Nur eine zufällige Verkehrskontrolle lässt die Polizei am 2. November 2007 auf Miroslav Z. (40) aufmerksam werden. Der gebürtige Serbe ist seit zwei Monaten ohne Führerschein und mit seinem Daimler Benz in Haselhorst Richtung Spandau unterwegs. Mit halsbrecherischem Tempo und fragwürdigen Manövern macht er an der Kreuzung Nonnendammallee, Paulsternstraße auf sich aufmerksam.
Miroslav Z. bedrängt mit ungeduldigen akustischen Signalen und Lichthupe eine Smartfahrerin, die nur durch ein geistesgegenwärtiges Manöver eine Kollision beider Wagen verhindert. Kurz darauf ist für den rücksichtslosen Raser die Fahrt zu Ende. Eine Streife des Verkehrs- und Drogenkompetenzteams stoppt Miroslav Z. in Spandau in der Straße Am Juliusturm.
Schicksalhafte Routinekontrolle
Als die Polizeibeamten bei dieser Routinekontrolle eine geladene und schussbereite Waffe in der Jackentasche des Verkehrssünders finden, entschließen sie sich ad hoc zu einer Durchsuchung des Daimlers und kurz darauf auch zu einer Hausdurchsuchung. Unter den sichergestellten Gegenständen befindet sich auch ein schwarzer Kunsthaarbart, den die Beamten im Handschuhfach des Wagens finden.
Als Miroslav Z. vier Tage später ausgerechnet beim ALDI in der Straße am Juliusturm einen Alleingang als Räuber unternimmt, schlägt der Coup fehl. Die Angestellten schaffen es, die Tür zuzuschlagen, verbarrikadieren sich hinter verschlossener Tür und rufen die Polizei. Miroslav Z. wird unweit des Tatortes gestellt.
Freund Zufall
Ein weiterer Zufall kommt den Ermittlern zustatten: Nancy R. (28) ist an diesem Tag zum Dienst eingeteilt. Die Kriminalkommissarin, die auch vor vier Tagen dabei war, als ihre Kollegen den Daimler des Rasers Miroslav Z. durchsuchten, erinnert sich an den Serben und den ominösen Bart im Handschuhfach des Wagens. Sie stellt die Verbindung zu der anhaltenden Raubserie auf die ALDI-Filialen her.
Ein halbes Jahr später muss sich Miroslav Z. wegen
schweren Raubes und
Erpressung vor der 38. Großen Strafkammer des Berliner Landgerichts verantworten. Über seinen Kompagnon schweigt der Angeklagte sich jedoch aus. Und vom Vorsitzenden Richter Jung nach Feststellung der Personalien nach seiner Aussagewilligkeit befragt, heißt es von Miroslav Z. nur knapp: "Heute nicht." Daran vermag auch der freundliche Hinweis von Richter Jung nichts zu ändern, im Wortlaut: "Wenn Sie den unbekannten Dritten namhaft machen, können Sie unheimlich viel Pluspunkte sammeln".
Pluspunkte sammeln
Damit tritt die Strafkammer nun in eine langwierige Beweisaufnahme und einen Indizienprozess ein, für den bereits jetzt sieben Termine bis Ende August festgesetzt sind. Am ersten Tag der Hauptverhandlung wurden neben den ersten Opfern der ALDI-Räuber, den zwei Verkäuferinnen des Spandauer ALDI-Discounters am Paul-Gerhard-Ring, auch die Kriminalkommissarin Nancy R. gehört.
Silvia St. (29) und Eveline Sch. (54) berichten, wie sie am 5. Oktober 2007 nach Feierabend ihrer Spätschicht gegen 20:20 im Begriff sind, den Personaleingang zu verschließen, als die maskierten Serienräuber wie aus dem Nichts heraus auftauchen und sie mit vorgehaltener Pistole zurück in die Büroräume drängen.
Einen schwarzen Kunsthaarbart soll mindestens einer von ihnen getragen haben, vielleicht auch eine Perücke. Der damals bewaffnete Angeklagte, der übrigens von beiden Zeuginnen nicht wiedererkannt wird, trägt nach ihren Angaben eine schwarze Lederjacke, Jeans und einen bis über die Nase gezogenen Kunsthaarbart. Sein Komplize einen roten Pullover, eine über den Kopf gezogene Kapuze und eine "Opabrille" mit starkem Rahmen.
Tat nach Plan
In den Büroräumen übernimmt nach Angaben der Zeuginnen der Angeklagte die Regie über die Herausgabe des Geldes, während der unbekannt geblieben Dritte "Schmiere steht", im Flur ungeduldig auf und ab geht und demonstrativ die Minuten zählt. Was, wie eine Zeugin erklärt, auf einen minutiös entworfenen Tatplan hinweist.
Einen sogenannten rot-blau karierten, großen "Polenbeutel" füllen die Räuber prall voll mit Hartgeld. Insgesamt erbeuten sie 2.972,50 € in Bar sowie 1.150,00 € in Form von ALDI-Cashkarten. Auf die Tageseinnahmen in Geldscheinen müssen die Täter allerdings verzichten, denn zu dem entsprechenden Safe hat lediglich der Geldtransportdienst Zugang. Nachdem die Räuber die Telefonanlage außer Betrieb gesetzt und die Angestellten gefesselt haben, flüchten sie.
Schwierige Indizienlage
Bislang gibt es nur wenige Indizien auf die Täterschaft von Miroslav Z. Da sind zum einen die Beweisstücke, die bei der Durchsuchung des Daimlers und der Wohnung des Angeklagten sichergestellt wurden. Darunter der Bart, mögliche Fesselungsutensilien, die "Polentasche", die bei jedem Raub eine Rolle spielte, als auch Telefoncashkarten.
Da sind zum anderen die wagen Täterbeschreibungen. Beide Zeuginnen konnten Miroslav Z. nicht als Täter identifizieren, hielten ihn aber von der Größe, der Stimme und Sprache her für in Frage kommend. Da auch die Verwertung der Beweismittel in Frage steht, die bei der Hausdurchsuchung bei Miroslav Z. am Freitag, dem 2. November 2007, sichergestellt werden konnten (weil ohne Hausdurchsuchungsbefehl!), bleibt die Beweislage gegen den Angeklagten bisher eher mager.
Am nächsten Tage der Hauptverhandlung werden die Verkäuferinnen der Pankower ALDI-Filiale, die am 15. Oktober 2007 das Ziel der ALDI-Räuber wurde, als Zeuginnen gehört. Geladen sind zudem ein Polizei- und ein weiterer Kripobeamter.