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aus dem moabiter kriminalgericht


Oblomoverei im Sozialamt: Hilfeschrei brachte
23.464.67 €


von Barbara Keller

05. Dezember 03. Kriminalgericht Moabit. "Untreue im Amt" lautet der Vorwurf der Staatsanwaltschaft. 23.464.67,- EUR hat Sachbearbeiter Hans-Joachim W. im Zeitraum Mai 2000 bis Februar 2002 beiseite gebracht. Monatlich überwies er sich Gelder zwischen 351.26 € und 2556.46 € auf Privatkonten der City- und Volksbank. Gebucht hatte er die Summen unter Fantasienamen oder Namen ausländisch klingender Sozialhilfeempfänger.

Frühjahr 2002. Hans-Joachim W. (48) - Sachbearbeiter beim Sozialamt Neukölln, zuständig für die Vergabe für Sozialhilfe - irrt durch Berlin. Für ihn ist alles aus, denkt er. Am Bahnhof Zoo nimmt er einen Zug nach Hannover, dort angekommen ein Zimmer. Er denkt an einen Suizid. Aber dann nimmt er sich stattdessen doch lieber einen Anwalt und einen Psychotherapeut. W. stellt sich der Wirklichkeit, in der er straffällig geworden ist.

Hans-Joachim W. ist verheiratet, ein Sohn. Die Frau arbeitet als Sachbearbeiterin bei einer Krankenkasse. Er ist ein großer, stattlicher Mann, dunkle kurze Harare, schwarzer Anzug. Fast kernig, pockennarbig bis grobporige Gesichtshaut. Das Ganze indessen seltsam teigig aufgelöst. Den Mann kann man sich auf dem Sozialamt sowohl vor als hinter dem Schreibtisch vorstellen. Ein Phänomen, das vielleicht dem gleichkommt, das manches Herrchen seinem Hund mit der Zeit immer ähnlicher werden lässt.

Während der fraglichen Zeit rang W. mit finanziellen als auch familiären Problemen. W.: "Ich habe Kredite aufgenommen, Sachen gekauft." 46016.27 € zinsten gegen die Zeit und den Beamten bereits auf der Bank. Nachts saß er vor dem Computer und trieb sein Unwesen im Internet.

Dann flog alles auf. Auch jetzt scheint der Exbeamte - Beamtenstatus und Pensionsansprüche ade - wenig klar. Den Prozess lässt er über sich ergehen wie einen warmen Regenschauer. Nein, Hans-Joachim W. weiß nicht, wie er so handeln konnte. Dumpf kommt es aus ihm heraus: "Ich habe das nicht aus Gründen der Selbstbereicherung getan." Erstaunen beim Richter. "Was haben Sie denn mit dem Geld gemacht?" W.: "Es floss in den Haushalt." Aha.

"Wie lange hätten Sie das denn noch weiter getrieben?" Auch zu dieser Frage des Richters kommt es nur schwammig: "Weiß nicht, vielleicht hätte ich ja mal die Kurve gekriegt."

Zur notwendig erscheinenden Rettung des Kandidaten muss nun W.'s Rechtsanwalt ran. Ein Hilfeschrei an falschem Ort zur falschen Zeit sei W.'s Handeln gewesen. Aus der familiären und finanziellen Not geboren. Man bedenke nur die Bedeutung des Suizidversuchs. Und schließlich: wir wüssten es ja nun alle. Die Software der Bezirksämter als auch des Polizeipräsidiums sähen Kontrollmechanismen gar nicht vor. Das würde jedem Sachbearbeiter Tor und Tür öffnen. Die veruntreute Summe habe W. bereits beim Bezirksamt Neukölln beglichen. W.: "Ich habe die Lebensversicherung von mir und meiner Frau aufgelöst."

All das macht indessen wenig Eindruck auf den Richter. Die Schwere des Falls "in diesem sensiblen Bereich 'öffentliche Gelder'". Die Höhe der Summe. Eine angemessene Strafe muss deutlich über einem Jahr Haftstrafe liegen, so der leitende Jurist. Das Urteil lautet schließlich: 1 Jahr und 8 Monate Haft. Ausgesetzt auf 3 Jahre Bewährung.

Dann steht Hans-Joachim W. mit Frau und Bekannter auf dem Flur. Verlorenes Blitzlicht anwesender Presse. W.'s Verteidiger rauscht vorbei: "Fahren Sie nach Hause und trinken Sie erst einmal einen Schnaps." Karriere vorbei. Das war's.



NJW schreibt:
"Es gibt noch qualifizierte Gerichtsreporter..."
NJW-aktuell - web.report H. 38/2010, S.3




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Exbeamter Hans-Joachim W. (li.) mit Frau + Bekannter

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