Wüsste man es nicht besser, man könnte Roland B. für einen pubertierenden Sechszehnjährigen, gegen Gott und die Welt opponierenden Jugendlichen halten. Aber Roland B., der sich selbst als Journalist bezeichnet, ist bereits 26 Jahre alt. Er betreibt ein Internetportal namens sprengstoff-verein.de, das Knowhow zur Sprengstoffherstellung bereitstellt.
Roland B. ordnet sich mit seinen skurril sophistischen Ansichten in das linke politische Spektrum ein, spricht aber auch einer explizit 'klandestinen' Sprengmeisterszene zu, deren Guru er wohl gern wäre. Doch trotzdem Roland B. ein
"Lehrbuch für Sprengmeister" publizierte, scheint es mit den Anhängern zu hapern.
Politisch trat Roland B. publikumswirksam bereits im Oktober 2006 in Erscheinung, als es ihm gelang, trotz massiven Polizeiaufgebots eine Demonstration von Nationalsozialisten vor der Justizvollzugsanstalt Tegel zu stören. Er erklomm die Bühne der gegen die Inhaftierung von Michael R. Protestierenden, warf das Mikrofon zu Boden und wurde später von NPDler Jörg Hähnel wegen Sachbeschädigung angezeigt.
An der intellektuellen Durchdringung und Ernsthaftigkeit der von Roland B. transportierten Inhalte hat der aufmerksame Zuhörer, der den hageren Mann auf dem Flur vor dem Gerichtssaal atemlos Statements abgeben hört, sicher rasch Bedenken.
Von der Aktion "Bedingungsloses Grundeinkommen" ist nun nicht mehr die Rede. Zwar beteuert Roland B., seine Aktion sei gewaltfrei ausgelegt gewesen. Aber wieder kommt sein Hobby Waffen zur Sprache, seine Mitgliedschaft im Schützenverein. Und er fordert von Angela Merkel, die er für die Toten in Afghanistan verantwortlich macht, auf, sich bei ihm zu entschuldigen.
Der Prozess verläuft am Tag der Hauptverhandlung entsprechend schleppend. Mit der Akribie eines Buchhalters verliest der Angeklagte mit zunehmend trocken werdendem Mund einen Antrag nach dem anderen. Mindestens eine Stunde vergeht, ehe es überhaupt zur Verlesung der Anklage kommt.
So lehnt Roland B. die vorsitzende Richterin Biesterfeld aus Gründen der Befangenheit ab. Er fordert die Aufhebung der massiven Sicherheitskontrollen am Eingang des Landgerichts, freien Zugang für alle potentiellen Zuhörer dieses Verfahrens. Andernfalls die Fortführung des Prozesses auf öffentlichem Straßenland, sprich: auf der Turmstraße.
Zwei Stapel Aufzeichnungen hat Roland B., der deutlich und beherrscht vorträgt, vor sich aufgetürmt, die er Seite für Seite abarbeitet. Er beantragt die Ablehnung des vom Gericht bestellten Sachverständigen Dr. Werner Platz. Dieser hätte seinerzeit dem
Kaufhauserpresser Arno Funke einen zu hohen Intelligenzquotienten angedichtet, um das LKA nicht so schlecht aussehen zu lassen. Und in seinem Fall hätte Dr. Werner Platz eine ihm als Arzt nicht zustehende Indiskretion begangen.
Die Verhandlung bleibt ein erstes Mal in der Stellungnahme des Angeklagten zur dann verlesenen Anklageschrift stecken. Sie mutiert zu einem langatmigen, politischen Statement gegen Vollstrecker der 'kapitalistischen Verwertungsideologie' diverser Couleur.
Doch auch die Unterbrechung dieser Ausführungen durch die Richterin mit Einwilligung der Prozessbeteiligten hilft dem Fortgang des Prozesses nicht weiter. Denn auch der erste Zeuge des Verfahrens, ein Kriminalbeamter, der bei der Hausdurchsuchung Weihnachten 2006 zugegen war, erfährt eine hochnotpeinliche Befragung durch den Angeklagten.
Die vorsitzende Richterin Biesterfeld bricht schließlich die Verhandlung auf Wunsch der in Zeitnot geratenen Rechtsanwältin von Roland B. ab und setzt einen weiteren Termin an. Rechtsanwältin Birgit Mäder-Hildebrandt, Pflichtverteidigerin des Angeklagten, hatte am Tag der Hauptverhandlung im Übrigen nicht viel zu tun. Hin und wieder ließ sie lediglich die vorsitzende Richterin wissen: "Ich schließe mich dem Antrag meines Mandanten nicht an."
Urteil vom 24. März 2009
Roland B. wurde nach elf Prozesstagen wegen Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und wegen Waffenbesitzes zu einer Geldstrafe von 80 Tagessätzen á 15. Euro verurteilt. Der Angeklagte beabsichtigt in Berufung zu gehen.