrer Mutter auf der Couch im Wohnzimmer.
Matthieu K., als er nach Hause kommt, sieht sich das Erbrochene seiner Tochter an und diagnostiziert: "Alles okay, das sind Süßigkeiten." Damit ist das Schicksal von Zoe besiegelt. Mutter Melanie St. bettet sie im Wohnzimmer mit ihrem Ottifanten und gewindelt zur Nacht. Noch dreimal soll Zoe, die in dieser Nacht so gern bei der Mutter geschlafen hätte, nach ihr gerufen haben: "Mama, Mama!" Als die Angeklagte sich zu Bett begab, gegen 23:30, spielte Zoe noch immer mit ihrem Stofftier. So jedenfalls Melanie St.
Um 0:30 schlief die Angeklagte. Matthieu K. spielte an der X-Box und hatte die Aufgabe, nach dem Kind zu sehen. Gegen 3:00 wird Melanie St. von den 'Schreien' ihres Freundes geweckt. Der hat gerade den Tod des Kindes festgestellt.
Weitere Angaben macht Melanie St. am 5. März 2014 nicht. Ihr Anwalt, Rechtswanwalt Jan Schneevoigt, würde weitere Einlassungen seiner Mandantin, so sagt er, nun am liebsten schriftlich abwickeln.
Weiter im Verfahren am 7. März 2014, 9:30. Es werden die ersten Zeugen gehört.