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Peter-Ferdinand Koch
"Enttarnt"
ecowin Verlag 04.2011
ISBN-13: 978-3711000088
24,90 €

Peter-Ferdinand Koch, Enttarnt

von Barbara Keller


Geheimdienst-Realität, alles Così fan tutte und That's the way it is? Glaubt man Autor Peter-Ferdinand Koch, nicht. Der ehemalige Spiegel-Redakteur zeichnet das Werden des bundesdeutschen Nachrichtendienstes bis heute und spart nicht mit Kritik, auch am ehemaligen Arbeitgeber "Spiegel"...

Persönlichkeitsrechte sind ein zweischneidiges Schwert, sie müssen zivilrechtlich geltend gemacht werden. Wer Bares hat, lässt eine einstweilige Verfügung vom Stapel und bringt seinen Widersacher erst einmal mit erzwungenen Kosten in Zugzwang. Mag sich der unliebsame Störer doch einen Anwalt leisten, der einem Richter die Einsicht in die Notwendigkeit eines öffentlichen Interesses abringt.

Ein Kanzler Kohl hatte 1990 keine Not, seine Persönlichkeitsrechte geltend zu machen. Gesetze benötigte er hierzu nicht. Als die Illustrierte "Qick" nach der Wende unliebsame Erkenntnisse des Ministeriums für Staatssicherheit über westdeutsche Politiker in Serie bringt, lässt er die MfS-Unterlagen einfach beseitigen. Wozu ist man Oberindianer?

Hierzu brachte Parteifreund Wolfgang Schäuble (damals Bundesinnenminister) flugs den CDU-Freund Eckart Werthebach, ein offizieller 'Berater' des DDR-Innenministers Peter-Michael Diestel, auf die Spur. Ausgerechnet mit dem MfS-Offizier Edgar Braun, dem 'Scharfrichter Mielkes' (Spitzname 'Bluthund'), sortierte Werthebach unerfreuliches Material zu bundesdeutscher Politprominenz aus.

Wusste der Bundesnachrichtendienst oder der Verfassungsschutz eigentlich vom blutrünstigen Treiben des MfS-Offiziers Braun? Dass und wie Braun eifrig auf Überläufer Jagd machte, die nach entsprechender Folter mit Genickschuss endeten? Oder wie Braun das 'Döllner Missgeschick', den bewaffneten Putschversuch Honneckers gegen Ulbricht, mit einem Menschenopfer löste? Schließlich, so Autor Peter-Ferdinand Koch in seinem Buch "Enttarnt", kam der eilfertige Edgra Braun nach der Wende dann straffrei davon.

Freund und Feind sind in der Terminologie von Geheimdiensten ein heikles Ding. Wie nützt es, ist die oberste Maxime. Schlau ist, wer am Ende noch weiß: Wer gehört zu wem? In seinem jetzt erschienen, umfangreichen Buch zeichnet der ehemalige Spiegel-Redakteur Koch den Werdegang des bundesdeutschen Nachrichtendienstes (BND) und den des Verfassungsschutzes (BfV) nach. Wie die Amerikaner eine aus ehemaligen Nazi-Agenten bestehende Organisation Reinhard Gehlen (bis 1968 BND-Chef) finanzierte, wie etliche der mutmaßlichen Kriegsverbrecher durch den russischen Geheimdienst gewendet und als Maulwürfe in der Bundesrepublik aktiv waren.

Koch berichtet, wie Augsteins investigatives Medium "Spiegel" durch Informationen des Geheimdienstes gemacht und gesteuert wurde, über die Wende 1989 aus Sicht der Geheimdienste, über das Schicksal der Akten des HVA und des MfS. Wir erfahren, wie hochmotiviert und kompetent DDR-Agenten (und selbstverständlich ihre russischen Kollegen) operierten und dass sie nach der Wende, auch zu welchem Preis, später wieder zu Wert kamen.

Wen die Lektüre bis dahin nicht genug erstaunt, erschüttert, abgestoßen oder angewidert hat, nimmt die Information, dass jener österreichische Schlapphut, der die Verhaftung der Familie Anne Franks 1944 in Amsterdam führte, durch den BND in Österreich wieder als Kontaktmann installiert wurde, möglicherweise nur noch mit Resignation zur Kenntnis.

Fazit: Koch hat eine Geschichte des bundesdeutschen Nachrichtendienstes geschrieben. Eine Gruselgeschichte. Viele Namen, viele Details, mit Nachweisen, Namensregister. Einen Abriss der deutschen Geschichte aus Sicht geheimdienstlichen Treibens. Die Kenntnis solch dubiosen Treibens macht nicht froh.


"Peter-Ferdinand Koch, geboren 1943, war Redakteur bei der Hamburger Morgenpost und dem Spiegel. Heute lebt er als freier Autor in Hamburg."  (... sagt der ecowin Verlag)


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