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Der Mörder und meine Cousine

Besprechung: True-Crime-Podcast in 7 Teilen im Bayern2


von Susanne Rüster

Jeden dritten Tag bringt in Deutschland ein Mann seine Partnerin um. Saskia, die Cousine des bayerischen Schauspielers Burchard Dabinnus, wird im Sommer 2013 von ihrem Freund Winfried B. erstochen. Im Strafprozess stellt sich heraus: Der Mann hat nicht zum ersten Mal seine Partnerin getötet. Wie konnte seine intelligente, gebildete, lebenslustige Cousine auf einen Mörder hereingefallen? Gemeinsam mit der Journalistin Tatjana Thamerus erforscht Burchard die Hintergründe des Tötungsdelikts und stößt auf eine Spur der Gewalt, die Winfried B. über vierzig Jahre in Deutschland, Finnland und Österreich gezogen hat. Seine kriminelle Vorgeschichte und das Leben und Leiden seiner Opfer werden von den Sprechern Burchard Dabbinus und Tatjana Thamerus in dem gelungenen, sehr persönlichen und technisch hervorragend gestalteten Podcast aufgearbeitet.



Saskias Totenkleid ist bis unters Kinn geschlossen, um die vielen Stichverletzungen zu verdecken. 14 Mal hat Winfried B. mit einem Küchenmesser auf sein Opfer eingestochen.

"Ich habe augenscheinlich auf sie eingestochen, aber mit geschlossenen Augen", gesteht der mittlerweile 64-jährige Angeklagte vor dem Landgericht Traunstein. Der studierte Chemiker stellt wortreich einen fabelhaften Lebenslauf vor. Nur mit Frauen habe er Pech gehabt, er sei immer an solche geraten, die ihn verlassen wollten. Schockierende Details treten zutage: Misshandlungen, Vergewaltigungen, versuchte und vollendete Tötungen, begangen aus krankhafter Eifersucht, übersteigerter Besitzgier, verminderter Impulskontrolle. Der Täter erklärt: Die Frauen hätten seine Taten provoziert.

Burchard lässt die Bluttat nicht los. Wie konnte Saskia, von ihren Freunden als welterfahrene Frau beschrieben, in die Fänge eines Gewaltverbrechers geraten? Anhand alter Strafakten beginnen Burchard und die Journalistin Tatjana Thamerus zu recherchieren.

Der tut ihr vielleicht noch was an

Burchard und Tatjana treffen in Wien einen wichtigen Zeugen und erfahren: Winfried B. hat schon einmal eine Frau getötet. - Winfried stand in Wien bereits zweimal vor Gericht, weil er eine Frau gewürgt, vergewaltigt und ihre Wohnung verwüstet hat. Schwere Drohung, Nötigung und Vergewaltigung werden ihm vorgeworfen. Ein Psychiater stellt trotzdem eine günstige Prognose. Nicht der Angeklagte sei schuld, sondern die Geschädigte, die an einer 'etwas angespannten Affektlage' leide, habe ihn provoziert.

"Das wird nicht gut enden", sagte damals ein Richter. Aber letztlich kommt Winfried B. wieder frei und das Verhängnis nimmt seinen Lauf.

Die Frau im Haus

Wieso hat niemand die Katastrophe verhindern können, fragt sich Burchard, wenn das Gericht doch die Gefahr erkannte? Tatjana und er sprechen mit dem Wiener Anwalt, der damals Winfried B. verteidigt hat. Süffisant äußert er sich über das Opfer: "Eine scharfe Frau. Ihr hat's gefallen, mit ihm zu machen, was sie wollte. Er konnte nicht loslassen." - Dann sagt der Verteidiger noch: "Meine Großmutter und meine Mutter sind nicht erschossen worden. Aber sie waren auch zu Hause."Früher waren die Frauen halt im Haus und nicht so selbstständig."

Eine Spur der Gewalt führt nach Finnland

Anhand der Wiener Strafakten stoßen Burchard und Tatjana auf weitere strafrechtlich relevantes Handeln seitens Winfried B. Anfang der Siebziger lernt dieser als Chemiestudent eine junge Finnin kennen. Sie verlieben sich, bekommen eine Tochter, aber bald schlägt die Stimmung um. Es kommt zu Erniedrigungen, Tätlichkeiten, Übergriffen. Zuletzt helfen nur noch Rechtsanwalt und Ordnungsmacht.

'Heirat mit dem Messer in der Tasche' - Marions Blog

Burchard und Tatjana forschen weiter und stoßen auf das Schicksal einer Frau aus Nordrhein-Westfalen. Sie ist Winfrieds Freundin, nachdem er aus Finnland ausgewiesen worden ist. Sie ist erst sechzehn Jahre alt und in einem Erziehungsheim untergebracht. Sie bekommt zwei Söhne von ihm. - Rund dreißig Jahre später wird sie in einem Blog ausführlich über ihr Märtyrium, ihr Leben mit diesem gewalttätigen Mann berichten. Die junge Frau, die sich mit einem Suizid-Versuch aus der toxischen Beziehung zu retten sucht, kommt noch einmal mit dem Leben davon. Ihrer Nachfolgerin in Wien ist dieses 'Glück' nicht beschieden.

Aus 20 mach 12 Jahre Haft

12 Jahre nach seiner Verurteilung in Wien wird Winfried B. 1996 nach Deutschland überstellt und nach kurzer Zeit freigelassen. Während der Haft hat er eine Wiener Brieffreundin geheiratet und ihren Namen angenommen.

Winfried B. zieht an den Chiemsee. Dort lernt er Saskia kennen, die Cousine des Autors,die er im Sommer 2013 töten wird. Eine Tat, die Autor Burchard Dabinnus zu der vorliegenden Spurensuche, dem Podcast veranlassen wird.

Resümee

'Der Mörder und meine Cousine' bietet nicht allein die von einem hochwertigen Audio-Podcast zum Thema 'häusliche Gewalt' erwarteten Qualitäten wie Original-Töne, Gespräche und Interviews mit Angehörigen, Freunden, Juristen sowie eine aufs Unheil einstimmende, dezente musikalische Untermalung. Das besondere Verdienst der engagiert und zäh dem Schicksal der Saskia und dem abgründigen Wesen des Winfried B. nachspürenden Sprecher Burchard und Tatjana ist es, auf eine überkommene, stereotype Beurteilung von Tötungsdelikten in Partnerschaften aufmerksam zu machen.

Man spreche von einer 'Beziehungstat', als seien dies mildernde Umstände. So wird anhand der Interviews, u.a. mit dem Bruder von Winfried B., seinem Wiener Verteidiger und der Einschätzung des Psychiaters deutlich, dass im Begriff der 'Beziehungstat' häufig etwas Beidseitiges, Leidenschaftliches mitschwingt, als verleite erst die 'Beziehung' den Täter zu Gewalt. Vernachlässigt wird dabei seine gefährliche Haltung, die die männliche Bestimmung über die Frau als naturgegeben ansieht, und die mit weiblicher Selbstbestimmung nicht klar kommt. Kurz: Die Frau ist mit schuld.

Auch wenn man sich schließlich fragen muss: Wie konnte Winfried B. vierzig Jahre unbehelligt als Seriengewalttäter aktiv sein? So wird im Podcast dankenswerterweise auch nicht allein eine verhängnisvolle Untätigkeit von Ämtern, Polizei, Justiz beklagt. Vorbeugend eingreifen und helfen können staatliche Institutionen leider nur, wenn sie konkret von drohender Gewalt erfahren. Die Entscheidung des Wiener Landgerichts aus dem Jahr 1984, Winfried B. zunächst mit einem bloßen Kontaktverbot gegenüber seiner Wiener Partnerin frei zu lassen, ist juristisch nicht zu kritisieren.

'Für immer wegsperren' setzt jedoch (nach deutschem Recht) die Anordnung der Sicherungsverwahrung nach Verbüßung der Freiheitstrafe in extremen Ausnahmefällen voraus. Erst nach seinem zweiten Tötungsdelikt aus selber Motivlage und der einschlägig belasteten Vita lag eine solche Ausnahme im Fall Windfried B. vor. - Und so wurde Winfried B. dann auch verurteilt. Zu einer Freiheitsstrafe von 14 Jahren, vorbehaltlich einer Sicherungsverwahrung.

Was kann man tun, um Frauen mehr zu schützen, fragt sich Burchard. Warum half niemand Saskia, wo doch ihre Freunde angeben, eine bedrohliche Veränderung zwischen ihr und Winfried B. bemerkt zu haben? Warum suchte sie selbst keine Hilfe?

Der sehr hörenswerte Podcast mit seiner einprägsamen Nachzeichnung der Schicksale von vier betroffenen Frauen trägt zu geschärfter Wahrnehmung von Hinweisen auf derartige Gewalttaten bei und macht deutlich, wie ein so grundlegend gesellschaftliches Problem schließlich auch in der Handhabung seiner Paragrafen scheitert.


Der Mörder und meine Cousine
True-Crime-Podcast in 7 Teilen im Bayern2, in der ARD Audiothek und auf allen gängigen Podcast-Plattformen. (Link...)
              
Links zum Thema:
- Blog einer Exfrau des Winfried B., die mit ihm sieben Jahre verheiratet war und nach ihren Angaben 'wie eine Sklavin gehalten' wurde (Marions Blog)
- Forensisches Gutachten von Winfried B.
- Umfassender ZEIT-Beitrag zum Thema vom 4.12.2019. Verfasser: Elisabeth Raether, Michael Schlegel


-> Susanne Rüster <-
Die Verfasserin war langjährig als Staatsanwältin im Kriminalgericht Moabit tätig und ist Autorin u.a. von Polizeiermittler-Krimis.

NJW schreibt:
"Es gibt noch qualifizierte Gerichtsreporter..."
NJW-aktuell - web.report H. 38/2010, S.3




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